TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 W102 1252733-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W102 1252733-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ÁRGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 11.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht:

A)       

I.       Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt I. und III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

II.      In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 16.07.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung von XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Am 20.07.2003 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 10.08.2004 gemäß § 7 AsylG 1997 abwies, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärte und den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet auswiese. Die dagegen erhobene Berufung/Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.08.2009 (in der Folge: „Zuerkennungserkenntnis“) hinsichtlich Spruchpunkt I. (Asyl) als unbegründet abgewiesen und im Übrigen stattgegeben, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nicht zulässig ist, und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.08.2010 erteilt. Begründend führte der Asylgerichtshof aus, die bereits fragile Sicherheitslage habe sich weiter verschärft, Lebensbedingungen und Versorgungslage seien äußerst prekär. Der Beschwerdeführer sei auch aufgrund seiner bereits sechs Jahre dauernden Abwesenheit auf sich allein gestellt, staatliche Unterstützung sei unwahrscheinlich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage nicht zur Verfügung.

Auf seinen Antrag hin wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt bzw. das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wiederholt eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt, zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2016 (in der Folge: „Verlängerungsbescheid“) bis zum 06.08.2018. Begründend wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung würden vorliegen, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben worden sei, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen. Am 16.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer erneut die „Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.09.2018, zugestellt am 13.09.2018 (in der Folge: „Aberkennungsbescheid“), erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer – nach niederschriftlicher Einvernahme am 10.09.2018 – den „mit Bescheid vom 06.08.2009“ zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erklärte eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm § 55 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. aus, die Gründe für die Zuerkennung würden nicht mehr vorliegen, die subjektive Lage habe sich geändert, es stehe nun eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Der Beschwerdeführer könne auf Rückkehrhilfe zurückgreifen und seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Kabul sei gefahrlos auf dem Luftweg erreichbar. Der Beschwerdeführer könne auf die Unterstützung der islamischen Glaubensgemeinschaft und seiner Volksgruppe zurückgreifen. Ortsunkenntnis stehe der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht entgegen. Von einer Entscheidungspraxis, der zufolge in Kabul ein soziales oder familiäres Netzwerk erforderlich sei, könne nicht die Rede sein. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und habe Berufserfahrung.

3.       Gegen die Spruchpunkte I. bis III. des oben dargestellten Aberkennungsbescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2018 richtet sich die am 11.10.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde. Im Wesentlichen wird ausgeführt, die belangte Behörde lege im angefochtenen Aberkennungsbescheid nicht dar, inwiefern sich die persönliche Situation im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung maßgeblich geändert habe. Ein Aberkennungsgrund iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 liege nicht vor. Sicherheits- und Versorgungslage seien schlecht.

Mit Ladung vom 05.11.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 23.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und seinen Lebensverhältnissen befragt.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Iki-B1-Zeugnis

?        Studienunterlagen betreffend ein Studium der islamischen Theologie

?        Medizinische Unterlagen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Arabisch. Er spricht zudem Deutsch auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist kurzsichtig, altersweitsichtig und leidet an einem Astigmatismus.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Baghdis geboren, wuchs jedoch in der Provinz Faryab auf, wo er etwa sechs Jahre die Koranschule besucht hat. Er war als Lederhändler tätig.

Die Mutter des Beschwerdeführers verstarb 1997 an einer Erkrankung, seine beiden Brüder und sein Vater sind bei Kriegshandlungen umgekommen.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2002 in den Iran aus und hält sich seit dem Jahr 2003 in Österreich auf. Er war wiederholt bei verschiedenen Dienstgebern als Arbeiter beschäftigt und hat wiederholt Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen. Der Beschwerdeführer studiert islamische Theologie und möchte Seelsorger werden.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.08.2009 wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nicht zulässig ist, und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.08.2010 erteilt. Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Verlängerungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2016 eine bis zum 06.08.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt.

1.2.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen.

Die Provinz Faryab zählt zu den volatilen Provinzen Afghanistans, die Taliban sind aktiv und führen Angriffe auf Regierungsinstitutionen und Sicherheitseinrichtungen durch. Die Gewalt hat in der vormals friedlichen nördlichen Region in den vergangenen Jahren zugenommen. Für das Jahr 2019 sind 665 zivile Opfer dokumentiert, was einer Steigerung von 3 % gegenüber 2018 entspricht. Für 2018 sind dagegen 646 zivile Opfer dokumentiert, was gegenüber 2017 einem Anstieg von 1 % entspricht. Die Provinz gehört zu den acht Provinzen mit der höchsten Anzahl an Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte und zählte auch zu Beginn 2019 zu den Provinzen mit der höchsten Konzentration an Kämpfen. Alle Distrikte stehen unter Kontrolle der Taliban oder sind umkämpft.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Zuletzt ist die Kriminalitätsrate angestiegen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Gezielte Tötungen insbesondere durch Erschießung vom Motorrad aus sowie durch unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen haben zugenommen. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

In Balkh hat sich die Sicherheitslage – nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde – verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer gezählt, dies bedeutete einen Rückgang um 68 % im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % auf 227 angestiegen, im Jahr 2019 im Vergleich zu 2018 um 22 % auf 277. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.

Hinsichtlich der Provinz Herat kam es zuletzt zu einer Steigerung der zivilen Opfer um 54 % im Vergleich der Jahre 2018 und 2019. Hauptursache dafür waren improvisierte Sprengkörper, Bodenkämpfe und gezielte Tötungen. Hinsichtlich Herat (Stadt) kam es zuletzt zu einem Anstieg der Kriminalität, Raubüberfälle nahmen zu, Entführungen finden statt. Im Vergleich der Jahre 2017 und 2018 sank die Zahl ziviler Opfer dagegen um 48 %.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Wirtschaft stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig und stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht. Lebensgrundlage von 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft.

Die afghanische Wirtschaft wurde hart von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie getroffen. Als Folge sind die Preise von Grundnahrungsmitteln stark gestiegen. Aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, was etwa zu einer Verschärfung von Armut, einem Rückgang der Staatseinnahmen und einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften führt.

Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung im Sinne von Ausgangsbeschränkungen, Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens oder der Bewegungsfreiheit sind aktuell nicht in Kraft.

Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt auch für Balkh. Das afghanische Gesundheitssystem ist mangelhaft, der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat jedoch Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Die medizinische Versorgung ist in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildetem Personal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In Distrikten mit guter Sicherheitslage werden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Die Behandlungskosten sind hoch. Bedingt durch die begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und die begrenztenTestkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan unzureichend erfasst. Krankenhäuser und Kliniken haben Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Lebenswandel und Lebensverhältnissen im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im gesamten Verfahren, die auch das Bundesasylamt, die belangte Behörde und der Asylgerichtshof ihren Entscheidungen zugrunde legte. Hinweise darauf, dass diese nicht zutreffen würden, sind auch im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer ein Sprachzertifikat vorgelegt (Anlage 1 zum Einvernahmeprotokoll vom 10.09.2018).

Zu seiner Fehlsichtigkeit hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht 23.11.2020 Befunde vorgelegt (Beilagen zu OZ 6). Zudem hat er angegeben, an Diabetes und Asthma zu leiden, hierzu jedoch keine Befunde vorgelegt.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Das Antragsdatum des Beschwerdeführers ist aktenkundig, seine Beschäftigungen, sowie sein Arbeitslosengeldbezug gehen aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Auskunft im Rahmen des Auskunftsverfahrens hervor. Zu seinem Theologiestudium hat der Beschwerdeführer Unterlagen vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hierzu angegeben, er wolle Seelsorger werden. Zweifel hieran schienen nicht indiziert.

Die Feststellungen zum Erkenntnis des Asylgerichtshofes, sowie zur letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gehen aus den im Akt einliegenden diesbezüglichen Entscheidungen hervor.

2.2.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von September 2020 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), alle vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 05.11.2020 (OZ 5) in das Verfahren eingebracht.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Faryab beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.9. Faryab, dem EASO COI Report: Afghansitan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.9 Faryab, S. 120, insbesondere Unterkapitel 2.9.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 124 ff., sowie der der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Faryab, S. 95-96.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 55 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffs zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von September 2020 auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul und zeichnet sich dieser Trend bereits in der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Aberkennungsbescheid abgedruckten Fassung des Länderinformationsblattes ab (Aberkennungsbescheid, S. 43-45).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 3.5. Balkh, S. 90 ff., insbesondere Unterkapitel 2.5.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 92 ff, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Balkh, S. 92-93, sowie dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.5. Balkh.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.13 Herat, S. 148, insbesondere Kapitel 2.13.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 151 ff., sowie der EASO Country Guidance, EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QU, Abschnitt Herat, S. 99-100.

Die Feststellungen zur Wirtschaftslage in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung und dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020.

Der negative Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die afghanische Wirtschaft geht aus dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020 hervor und wird auch vom EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020 – vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Ladung vom 01.10.2020 (OZ 16) in das Verfahren eingebracht – bestätigt. Dieser berichtet etwa, dass für das Jahr 2020 ein Rückgang des BIP von 5,5 bis 7,4 % erwartet wird (Kapitel 2.1.1 Economic growth, S. 23), von einem Anstieg der Arbeitslosenrate für das Jahr 2020 (Kapitel 2.2.1. Unemployment, S. 28), von insgesamt negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf Arbeitsmarkt, Geschäftsaktivitäten, Armutsrate, etc. (etwa Kapitel 2.2.2 Employment opportunities and working conditions, S. 29-30; Kapitel 2.3.1. General trends, S. 36), einem verringerten Zugang zu Einkommen für arme städtische Haushalte, insbesondere für Tagelöhner (Kapitel 2.3.2. Urban poverty, S. 37) und einem Anstieg der Lebensmittelpreise (Kapitel 2.4.1. General situation, S. 39).

Im Hinblick auf aktuelle Maßnahmen zu Pandemiebekämpfung geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, die „landesweite Abriegelung“ sei zuletzt am 06.06.2020 um drei Monate verlängert worden, ebenso die Schließung der Schulen (Information vom 21.07.2020). Informationen zu einer darüberhinausgehenden Verlängerung waren allerdings nicht auffindbar.

Die Feststelllungen zur COVID-19-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020. Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung beruhen ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Medizinische Versorgung, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020, Kapitel 2.6 Health care, S. 45 ff.).

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).

Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG 2005, ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. In der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 an und führt zudem aus, dass „die Gründe für die seinerzeitige Erteilung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 AsylG derzeit nicht mehr vorliegen“ (AS 512), woraus klar wird, dass sie sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen durch ihre Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit vom 29.07.2016 eine bis zum 06.08.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt, weswegen gegenständlich Änderungen im Hinblick auf den in diesem Zeitpunkt maßgeblichen Sachverhalt relevant sind.

Im angefochtenen Aberkennungsbescheid führt die belangte Behörde im Hinblick auf die von ihr angenommenen Sachverhaltsänderungen aus, die Gründe für die Zuerkennung würden nicht mehr vorliegen, die subjektive Lage habe sich geändert, es stehe nun eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Der Beschwerdeführer könne auf Rückkehrhilfe zurückgreifen und seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Kabul sei gefahrlos auf dem Luftweg erreichbar. Der Beschwerdeführer könne auf die Unterstützung der islamischen Glaubensgemeinschaft und seiner Volksgruppe zurückgreifen. Ortsunkenntnis stehe der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht entgegen. Von einer Entscheidungspraxis, der zufolge in Kabul ein soziales oder familiäres Netzwerk erforderlich sei, könne nicht die Rede sein. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und habe Berufserfahrung.

Hierzu ist auszuführen, dass die belangte Behörde damit keine Sachverhaltsänderungen nachvollziehbar darlegt, sondern lediglich einen unveränderten Sachverhalt rechtlich neubeurteilt. So sind Sachverhaltsänderungen im Sinne einer Verbesserung in der individuellen Situation des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, nachdem der Beschwerdeführer mittlerweile 18 Jahre vom Herkunftsstaat abwesend ist, dort weiterhin nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt und auch sonst keine Anhaltspunkte für eine veränderte persönliche Situation im Sinne einer Verbesserung ersichtlich sind.

Im Hinblick auf die Sicherheitslage in Kabul stellt die Behörde sogar fest, Kabul sei „einstmals“ als sicher erachtet worden, setzt sich jedoch in ihrer rechtlichen Begründung mit keinem Wort damit auseinander, inwiefern sich die Lage in Kabul nunmehr besser oder anders darstellen sollte, als im Jahr 2016. Wie auch die belangte Behörde erkannt hat, ist im Hinblick auf die Sicherheitslage in Faryab eine Sachverhaltsänderung im Sinne einer Verbesserung nicht ersichtlich. Dies gilt im Übrigen auch für Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif als für eine innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Teile des Staatsgebietes. So hat sich die Sicherheitslage in Kabul und Balkh verschlechtert, während in Herat ein klarer Trend nicht ersichtlich ist. Zudem haben sich die Wirtschafts- und Versorgungslage zuletzt in Folge der COVID-Pandemie verschlechtert. Eine Verbesserung im Hinblick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat ist damit eindeutig nicht ersichltich.

Zum Hinweis der belangten Behörde auf die Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes ist überdies anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbaren Fällen erblickt werden kann (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Verlängerungsbescheides vom 08.07.2016 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Viel mehr ist gegenständlich beinahe offenkundig, dass die Aberkennung durch die belangte Behörde völlig willkürlich erfolgt ist und jede nachvollziehbare Begründung vermissen lässt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist „die zu entscheidende Angelegenheit“ im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (Zuletzt VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.

Gegenständlich waren jedoch Anhaltspunkte für das Vorliegen eines sonstigen Aberkennungstatbestandes gemäß § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 nicht ersichtlich.

3.2.    Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt III. des angefochtenen Aberkennungsbescheides

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ersatzlos behoben hat, war auch Spruchpunkt III. des angefochtenen Aberkennungsbescheides, mit dem dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wurde, ersatzlos zu beheben.

3.3.    Zur Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkte II. des Aberkennungsbescheides (Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005)

Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts fort, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.1.), war dem Beschwerdeführer in Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkte II. des angefochtenen Bescheides die mit Zuerkennungsbescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG spruchgemäß um weitere zwei Jahre zu verlängern.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Verlängerung die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen (VwGH 27.12.2019, Ra 2019/18/0281). Beim im Aberkennungsverfahren durch Einzelrichter entscheidenden Bundesverwaltungsgericht ist dies der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung erlassen, das heißt verkündet oder zugestellt wird (VwGH 27.04 2016, Ra 2015/05/0069).

Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt damit zwei Jahre ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer.

4.       Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, die unter 3. zitiert wird.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung individuelle Verhältnisse Pandemie Rechtsanschauung des VwGH Sicherheitslage Verlängerung Verschlechterung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.1252733.2.00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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