TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/10 L502 2237051-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2020
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Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


L502 2237051-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2020, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte erstmals am 04.08.2003 bei der BPD Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen zog er diesen Antrag am 20.01.2004 zurück.

2. Am 20.01.2004 beantragte er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger, die ihm am 19.01.2005 von der BPD Wien befristet bis 19.01.2006 erteilt wurde.

3. Am 05.01.2006 beantragte er bei der Magistratsabteilung 35 des Magistrats der Stadt Wien (MA 35) die Erteilung eines Aufenthaltstitels.

4. Am 27.09.2006 wurde er vor der BPD Wien zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wegen des Verdachts einer Scheinehe niederschriftlich einvernommen.

5. Nach Einlangen eines Fristerstreckungsantrages und einer schriftlichen Stellungnahme erließ die BPD Wien mit Bescheid vom 20.02.2007 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot gegen den BF.

6. Am 05.01.2009 erfolgte seine niederschriftliche Einvernahme bei der MA 35.

7. Der gegen den Bescheid der BPD Wien vom 20.02.2007 erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 10.02.2009 keine Folge gegeben und das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot auf 10 Jahre erhöht. Infolge dessen verließ er das Bundesgebiet spätestens am 24.02.2009.

8. Am 23.04.2009 wurde das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels von der MA 35 eingestellt.

9. Der von ihm im Gefolge seiner Rückkehr in das österreichische Bundesgebiet am 09.11.2017 eingebrachte Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot Karte ‚Start-Up‘“, wurde mit rechtskräftigem Bescheid der MA 35 vom 27.12.2017 zurückgewiesen.

10. Am 03.09.2018 wurde er im Zuge einer Fahrzeugkontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angehalten. Dabei wurde er beim unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten und sein türkischer Reisepass gemäß § 39 BFA-VG sichergestellt sowie Anzeige wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäß § 120 FPG erstattet.

11. Am 13.09.2018 und am 18.10.2018 beantragte die ehemalige rechtsfreundliche Vertretung des BF jeweils die Herausgabe des sichergestellten Reisepasses zum Zwecke der Rückkehr des BF in die Türkei.

12. Am 21.09.2018 wurde er beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

13. Am 24.10.2018 wurde ihm das mit 03.09.2018 datierte schriftliche Parteiengehör des BFA zugestellt. Er wurde damit von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Kenntnis gesetzt und zur Abgabe einer Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert.

14. Am 14.12.2018 gab die ehemalige rechtsfreundliche Vertretung des BF die Vollmachtserteilung bekannt und beantragte die Erstreckung der Stellungnahmefrist, dem vom BFA stattgegeben wurde.

15. Am 15.01.2019 langte die entsprechende Stellungnahme beim BFA ein.

16. Mit Bescheid des BFA vom 08.02.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist und ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt.

17. Dieser seinem ehemaligen rechtsfreundlichen Vertreter am 13.02.2019 zugestellte Bescheid erwuchs am 13.03.2019 in Rechtskraft.

18. Am 29.05.2019 wurde ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG gegen ihn erlassen. Wegen unbekannten Aufenthalts des BF scheiterte letztlich dessen Festnahme und Außerlandesbringung.

19. Er wurde nach seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der LPD Wien am 16.06.2020 polizeilich angehalten.

20. Am 17.06.2020 stellte er aus dem Stande der Anhaltung den gg. Antrag auf internationalen Schutz.

21. Am 19.06.2020 erfolgte seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

22. Am 02.10.2020 wurde er vom BFA zu seinem Antrag niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde ihm auch das Länderinformationsblatt des BFA zum Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme dazu eingeräumt.

Im Gefolge der Einvernahme übermittelte er einen Firmenbuchauszug als Beweismittel, der in Kopie zum Akt genommen wurde.

23. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 06.10.2020 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 3 und Z. 6 FPG wurde gegen ihn ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

24. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 06.10.2020 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

25. Gegen den ihm am 14.10.2020 persönlich zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 30.10.2020 binnen offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

26. Mit 19.11.2020 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

27. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist türkischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und ist sunnitischer Moslem.

Er stammt aus XXXX in der Provinz XXXX . Er besuchte dort für fünf Jahre die Grundschule und war zuletzt als Bauhilfsarbeiter und Viehzüchter erwerbstätig. Er war vormals in der Türkei mit einer rumänischen Staatsangehörigen liiert, mit der er einen gemeinsamen Sohn und drei gemeinsame Töchter hat. Die Beziehung zur Mutter dieser Kinder endete 2019. Vor seiner jüngsten Ausreise bewohnte er, zusammen mit seinen Kindern ein ihm gehörendes Haus in XXXX . Seine vier Kinder, zwei davon sind bereits volljährig, leben zusammen mit der Kindsmutter nach wie vor in diesem Haus. In der Türkei leben außerdem noch seine Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern und bewohnen in XXXX eine Landwirtschaft. Er hat auch zahlreiche sonstige Verwandte in der Türkei. Sein Vater ist Pensionist und unterstützt die Kinder des BF finanziell. Sein Bruder arbeitet als Busfahrer und betreibt eine Viehzucht. Er steht mit seinen Angehörigen in der Türkei in regelmäßigem Kontakt. In Österreich leben ein weiterer Bruder und zwei Schwestern des BF sowie mehrere Onkel und Tanten mit deren Familien.

Er hielt sich bereits ab 2004 im Bundesgebiet auf. Er heiratete am 14.01.2004 eine österreichische Staatsangehörige und beantragte im Gefolge seiner Eheschließung die Erteilung eines Aufenthaltstitels als begünstigter Drittstaatsangehöriger, welcher ihm zunächst befristet bis 19.01.2006 erteilt wurde. Die BPD Wien stellte fest, dass es sich bei dieser Ehe um eine sog. Aufenthaltsehe handelte, weshalb sie mit Bescheid vom 20.02.2007 ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot gegen ihn erließ. Die Berufungsbehörde erhöhte das mit dem Berufungsbescheid vom 10.02.2009 in Rechtskraft erwachsene Aufenthaltsverbot auf zehn Jahre. Die Ehe wurde am 08.01.2009 geschieden. Er verließ das Bundesgebiet spätestens mit 24.02.2009.

Er reiste neuerlich am 17.10.2017 auf legalem Wege aus der Türkei aus und gelangte auf dem Landweg, mittels von 11.10.2017 bis 09.12.2017 gültigem polnischem Visum C, über mehrere europäische Staaten, trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot, in das Bundesgebiet, wo er am 09.11.2017 bei der MA 35 einen Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot Karte ‚Start-Up‘“ stellte und sich seither durchgehend aufhält. Er verblieb auch nach der rechtskräftigen Zurückweisung dieses Antrages mit 27.12.2017 unrechtmäßig im Bundesgebiet und wurde am 03.09.2018 bei einer polizeilichen Fahrzeugkontrolle beim unrechtmäßigen Aufenthalt betreten und gemäß § 120 FPG angezeigt.

Mit Bescheid des BFA vom 08.02.2019 wurde gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen. Er kam der daraus resultierenden Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nach, weshalb am 29.05.2019 ein Festnahmeauftrag erging. Die Effektuierung seiner zwangsweisen Außerlandesbringung scheiterte jedoch am unbekannten Aufenthaltsort des BF.

Er wurde schließlich am 16.06.2020 erneut von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und in weiterer Folge polizeilich angehalten. Am 17.06.2020 stellte er aus dem Stande der polizeilichen Anhaltung den gg. Antrag auf internationalen Schutz.

Er verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache, besuchte bislang jedoch keinen Deutschkurs und hat keine Deutschprüfung absolviert. Er spricht Kurdisch als Muttersprache und sehr gut Türkisch. Er ist gesund und voll arbeitsfähig. Er bestritt seinen Lebensunterhalt ab der Antragstellung bis 20.10.2020 durch den Bezug von Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und wurde zudem fallweise von seinen Geschwistern finanziell unterstützt. Er ist Komplementär der von ihm im Dezember 2017 gegründeten XXXX in Wien. Ein Neffe des BF ist als Kommanditist an der Gesellschaft beteiligt. Er erzielt aus dieser Erwerbstätigkeit aktuell keine Einkünfte und hat Steuerschulden in nicht feststellbarer Höhe. Es war nicht feststellbar, wodurch er aktuell seinen Lebensunterhalt bestreitet.

1.2. Der BF ist kein Mitglied der sogen. Gülen-Bewegung. Dass ihm von türkischen Staatsorganen eine Mitgliedschaft bei der oder ein Naheverhältnis zur Gülen-Bewegung unterstellt wird, war ebenso nicht feststellbar.

Er hat seinen Herkunftsstaat nicht aufgrund individueller Verfolgung durch türkische Staatsorgane verlassen und ist auch bei einer Rückkehr in die Türkei nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt.

1.3. Er ist bei einer Rückkehr in die Türkei auch aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor. Er leidet unter keinen gravierenden Erkrankungen.

1.4. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid auch der gg. Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie durch die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht aufgrund des insoweit unstrittigen Akteninhaltes fest.

2.3. Identität und Staatsangehörigkeit des BF waren anhand des sichergestellten türkischen Reisepasses feststellbar.

Die Feststellungen zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seinen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Ausreise aus der Türkei sowie in Österreich im Gefolge derselben, zu seinen Sprachkenntnissen, zu seinen Reisebewegungen, zu seinem Gesundheitszustand, zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit und zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergaben sich in schlüssiger Weise aus einer Zusammenschau seiner eigenen Angaben vor dem BFA, dem rechtskräftigen Bescheid des BFA vom 08.02.2019 und den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Seine hiesige Erwerbstätigkeit war anhand des vorgelegten Firmenbuchauszuges und des vom BFA eingeholten AJ-Web Auszuges feststellbar. Dass er mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit derzeit kein Einkommen erzielt, war ausgehend von seinen eigenen Angaben vor dem BFA feststellbar (AS 181). Selbiges gilt für den Umstand, dass er Steuerschulden hat, wenngleich deren Höhe mangels näherer Konkretisierung durch ihn nicht feststellbar war. Mangels entsprechender Beweismittelvorlage durch ihn wurde auch nicht ersichtlich, womit er seit 20.10.2020 seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Die Feststellung zu seinen Kenntnissen der deutschen Sprache resultierte einerseits daraus, dass er, trotz seines früheren mehrjährigen sowie des aktuellen mehrjährigen Aufenthalts und seiner selbständigen Erwerbstätigkeit, in seiner erstinstanzlichen Einvernahme bloß grundlegende Kenntnisse demonstrierte, sowie andererseits daraus, dass er keinen Besuch von Spracherwerbsmaßnahmen und keine Sprachprüfung nachwies.

Die Feststellungen zum früheren Aufenthalt des BF in Österreich basieren auf dem auch insoweit unstrittigen Akteninhalt. Dass er das Bundesgebiet spätestens am 24.02.2009 verlassen hat, war anhand einer Auskunft seiner ehemaligen rechtsfreundlichen Vertretung (AS 167) feststellbar. Die Feststellungen zum Aufenthaltsverbot und zur Einstufung seiner einstigen Ehe als Aufenthaltsehe ergaben sich aus den in Kopie im Akt einliegenden Bescheiden der BPD Wien vom 20.02.2007 und der Sicherheitsdirektion Wien vom 10.02.2009.

2.3. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro oben gelangte das erkennende Gericht aufgrund folgender Erwägungen:

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 19.06.2020 brachte der BF, zu seinen Antragsgründen befragt, im Wesentlichen vor, dass sein seit vielen Jahren in Österreich lebender Bruder Direktor einer Gülen-Schule in Wien sei. Nach seiner Rückkehr in die Türkei habe er deswegen Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen. Zudem sei er in seinem Dorf erpresst und beschimpft worden, weshalb sein Leben nicht mehr sicher gewesen und er geflohen sei. Außerdem habe er aufgrund dessen einen wirtschaftlichen Schaden erlitten.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 02.10.2020 gab er an, dass er in der Türkei Schulden aus seiner Viehzucht habe. Er wiederholte zudem, dass sein in Österreich lebender Bruder Gülen-Anhänger sei und auch er selbst in der Türkei mit Gülen-Anhängern in Verbindung gestanden sei. Mit der Zeit habe er sich zwar von der Gülen-Bewegung distanziert, gerade nach dem Putschversuch sei er von den Einwohnern seines Dorfes dennoch als Gülen-Anhänger diffamiert und unter Druck gesetzt worden. Er habe dann einen Job als LKW-Fahrer angenommen, er hätte einen LKW aus Polen holen sollen, sei auf dem Weg dorthin jedoch in Österreich ausgestiegen und nicht mehr in die Türkei zurückgekehrt. Die Tätigkeit seines Bruders in Österreich präzisierte er, in Abweichung von seinen Angaben in der Erstbefragung, dahingehend, dass dieser Vizerektor eines nach dem Putschversuch geschlossenen Gülen-Vereins in Wien gewesen sei, er inzwischen jedoch seit zwei Jahren in einem Geschäft arbeite. Er selbst habe diesen Verein von Mitte 2004 bis 2007 in Österreich besucht, wovon andere in Österreich lebende Bewohner seines Heimatdorfes in der Türkei erfahren und dies den Dorfbewohnern in der Türkei mitgeteilt hätten. Andere Verbindungen zur Gülen-Bewegung gebe es nicht. Am Basar in der Türkei, wo der BF mit Tieren handelte, sei es zu Beschimpfungen durch andere Privatpersonen gekommen, andere Vorfälle habe es nicht gegeben. Er verneinte sowohl körperliche Übergriffe als auch Probleme mit staatlichen Behörden und Gerichten in der Türkei.

2.3.2. Die belangte Behörde gelangte auf der Grundlage dieses Vorbringens zum Ergebnis, dass er weder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch aufgrund seiner politischen Ansichten, seines Glaubens oder seiner „Zugehörigkeit“ von staatlichen Organen oder von Dritten verfolgt worden sei. Er habe seine Heimat ausschließlich aus wirtschaftlichen Motiven verlassen.

2.3.3. Der Einschätzung der belangten Behörde vermochte sich das BVwG im Lichte der folgenden Erwägungen anzuschließen.

Zunächst hob das BFA zutreffend hervor, dass schon der Umstand, dass er bereits im Oktober 2017 nach Österreich einreiste und zunächst die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte ‚Start-Up‘“ beantragte bzw. zuvor eine Kommanditgesellschaft gründete, a priori auf wirtschaftliche Motive seiner Ausreise aus der Türkei schließen ließ. Diese Annahme wurde auch davon bestärkt, dass er in seiner Einvernahme beim BFA im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme am 21.09.2018 angab, dass er sich in Österreich aufhalte um ein Unternehmen zu gründen bzw. zu betreiben, worauf das BFA zutreffend hinwies. Weiter indizierten die im gg. Verfahren geäußerten wirtschaftlichen Probleme in der Türkei bzw. die Schulden aus seiner dortigen Viehzucht, dass seine Einreise auf wirtschaftlichen Motiven beruhte. Richtigerweise wies das BFA auch auf die früheren Angaben des BF im einstigen Asylverfahren im Gefolge seiner ersten Einreise im Jahr 2003 hin, die bereits damals eine Migration aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Motiven indizierten. Ausgehend davon gelangte das BFA daher zutreffend zur Feststellung, dass er den Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat.

Seine im Zuge des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme geäußerte Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise indizierte zudem, dass er in Wahrheit keine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat zu gewärtigen hatte bzw. im Falle einer Rückkehr haben würde. Dies erschloss sich für die belangte Behörde richtigerweise auch daraus, dass er den gg. Antrag auf internationalen Schutz erst am 17.06.2020 aus dem Stande seiner polizeilichen Anhaltung stellte. Angesichts dieses Umstandes war vielmehr davon auszugehen, dass er den gg. Antrag bloß deshalb stellte um seine drohende Außerlandesbringung nach seinem polizeilichen Aufgriff am 16.06.2020 abzuwenden, zumal zu diesem Zeitpunkt bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen ihn bestand und die Frist für die freiwillige Ausreise längst abgelaufen war. In diesem Zusammenhang wies die belangte Behörde auch zutreffend darauf hin, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung gänzlich widerstreitet, dass ein Fremder, der im Herkunftsstaat tatsächlicher asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, nicht unmittelbar nach seiner Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, sondern damit fast drei Jahre zuwartet. Im Falle des BF kam in dieser Hinsicht hinzu, dass er sowohl im November 2017 mit der Niederlassungsbehörde als auch nach seinem Aufgriff ab September 2018 mit dem BFA als Verfahrenspartei in Kontakt stand und zu keinem Zeitpunkt allfällige Probleme im Herkunftssaat thematisierte. In dieses Bild fügt sich auch der vom BFA hervorgehobene Umstand, dass der ehemalige rechtsfreundliche Vertreter im Zuge des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mehrfach die Herausgabe des sichergestellten Reisepasses des BF begehrte, damit dieser die Heimreise in die Türkei antreten könne, was ebenfalls gegen eine bestehende Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat sprach.

Im Hinblick auf die von ihm behauptete Verfolgungsgefahr wegen einer ihm von Dritten unterstellten Nähe zur Gülen-Bewegung, wegen der ehemaligen Funktion seines in Österreich aufhältigen Bruders in einem der Gülen-Bewegung zuzurechnenden Verein sowie seines eigenen Engagements für diesen Verein hielt das BFA zutreffend fest, dass die von ihm ins Treffen geführten Anfeindungen anderer Dorfbewohner und Basarbesucher in der vom BF dargestellten Form schon nicht die Intensität asylrelevanter Verfolgung erreichten (s. dazu unter rechtliche Beurteilung).

Ergänzend war diesbezüglich aus Sicht des erkennenden Gerichts zu bedenken, dass seine alle übrigen Familienangehörigen unbehelligt im Heimatdorf in XXXX verbleiben konnten, obwohl sie wie auch der BF mit seinem in Österreich aufhältigen Bruder verwandt sind. Weshalb gerade er als Gülen-Anhänger stigmatisiert werden sollte, erhellte hingegen nicht, zumal er letztlich selbst einräumte, dass sich sein Engagement für den der Gülen-Bewegung zurechenbaren Verein ausschließlich in Österreich abspielte und sohin spätestens mit Februar 2009 endete. Seiner Darstellung, der zufolge andere in Österreich lebende Dorfbewohner jene Dorfbewohner in der Türkei über ein einstiges Engagement des BF informiert hätten, entbehrte der notwendigen Plausibilität. Aber auch im Falle des Zutreffens dieser Behauptung blieb unklar, weshalb er dann erst im Jahr 2017 die Türkei neuerlich verlassen hätte müssen. Soweit er dies mit steigenden Problemen infolge des gescheiterten Putschversuches im Juli 2016 begründete, entgegnete dem schon das BFA, dass es seiner Ausreise über ein Jahr später im Oktober 2017 jedenfalls am erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen den geäußerten Problemen und der Ausreise mangelt.

Schließlich verwies das BFA zutreffend darauf, dass der BF selbst einräumte, bislang keinerlei staatliche Verfolgungshandlungen wegen der ihm angeblich unterstellten Nahebeziehung zur Gülen-Bewegung zu gewärtigen gehabt zu haben, was angesichts seines unbehelligten Aufenthalts im Herkunftsstaates von 2009 bis 2017 auch für die Zukunft keine Verfolgungshandlungen erwarten lässt. Konkrete aktuelle Verbindungen zur Gülen-Bewegung in der Türkei hat er auch nicht vorgebracht, sondern vielmehr angegeben sich in der Türkei lautstark von der Bewegung distanziert zu haben. Er räumte zudem ein, dass er zwar mit seinem Bruder an Veranstaltungen des Vereins in Österreich teilgenommen habe, selbst jedoch kein Mitglied dieses Vereins oder der Gülen-Bewegung werden habe können, weil ihn deren Mitglieder wegen seines unzureichenden Bildungsstandes nicht akzeptiert hätten (AS 173).

Insgesamt betrachtet fehlte sohin dem Vorbringen des BF zu den von ihm geäußerten Antragsgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen eine substantiierte Tatsachengrundlage. Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise oder die Gefahr einer solchen bei einer Rückkehr konnte er damit nicht glaubhaft darlegen.

2.3.4. In der Beschwerde des BF fanden sich keine dieser Einschätzung entgegenstehenden substantiierten Einwendungen.

Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF nur aufrechterhalten sowie abweichend von seinen persönlichen Angaben ausgeführt, dass er wegen seiner Nähe zur Gülen-Bewegung auch von den staatlichen Sicherheitsbehörden verfolgt und bedroht werde, wobei diese behauptete staatliche Bedrohung keiner näheren Konkretisierung zugeführt wurde und folglich als unsubstantiiert außer Betracht zu bleiben hatte.

2.4. Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt ebendort jeden, sohin auch den BF, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war ebenso als notorisch anzusehen wie dies aus den Feststellungen der belangten Behörde zu gewinnen war.

2.5. Die Annahme, dass der BF bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre, als er etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützte schon die belangte Behörde zu Recht darauf, dass er im Herkunftsstaat über Verwandte verfügt, deren Unterstützung er nötigenfalls in Anspruch nehmen kann. Er verfügt zudem über ein in seinem Eigentum stehendes Haus, wo aktuell seine Kinder sowie die Kindsmutter leben. Abgesehen davon handelt es sich bei ihm um einen arbeitsfähigen Mann mit ausreichender Schulbildung und Berufserfahrung als Viehzüchter und Hilfsarbeiter am Bau, der daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat neuerlich für seinen Unterhalt sorgen wird können. Dass er unter allfälligen gravierenden Erkrankungen leiden würde, wurde von ihm nicht ins Treffen geführt und ist auch sonst nicht hervorgekommen.

2.6. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellten sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang. Der Beschwerdeführer ist diesen trotz ihm eingeräumter Möglichkeit zur Stellungnahme nicht entgegengetreten, auch in der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die vom BF behauptete frühere bzw. pro futuro drohende Verfolgung wegen eines angeblichen Naheverhältnisses zur Gülen-Bewegung war nicht feststellbar.

Im Übrigen war aus den behaupteten Diskriminierungen und Anfeindungen seitens Privater wegen eines ihm angeblich unterstellten Naheverhältnisses zur Gülen-Bewegung selbst im Falle der Wahrunterstellung keine asylrelevante Verfolgung abzuleiten, da Diskriminierungen per se nicht jene Intensität erreichen, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt in der Türkei als unzumutbar anzusehen wäre (vgl. VwGH 23.05.1995, 94/20/0808).

Den von ihm ins Treffen geführten wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam per se keine Asylrelevanz zu. Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, können zwar grundsätzlich asylrelevant sein (VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Dafür fanden sich im gg. Fall jedoch keine stichhaltigen Anhaltspunkte.

Die belangte Behörde kam daher zu Recht zum Ergebnis, dass der BF mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er bis zur Ausreise einer individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder Dritte im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder der Gefahr einer solchen für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den BF nicht vorlagen:

Stichhaltige Hinweise darauf, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben liegen im gg. Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz des BF nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor. Dies zum einen angesichts seiner eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit und zum anderen in Anbetracht der familiären Anknüpfungspunkte des BF. Seinem Vorbringen zu den Lebensumständen vor der Ausreise konnte nicht entnommen werden, dass diese von einer fehlenden Lebensgrundlage geprägt gewesen wären.

Es kamen auch keine gravierenden akuten Erkrankungen des BF hervor. Ein, die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigendes Krankheitsbild liegt daher nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen. Die allgemeine Sicherheitslage in seiner engeren Heimat XXXX charakterisierte der BF im gesamten Verfahren nicht als einen Hinderungsgrund für eine Rückkehr in die Türkei.

2.3. Vor diesem Hintergrund erwies sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gg. Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch das BVwG in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des BF in dessen Herkunftsstaat aus.

2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e E

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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