TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/16 W221 2227099-1

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W221 2203953-1/8E
W221 2227099-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde 1.) der mj. XXXX , geb. XXXX und 2.) der mj. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Iran, vertreten durch: ihre Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 12.07.2018, Zl. 1127997206-161197147 und 2.) 12.12.2019, Zl. 1246877109-190965121, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen stellten, vertreten durch ihre Mutter, am 30.08.2016 (Erstbeschwerdeführerin) sowie am 20.09.2019 (Zweitbeschwerdeführerin) den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018 und 12.12.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Den Beschwerdeführerinnen wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt III.).

Gegen die oben genannten Bescheide wurden fristgerechte Beschwerden erhoben.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 22.08.2018 hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin und am 02.01.2020 hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Iran. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste illegal ca. im Dezember 2015 mit ihren Eltern aus Iran aus, reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 30.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte am 20.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerinnen haben für sich keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Die Beschwerdeführerinnen sind die Kinder der XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.11.2020, W221 2203954-1/19E, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34. Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerinnen und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Mutter der Beschwerdeführerinnen sowie auf die Kopien der vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunden).

Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerinnen.

Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen um die Kinder der XXXX handelt, gründet sich auf die im Verfahren vorgelegten Geburtsurkunden.

Dass der Mutter der Beschwerdeführerinnen mit Erkenntnis vom 02.11.2020, W221 2203954-1/19E, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34. Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W221 2203954-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit den Beschwerden unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, haben die mj. Beschwerdeführerinnen keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführerinnen und ihrer Mutter vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Der Mutter der Beschwerdeführerinnen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.11.2020, W221 2203954-1/19E, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34. Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da der Mutter der Beschwerdeführerinnen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführerinnen der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Mutter der Beschwerdeführerinnen selbst nur im Familienverfahren Asyl abgeleitet hat, da gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 die Bestimmungen des Familienverfahrens nur dann nicht auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt wurde, anzuwenden sind, wenn es sei nicht um ein minderjähriges lediges Kind handelt. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da die Beschwerdeführerinnen minderjährig sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Beschwerdeführerinnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2227099.1.00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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