Entscheidungsdatum
28.12.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I414 2234016-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2020, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass das Einreiseverbot auf 12 Monate herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat bereits vom 09.10.2014 bis zum 08.10.2017 eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ (Bachelor-Studium Bauingenieur Wissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen) erteilt erhalten. Der am 15.10.2017 eingebrachte Verlängerungsantrag wurde mangels Studienerfolges abgewiesen, eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde nicht erhoben, sodass diese Entscheidung mit 23.11.2017 rechtskräftig wurde.
Der BF stellte einen weiteren Antrag am 23.02.2018. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26.06.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, es würden berechtigte Zweifel an seiner Absicht, einem ordentlichen Studium an einer österreichischen Bildungseinrichtung nachzugehen, bestehen.
Dagegen hat der BF rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark erhoben.
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. Mai 2019, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im relevanten Zeitraum 2017 nahezu ausschließlich negative Prüfungsergebnisse vorliegen würden, lediglich zwei Vorlesungen im Wintersemester 2017/2018 und eine im Sommersemester 2018 hätten mit positivem Erfolg nachgewiesen werden können.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 2019, Zl. E 2475/2019-7, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Am 03. November 2020 stelle der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, den er mit der Eingabe vom 18.05.2020 auftragsgemäß verbesserte und letztlich eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG beantragte, weil Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt sei.
Mit Bescheid des BFA vom 22. Juli 2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei sowie eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen höher zu bewerten seien als die persönlichen Interessen des BF an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens im Bundesgebiet.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen ausgewiesen Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2020, Zl. G314 2234016-1/2E, wurde der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Beschwerde betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die integrationsbegründenden Umstände werden dadurch relativiert, dass sie in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF entstanden, zumal er angesichts der Erteilung von befristeten Aufenthaltsbewilligungen und des ausbleibenden Studienerfolgs nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte. Der BF kann den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch wechselseitige Besuche in Österreich, in Bosnien und Herzegowina oder in anderen Staaten sowie über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) aufrecht halten. Da er nicht vorhat, den in Aussicht stehenden Vollzeitarbeitsplatz anzutreten, sondern lediglich fallweise arbeiten und in erste Linie weiterhin studieren möchte, kommt dem in Aussicht stehenden Arbeitsplatz kein großes Gewicht bei der Interessenabwägung zu.
Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt dabei im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Angesichts der weit unter zehn Jahren liegenden Aufenthaltsdauer des BF im Inland bedarf es für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels außergewöhnlicher Integrationsbemühungen, die hier im Ergebnis nicht vorliegen. Da ihm von Anfang bewusst sein musste, dass ihm die erteilten Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck des Studiums iSd § 8 Abs 1 Z 12 NAG nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vermitteln konnten und er nicht von einer Zulässigkeit des dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet ausgehen durfte, werden sowohl die Dauer des Aufenthalts als auch die währenddessen erlangte soziale Integration entscheidend relativiert (siehe VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0016).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt hier – auch unter Bedachtnahme auf die starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Integration des BF ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens geboten wäre. Da er bis 2014 in Bosnien und Herzegowina lebte, wo seine Mutter und seine Schwester nach wie vor leben, und er während des Studiums in Österreich häufig dorthin zurückkehrte, ist davon auszugehen, dass ihm in seiner Heimat keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er gesund und arbeitsfähig ist, eine höhere Schule abgeschlossen hat, Deutsch und Bosnisch spricht und Berufserfahrung als Fahrradbote hat. Seine Familie kann ihn auch nach seiner Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina weiterhin finanziell unterstützen.
Dagegen erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Mit Beschuss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2020, Zl. E 3148/2020-5, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der BF wurde im Rahmen, eines ihm am 06. Oktober 2020 zugestellten Schreibens des BFA, über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt. Zugleich wurde er aufgefordert Stellung zu beziehen.
Am 08. Oktober 2020 wurde der BF in seinem Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina abgeschoben.
Mit Stellungnahme vom 15. Oktober 2020 teilte der ausgewiesene Vertreter des BF zusammengefasst mit, dass der BF bis zu seiner Abschiebung seinem Studium nachgegangen sei und sein Aufenthalt finanziell abgesichert gewesen sei. Dem BF sei keine Information über die Verpflichtung zur Ausreise zugekommen. Der BF beabsichtige, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ über die österreichische Vertretungsbehörde zu stellen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.), und gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 2 (zwei) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Die aufschiebende Wirkung wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BVA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Dagegen richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb neuerlich eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen worden sei. Richtig sei, dass der BF am 08. Oktober 2020 aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden sei. Dazu sei festzuhalten, dass der Abschiebung des BF ein Verfahren zwecks Erteilung eines Aufenthaltstitels vorausgegangen sei und der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 06. Oktober 2020, E 3148/2020-5, mit welchem die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2020, G314 2234016-1/7E, abgelehnt wurde, dem Rechtsvertreter des BF erst am 07. Oktober 2020 zugestellt worden sei. Der BF sei sohin davon ausgegangen, dass eine gesonderte Aufforderung zur Ausreise erfolge. Wäre der BF aufgefordert worden das Bundesgebiet zu verlassen, wäre er auch freiwillig dieser Aufforderung nachgegangen. Zudem sei eine außerordentliche Revision derzeit beim Verwaltungsgerichtshof im Verfahren zwecks Erteilung eines Aufenthaltstitels anhängig.
Der BF beabsichtige einen neuerlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ einzubringen. Dennoch habe die belangte Behörde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt. Zudem werden nachfolgende Feststellungen getroffen:
Der XXXX - jährige in XXXX (Bosnien und Herzegowina) geborene BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina und er verfügt über einen gültigen Reisepass seines Herkunftsstaates. Seine Muttersprache ist Bosnisch. Er besuchte in Bosnien und Herzegowina die Schule, die er 2014 mit der Reifeprüfung abschloss. Danach kam er nach Österreich, um zu studieren.
Zwischen 09.10.2014 und 08.10.2017 verfügte der BF über Aufenthaltsbewilligungen als Studierender, um Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen im Bachelorstudium an der Technischen Universität Graz zu studieren. Sein letzter Verlängerungsantrag vom 05.10.2017 wurde mit dem seit 23.11.2017 rechtskräftigen Bescheid vom 31.10.2017 mangels Studienerfolgs abgewiesen. Der BF reiste daraufhin am 04.01.2018 aus dem Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina, kehrte aber schon wenige Tage später wieder zurück. Am 23.02.2018 stellte er einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“, der im Beschwerdeweg mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21.05.2019 abgewiesen wurde. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nicht nachgewiesen worden sei, dass er sein Studium in Zukunft ernsthaft und erfolgreich betreiben werde. Der BF erhob dagegen eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 23.09.2019 abgelehnt wurde, aber kein weiteres Rechtsmittel. Am 01.07.2019 reiste er aus dem Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina aus, kehrte aber schon kurz darauf wieder nach Österreich zurück.
Am 03. November 2020 stelle der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, den er mit der Eingabe vom 18.05.2020 auftragsgemäß verbesserte und letztlich eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG beantragte, weil Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt sei. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen ausgewiesen Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2020, Zl. G314 2234016-1/2E, wurde der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Beschwerde betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die integrationsbegründenden Umstände werden dadurch relativiert, dass sie in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF entstanden, zumal er angesichts der Erteilung von befristeten Aufenthaltsbewilligungen und des ausbleibenden Studienerfolgs nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte. Der BF kann den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch wechselseitige Besuche in Österreich, in Bosnien und Herzegowina oder in anderen Staaten sowie über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) aufrecht halten. Da er nicht vorhat, den in Aussicht stehenden Vollzeitarbeitsplatz anzutreten, sondern lediglich fallweise arbeiten und in erste Linie weiterhin studieren möchte, kommt dem in Aussicht stehenden Arbeitsplatz kein großes Gewicht bei der Interessenabwägung zu.
Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt dabei im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Angesichts der weit unter zehn Jahren liegenden Aufenthaltsdauer des BF im Inland bedarf es für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels außergewöhnlicher Integrationsbemühungen, die hier im Ergebnis nicht vorliegen. Da ihm von Anfang bewusst sein musste, dass ihm die erteilten Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck des Studiums iSd § 8 Abs 1 Z 12 NAG nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vermitteln konnten und er nicht von einer Zulässigkeit des dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet ausgehen durfte, werden sowohl die Dauer des Aufenthalts als auch die währenddessen erlangte soziale Integration entscheidend relativiert (siehe VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0016). Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt hier – auch unter Bedachtnahme auf die starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Integration des BF ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens geboten wäre. Da er bis 2014 in Bosnien und Herzegowina lebte, wo seine Mutter und seine Schwester nach wie vor leben, und er während des Studiums in Österreich häufig dorthin zurückkehrte, ist davon auszugehen, dass ihm in seiner Heimat keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er gesund und arbeitsfähig ist, eine höhere Schule abgeschlossen hat, Deutsch und Bosnisch spricht und Berufserfahrung als Fahrradbote hat. Seine Familie kann ihn auch nach seiner Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina weiterhin finanziell unterstützen. Mit Beschuss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2020, Zl. E 3148/2020-5, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der BF war von September 2014 bis Oktober 2020 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet, wobei zwischen 25.01.2018 und 04.05.2018 sowie zwischen 01.07.2019 und 03.09.2019 keine Wohnsitzmeldung bestand. Seine Schwester mit ihrer Familie, seine Mutter und seine betagten Großeltern leben nach wie vor in Bosnien und Herzegowina. Sein Vater, der dort ein Bauunternehmen geführt hatte, verstarb 2015 plötzlich und unerwartet. Der BF unterstützte seine Mutter bei der Weiterführung des Bauunternehmens und kehrte ab Herbst 2014 auch sonst häufig zu Besuchs- und Urlaubszwecken in seinen Heimatstaat zurück. Seine Mutter, seine Schwester und deren Familie bewohnen dort gemeinsam ein Haus in der Stadt XXXX (Föderation Bosnien und Herzegowina, Kanton XXXX ). Zuletzt kehrte der BF am 15.03.2020 nach einem zehntägigen Aufenthalt in seinem Herkunftsstaat in das Bundesgebiet zurück.
Der BF studierte Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Graz. Er hat das Bachelorstudium noch nicht abgeschlossen. Zwischen Juni 2019 und Juni 2020 absolvierte er Prüfungen im Ausmaß von 21,50 ECTS positiv. Zwischen 30.09.2014 und 31.03.2019 sowie zwischen 03.10.2019 und 30.11.2020 bestand eine Selbstversicherung nach § 16 Abs 2 ASVG.
Der BF arbeitet im Bundesgebiet fallweise ohne Meldung bei der Sozialversicherung als selbständiger Fahrradbote. Ansonsten finanziert er seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen seiner Angehörigen. Er bewohnt eine Eigentumswohnung in Graz, die seiner Mutter gehört. Wenn ihm der beantragte Aufenthaltstitel erteilt wird, hat er eine Vollzeitbeschäftigung als Reinigungskraft in Graz in Aussicht, möchte aber in erster Linie sein Studium fortsetzen und (wenn überhaupt) nur Teilzeit arbeiten.
Der BF spricht gut Deutsch. Am 07.02.2020 bestand er die Integrationsprüfung, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Sprachniveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen.
Der BF ist alleinstehend und kinderlos. Er hat in Österreich einen großen Freundeskreis. Mehrere seiner Cousine bzw. Cousinen wohnen mit ihren Familien in Österreich; der BF lebt mit ihnen nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Er engagiert sich im Verein „ XXXX “ ehrenamtlich. Er ist gesund und arbeitsfähig und in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten.
Sein letzter Verlängerungsantrag vom 05.10.2017 wurde mit dem seit 23.11.2017 rechtskräftigen Bescheid vom 31.10.2017 mangels Studienerfolgs abgewiesen. Seither hält sich der BF ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf. Seit der rechtskräftigen Entscheidung bis zu seiner Abschiebung am 08.10.2020 hielt sich der BF beharrlich im Bundesgebiet auf und kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.
Der BF geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, ist nicht sozialversichert und hat den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachgewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.
Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den Angaben des BF in seinem Antrag und bei der Einvernahme vor dem BFA sowie auf den von ihm vorgelegten Urkunden zum Verfahren vor dem BVwG zu Aktenzahl G314 2234016-1.
Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF werden durch seinen (dem BVwG in Kopie vorliegenden siehe zum Verfahren zu Aktenzahl G314 2234016-1) unbedenklichen Reisepass belegt, ebenso sein Geburtsort. Die bosnische Muttersprache ist angesichts seiner Herkunft und der Schulausbildung, die er nach eigenen Angaben in Bosnien und Herzegowina absolvierte, plausibel.
Die dem BF erteilten Aufenthaltsbewilligungen sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert, ebenso die Ausreise am 04.01.2018 und am 01.07.2019. Der Bescheid vom 31.10.2017 betreffend die Abweisung des letzten Verlängerungsantrags ist aktenkundig (siehe Akt zu G314 2234016-1).
Die Feststellung, der BF am 23.02.2018 einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ stellte, der im Beschwerdeweg mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21.05.2019 abgewiesen wurde, ergibt sich aus den vom Landesverwaltungsgericht Steiermark am 22.12.2020 übermittelten rechtskräftigen Erkenntnis zu Zl. XXXX .
Die Feststellung, wonach der BF am 03.11.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, den er mit der Eingabe vom 18.05.2020 auftragsgemäß verbesserte und letztlich eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG beantragte, weil Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt ist, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.09.2020 zu Zl. G314 2234016-1. Die der Abweisung seines Antrags zugrundeliegende Entscheidung können anhand des vorliegenden Erkenntnis festgestellt werden.
Die Feststellungen, wonach sich der BF seit der Rechtskraft der Entscheidung des Landeshauptmannes von Steiermark hinsichtlich des Verlängerungsantrags ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhielt und er sich bis zu seiner Abschiebung am 08.10.2020 beharrlich im Bundesgebiet verblieb, ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21.05.2019 zu Zl. XXXX sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.09.2020 zu Zl. G314 2234016-1/2E.
Die Feststellungen, wonach der BF in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht, er nicht sozialversichert ist und er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachgewiesen hat, ergeben sich aus den unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus den Daten Auszug der Sozialversicherung und den Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Anfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützt sowie gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina festgestellt.
Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).
Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.
Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet erweist sich spätestens seit seiner rechtskräftigen – 23.11.2017 - Abweisung des Verlängerungsantrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ als rechtswidrig. Daran ändert auch sein weiterer Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ vom 23.02.2018 nichts, weil gemäß § 24 Abs 1 NAG nur nach Stellung eines Verlängerungsantrages der BF bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig aufhältig ist und auch der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK ändert nichts, da der Antrag gemäß § 58 Abs 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht des BF im Bundesgebiet begründet. Sohin ist sein Aufenthalt ab der rechtskräftigen Abweisung seines Verlängerungsantrags auf Aufenthaltsbewilligung „Student“ unrechtmäßig. Der BF verlieb bis zu seiner Abschiebung am 08.10.2020 beharrlich im Bundesgebiet.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist hier gemäß § 9 Abs 2 Z 1 BFA-VG zu berücksichtigen, dass sich der BF seit fast sechs Jahren im Bundesgebiet aufhält, wobei sein Aufenthalt nur bis zur Abweisung des letzten Verlängerungsantrags Ende 2017 rechtmäßig war. Die Stellung des Antrags vom 23.02.2018, der gemäß § 24 Abs 1 zweiter Satz NAG als Erstantrag gilt, führt zu keinem über den erlaubten visumfreien Aufenthalt von 90 Tagen in 180 Tagen hinausgehendem Bleiberecht, zumal der BF die Entscheidung darüber grundsätzlich im Ausland abwarten musste, sich aber nach der Antragstellung nur kurzfristig in Bosnien und Herzegowina aufhielt. Weder Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG noch die Beschwerde gegen die Entscheidung darüber begründen ein Aufenthalts- oder Bleiberecht (vgl. §§ 58 Abs 13 AsylG, 16 Abs 5 BFA-VG), sodass er sich derzeit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Im Inland besteht kein gemäß § 9 Abs 2 Z 2 BFA-VG zu berücksichtigendes Familienleben des volljährigen, alleinstehenden und kinderlosen BF, zumal keine außergewöhnlich enge Bindung zu seinen hier lebenden Verwandten, mit denen kein gemeinsamer Haushalt besteht, vorliegt.
Unter Privatleben iSd Art 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR das Netzwerk persönlicher, sozialer und ökonomischer Beziehungen zu verstehen, die das Privatleben eines jeden Menschen ausmachen. Ein schutzwürdiges Privatleben ist nach § 9 Abs 2 Z 3 BFA-VG bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, ebenso nach § 9 Abs 2 Z 4 BFA-VG der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert. Zugunsten des BF sind dabei die Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Verwandten und Freunden, gute Deutschkenntnisse, das Studium, die fallweise Tätigkeit als Fahrradbote und sein ehrenamtliches Engagement in einem gemeinnützigen Verein zu berücksichtigen.
Diese integrationsbegründenden Umstände werden gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG dadurch relativiert, dass sie in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF entstanden, zumal er angesichts der Erteilung von befristeten Aufenthaltsbewilligungen und des ausbleibenden Studienerfolgs nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte. Der BF kann den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch wechselseitige Besuche in Österreich, in Bosnien und Herzegowina oder in anderen Staaten sowie über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) aufrecht halten. Da er nicht vorhat, den in Aussicht stehenden Vollzeitarbeitsplatz anzutreten, sondern lediglich fallweise arbeiten und in erste Linie weiterhin studieren möchte, kommt dem in Aussicht stehenden Arbeitsplatz kein großes Gewicht bei der Interessenabwägung zu.
Der BF hat nach § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG maßgebliche Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte. Er spricht eine Landessprache, absolvierte dort die Schule und hat Anknüpfungen zu den in Bosnien und Herzegowina verbliebenen Mitgliedern seiner Herkunftsfamilie.
Die nach § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG relevante strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen von seinem unrechtmäßigen Aufenthalt liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG vor. Den Behörden zurechenbare überlange Verzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG liegen nicht vor.
Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt dabei im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Angesichts der weit unter zehn Jahren liegenden Aufenthaltsdauer des BF im Inland bedarf es für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels außergewöhnlicher Integrationsbemühungen, die hier im Ergebnis nicht vorliegen. Da ihm von Anfang bewusst sein musste, dass ihm die erteilten Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck des Studiums iSd § 8 Abs 1 Z 12 NAG nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vermitteln konnten und er nicht von einer Zulässigkeit des dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet ausgehen durfte, werden sowohl die Dauer des Aufenthalts als auch die währenddessen erlangte soziale Integration entscheidend relativiert (siehe VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0016).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt hier – auch unter Bedachtnahme auf die starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Integration des BF ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens geboten wäre. Da er bis 2014 in Bosnien und Herzegowina lebte, wo seine Mutter und seine Schwester nach wie vor leben, und er während des Studiums in Österreich häufig dorthin zurückkehrte, ist davon auszugehen, dass ihm in seiner Heimat keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er gesund und arbeitsfähig ist, eine höhere Schule abgeschlossen hat, Deutsch und Bosnisch spricht und Berufserfahrung als Fahrradbote hat. Seine Familie kann ihn auch nach seiner Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina weiterhin finanziell unterstützen.
3.2. Verhängung eines Einreiseverbots:
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass [...] bei Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht (vgl. zum Erfordernis einer Einzelfallprüfung aus der ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310, 30.7.2014, 2013/22/0281) (vgl. VwGH, vom 24.05.2018, Ra 2017/19/0311, RZ 12).
Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und sohin der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei. Sie begründete dies mit seiner Mittellosigkeit und seines illegalen Aufenthalts in Österreich.
Der gegenständliche Fall fällt in den Anwendungsbereich des Artikels 11 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger), welcher die verpflichtende Verbindung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot vorsehe, soweit keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Vorheriger Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Daraus ergibt sich in Kombination mit Artikel 7 Abs. 4 der Vorheriger Rückführungsrichtlinie, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliegt.
Beizupflichten ist der behördlichen Feststellung des Umstandes der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers iSd § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN). Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Zl. G314 2234016-1 geht zwar hervor, dass der BF über einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von EUR 13.221,41 verfügt, jedoch hat der BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA die Frage nach Ersparnissen ausdrücklich verneint. Im gegenständlichen Verfahren hat der BF in keiner Weise dargelegt, dass er irgendwelche Mittel zur Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Darüber hinaus verfügt der BF über keinen gültigen Aufenthaltstitel, geht keiner Beschäftigung nach, ist im Bundesgebiet nicht sozialversichert und hielt sich bis zu seiner Abschiebung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Darüber hinaus wurde bereits der am 15.10.2017 eingebrachte Verlängerungsantrag mangels Studienerfolges, rechtskräftig am 23.11.2017, abgewiesen.
Im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung hat sich allerdings - wie bereits oben bei der Prüfung er Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausgeführt - nicht ergeben, dass die vorhanden familiären Bindungen in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen würden.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Da vom BF jedoch keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung ausgeht, weil er nur einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 FPG erfüllt, ist ein kurzfristiges Einreiseverbot in der Dauer von zwölf Monaten ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung wirksam zu begegnen. Dadurch bleibt eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.
3.3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Aufgrund des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des BF und des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden, zumal sich aus dem oben Gesagten ergibt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht erfüllt sind.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt hat, erweist sich die sofortige Ausreise des unrechtmäßig in Österreich aufhältigen und mittellosen BF im Interesse der öffentlichen Ordnung (zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) als erforderlich. Die Mittellosigkeit des BF birgt die Gefahr der Beschaffung von Unterhaltsmitteln aus illegalen Quellen und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft in sich. Der BF hat durch sein bisheriges Verhalten bereits gezeigt, dass er bislang nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Dies zeigt sich auch darin, dass er sich seit dem 23.11.2017 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Vom BVwG wurde nach der Vorlage der Beschwerde kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gefunden, zumal in der Beschwerde keine konkreten Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG stützt, angegeben wurden. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung lag angesichts des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des BF in Österreich nicht vor.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).
Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal in der Beschwerde kein von den nunmehr getroffenen Feststellungen abweichender Sachverhalt behauptet wurde und keine entscheidungserheblichen Widersprüche in den Beweisergebnissen bestehen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2234016.2.00Im RIS seit
05.03.2021Zuletzt aktualisiert am
05.03.2021