Entscheidungsdatum
04.01.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L519 2235836-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch RAe Dr. LECHENAUER & Sr. SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3.11.2020, Zl. 1089843701-200047867, betreffend Unterkunftnahme, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1.Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste im September 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und brachte einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 30.10.2017 als unbegründet abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung in den Irak erlassen. Gleichzeitig wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt.
2. Beim verpflichtenden Rückkehrgespräch am 7.11.2017 gab der BF an, nicht rückkehrwillig zu sein.
3. Eine gegen den Bescheid des BFA vom 30.10.2017 eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2019, G312 2178596-1, in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen.
4. Die Behandlung der gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 24.2.2020, Zl. E69/2020-9, abgelehnt.
5. Am 20.3.2020 wurde vom BFA ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet.
6. Eine vom BF erhobene ao. Revision wurde von VwGH mit Beschluss vom 27.5.2020, Ra 2020/14/0156197-5, zurückgewiesen.
7. Am 24.6.2020 hat das BFA mittels Mandatsbescheid gem. § 57 FPG eine Wohnsitzauflage ausgesprochen. Dieser Mandatsbescheid wurde aufgrund eines Zustellmangels außer Kraft gesetzt.
8. In weiterer Folge wurde der BF in Österreich wegen unbekannten Aufenthaltes amtlich abgemeldet.
9. Am 14.7.2020 beantragte der BF eine Duldung gem. § 46a FPG. Der diesbezügliche Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 27.7.2020 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde ist derzeit beim BVwG, GA L526, anhängig.
10. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 15.7.2020 wurde neuerlich eine Wohnsitzauflage gem. § 57 FPG ausgesprochen, wogegen der BF am 21.7.2020 fristgerecht Vorstellung erhob.
11. In weiterer Folge hat das BFA ein ordentliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und dem BF die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Am 8.9.2020 wurde der BF niederschriftlich einvernommen, wobei er erneut angab, nicht rückkehrwillig zu sein.
12. Mit einem vom BF verfassten „Protokoll“, beim BFA eingelangt am 13.10.2020 sowie am 3.11.2020, teilte der BF dem BFA mit, dass er keine Rückmeldung seitens der irakischen Botschaft erhalten habe. Darüber hinaus habe der BF bis dato keinen Antrag bzgl. einer Kopie seiner Reisedokumente gestellt.
13. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat das BFA dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der BS XXXX RÜBE XXXX zu nehmen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
13.1. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Identität des BF feststeht und es sich bei ihm um einen STA. des Irak handelt. Der BF befindet sich illegal im Bundesgebiet und weigert sich, der ihm rechtskräftig auferlegten Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Eine aufrechte Duldung liegt nicht vor. Dass der BF Österreich nicht freiwillig verlassen will, ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass er beim Rückkehrberatungsgespräch am 7.11.2017 angegeben hat, Österreich nicht freiwillig zu verlassen. Auch aus der niederschriftlichen Einvernahme am 8.9.2020 geht klar hervor, dass der BF nicht gewillt ist, sich der Faktenlage zu beugen. Dabei gab der BF ebenfalls an, der Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen, da er nur das machen würde, was ihm seine rechtsfreundliche Vertretung rät. Soweit in der Vorstellung die Anwendung eines gelinderen Mittels angesprochen wurde, befänden sich die Voraussetzungen dafür in einem gänzlich anderen Gesetzeskontext als jene für eine Wohnsitzauflage aufgrund einer nicht nachgekommenen Ausreiseverpflichtung.
14. Mit Eingabe vom 20.11.2020 beantragte der BF die Ausfolgung sämtlicher Dokumente, welche er im Zuge seines Asylverfahrens vorgelegt hat.
15. Mit Eingabe vom 12.12.2020 brachte der BF eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 3.11.2020 ein. Neben Wiederholungen und allgemeinen Ausführungen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der BF in Österreich ein intensives Privat- und Familienleben habe, worauf das BFA in keiner Weise eingegangen sei. Beim Mandatsbescheid handle es sich um einen Willkürakt, da nie Gefahr in Verzug vorgelegen habe und das Vorbringen des BF völlig außer Acht gelassen worden sei. Hätte die belangte Behörde ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt und auch Freunde und die Verlobte des BF einvernommen, hätte sie sich ein deutliches Bild vom Privat- und Familienleben machen können. Die belangte Behörde habe aber nur festgestellt, dass sich im Privat- und Familienleben gegenüber dem letzten BVwG-Erkenntnis keine maßgebliche Veränderung ergeben habe.
Das BFA sei auf die konkreten individuellen Tatsachen nicht eingegangen und habe ohne konkrete Begründung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der BF habe auch zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dargestellt. Außerdem würde die Unterkunftnahme Kosten verursachen, welche derzeit von der Verlobten und den Freunden des BF getragen werden.
Das BFA habe sich auch nicht mit der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Irak und dem Vorbringen des BF in seinen Stellungnahmen auseinander gesetzt. Der BF habe am 22.9.2020 und nochmals am 23.11.2020 beim BFA um Retournierung seiner Dokumente ersucht. Das BFA verfüge seit 5 Jahren über den (zwischenzeitig abgelaufenen) Reisepass des BF, habe diesen dem BF aber nie ausgehändigt. Bereits im Mai 2020 habe der BF der belangten Behörde mitgeteilt, dass er bei der irakischen Botschaft keine Dokumente erhalte, weshalb er seinen Mitwirkungspflichen nachgekommen sei. Der BF habe daher nie eine Ausreise vereitelt, weil eine Rückkehr in den Irak aufgrund der Coronapandemie und der Nichtausstellung von Dokumenten durch die irakische Botschaft schon faktisch nicht möglich war. Auch auf die Ausführungen im Duldungsverfahren sei die belangte Behörde nicht eingegangen. Am 7.5.2020 sei der BF zudem freiwillig bei der irakischen Botschaft gewesen und habe er auch eine Kontaktliste und Fotos dazu vorgelegt. Im Übrigen habe der BF nie die Ausreise verweigert.
16. Mit Bescheid vom 21.12.2020 hat das BFA den Antrag des BF auf Ausfolgung seiner Dokumente gem. § 2 Abs. 5 BFA-VG iVm § 39 Abs. 1 BFA-VG abgewiesen.
17. Der Verwaltungsakt des BFA ist bei der zuständigen GA L519 der Außenstelle Linz des BVwG am 29.12.2020, eingelangt.
18. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Verwaltungsakt des BFA verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der ledige BF stammt aus Basra und ist irakischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht aufgrund des vorgelegten irakischen Reisepasses und des ebenfalls vorgelegten irakischen Personalausweises fest.
Gegen den BF besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Er ist seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen. Beim verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch am 7.11.2017 sowie bei der Einvernahme durch das BFA am 8.9.2020 gab der BF an, nicht ausreisen zu wollen.
Am 23.3.2020 wurde gem. § 46 Abs. 2a FPG ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der irakischen Botschaft in Österreich gestellt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF tatsächlich bei der irakischen Botschaft vorgesprochen und sich dort um die Ausstellung eines Reise- oder Ersatzreisedokumentes bemüht hätte.
Flüge in den Irak können gebucht werden und finden aktuell auch statt ( Flug Wien-Bagdad ab 166,- Euro, buchbar zB bei idealo und Flightradar24: Live Flight Tracker – Real-Time Flight Tracker Map). Auch Flüge via Doha nach Bagdad werden durchgeführt.
Der Antrag des BF auf Ausstellung einer Duldungskarte nach § 46a Abs. 4 FPG vom 18.6.2020 wurde mit Bescheid des BFA vom 27.8.2020 als unbegründet abgewiesen. Ein diesbezügliches Beschwerdeverfahren ist beim BVwG, GA L526, anhängig.
Die Anordnung der Unterkunftnahme stellt keinen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF dar.
2.Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt, den Akt G 312 2178596, IZR, Strafregister und ZMR.
Davon ausgehend bestand für den BF seit 24.2.2020 eine Ausreiseverpflichtung aus dem Bundesgebiet, welcher er aber bislang nicht nachgekommen ist. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der BF unrechtmäßig im Bundesgebiet. Dass er keinerlei Bereitschaft zeigt, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung nachzukommen, zeigte sich bereits beim Rückkehrgespräch am 7.11.2017, bei dem der BF angab, nicht rückkehrwillig zu sein. Auch bei der Einvernahme durch das BFA am 8.9.2020 war klar erkennbar, dass der BF offensichtlich keine Ausreisebereitschaft zeigt, auch wenn er diesbezüglichen konkreten Fragen immer wieder auszuweichen versuchte. So gab er zB auf die Frage, weshalb er bisher seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, ausweichend an, es sei nicht so einfach für ihn, da er lange in Österreich gelebt habe (Anm. des Gerichtes: Der BF ist 23 Jahre alt und befindet sich gerade einmal seit 5 Jahren in Österreich.), er habe es versucht, aber es sei nicht so einfach. Weiter gefragt, was er bezüglich der Ausreise versucht habe, wich der BF erneut aus, indem er angab, er mache alles, was sein Anwalt sagt, er möchte gerne da bleiben, wegen seiner „Familie.“ Auch aus den folgenden Antworten des BF ergab sich zweifelsfrei seine fehlende Ausreisebereitschaft, indem er meinte, eine Rückkehr in den Irak sei für ihn ganz, ganz schwierig, aber er akzeptiere die Gesetze, was aber nach Ansicht des BVwG ganz klar nicht der Fall ist. Auch auf die Frage, ob er die Entscheidung im Asylverfahren akzeptieren und in den Irak zurückkehren werde, gab er wörtlich lediglich „schwierig“ an, wobei er dazu den Kopf schüttelte.
Soweit in der Beschwerde des BF behauptet wird, der BF habe Fotos vorgelegt, die ihn und seinen Bruder vor der irakischen Botschaft zeigen, und eine von ihm verfasste Liste über Kontaktaufnahmen mit der Botschaft, mit denen sich das BFA nicht auseinander gesetzt habe, so stellt das Gericht dazu fest, dass es sich dabei um kein objektives Beweismittel handelt. Es mag schon sein, dass der BF mit seinem Bruder vor der Botschaft war und sich die beiden dort fotografieren ließen. Doch beweisen derartige Fotos jedenfalls nicht, dass der BF tatsächlich in der Botschaft vorgesprochen hat und sich dort ernsthaft um Papiere bemüht hat, welche ihm von der Botschaft verweigert wurden. Das gleiche gilt für die Liste mit den vermeintlichen Versuchen einer Kontaktaufnahme. Ein objektives Beweismittel in diesem Zusammenhang könnte aus Sicht des Gerichtes wohl nur ein im Original vorgelegtes Schreiben der irakischen Botschaft sein, in dem diese erklärt, dem BF - aus welchem Grund auch immer – keine Papiere auszustellen. Das Vorbringen, dass sich der BF tatsächlich ernsthaft bei der Botschaft um die Ausstellung von Dokumenten bemüht hätte, ist aber nicht zuletzt auch deswegen völlig unglaubwürdig und absurd, als er - zuletzt bei der Einvernahme am 8.9.2020 – erneut sehr eindeutig erkennen ließ, dass er offensichtlich gar kein Interesse zeigt, sich der österreichischen Rechtsordnung zu beugen und endlich auszureisen.
Dass sich der BF der Ausreiseverpflichtung nicht stellen will, kam auch dadurch deutlich zu Tage, dass er im Juli 2020 untergetaucht war, bzw. sich unter einer falschen Identität anmeldete, nachdem auch höchstgerichtlich feststand, dass ihn eine Ausreiseverpflichtung trifft, weshalb er in der Folge auch amtlich abgemeldet wurde. Sofern in der Beschwerde verharmlosend ausgeführt wurde, es habe sich dabei nur um einen „organisatorischen Umzugsfehler“ gehandelt, erscheint dies in Anbetracht der Tatsache der durchgehenden rechtsanwaltlichen Vertretung des BF und seinem uneingeschränkten Vertrauen zu dieser (s. insbesondere NS vom 8.9.2020, wo der BF angab, er mache, was sein Anwalt ihm rät) nicht glaubhaft. Für das Gericht ist vielmehr offensichtlich, dass der BF untertauchen wolltebzw. Eine falsche Identität annahm, um sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen.
Zudem ergab sich aus einer aktuellen ZMR-Abfrage, dass der BF seit 12.8.2020 im Bundesgebiet nicht mehr aufrecht polizeilich gemeldet ist, obwohl er auch der Aufforderung zur Unterkunftnahme in einer Betreuungsstelle des Bundes nicht nachgekommen ist. Auch dieser Umstand erklärt sehr deutlich die fehlende Ausreisebereitschaft des BF und die Tatsache, dass der BF offensichtlich nicht bereit ist, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen.
Soweit sich der BF in seiner Beschwerde darauf beruft, die Anordnung der Unterkunftnahme des BF in einer Bundesbetreuungsstelle würde unrechtmäßig in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben eingreifen, ist diese Behauptung für das Gericht schon deshalb äußerst verwunderlich, als der BF bei seiner persönlichen Einvernahme durch das BFA am 8.9.2020 doch selbst angegeben hatte, dass sich an seinem Privat- und Familienleben seit dem Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2019 bzw. den Entscheidungen der Höchstgerichte vom 14.1.2020 bzw. 27.5.2020 nichts geändert hat.
Demnach konnte das BFA zu Recht davon ausgehen, dass der Integrationsgrad des BF in Österreich kein Ausmaß erreicht hat, dass eine Anordnung der Unterkunftnahme des BF unzulässig machen würde. Aus diesem Grund erwies es sich auch als nicht erforderlich, Freunde und die Verlobte des BF als Zeugen einzuvernehmen.
Ausgehend von den Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2019 war daher davon auszugehen, dass sich der BF nach illegaler Einreise seit September 2015 im Bundesgebiet befindet, keine ausgeprägten Deutschkenntnisse hat, über kein Deutschzertifikat verfügt, eine Kochlehre nach 1 Jahr wieder beendet hat und ohne Beschäftigung ist. Er hat in seiner Wohnsitzgemeinde zahlreiche Kontakte und pflegt ein enges Verhältnis zu einer österreichischen Familie, bei der er Unterkunft nimmt. Positiv bewertet wurden auch sein Engagement beim RK und seine strafrechtliche Unbescholtenheit. Weiter berücksichtigt wurde im angeführten Erkenntnis, dass die Kernfamilie des BF mittlerweile freiwillig in den Irak zurückgekehrt ist und dort daher ein familiäres Netz für den BF besteht. Außerdem wurde berücksichtigt, dass der BF angab, mit einer niederländischen STA verlobt zu sein, mit der er aber nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Auch vorgelegte Unterstützungsschreiben wurden entsprechend gewürdigt. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kam das BVwG zum Schluss, dass das öffentliche Interesse an einer Außerlandesbringung schwerer wiegt als die privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich, zumal der BF seine Kontakte in einem Zeitraum geknüpft hat, in dem ihm bewusst sein musste, dass sein Aufenthalt in Österreich enden wollend ist, was spätestens ab Erhalt des negativen Bescheides des BFA vom 30.10.2017 der Fall gewesen sein muss.
Soweit in der Beschwerde weiter behauptet wird, dass eine Rückkehr in den Irak auf dem Luftweg aufgrund der Covid19-Pandemie schon faktisch nicht möglich sei, widerspricht diese Behauptung ganz klar den aktuellen Abfluglisten des Flughafens Wien-Schwechat, wonach durchaus Flüge nach Bagdad (allenfalls via Doha) durchgeführt werden.
Wenn in der Beschwerde von der Anwendung eines gelinderen Mittels die Rede ist, ist dazu festzuhalten, dass diese Möglichkeit im Rahmen eines Unterbringungsverfahrens nach § 57 FPG nicht vorgesehen ist. Dabei handelt es sich vielmehr um eine im Rahmen eines Schubhaftverfahrens zu prüfende Alternative.
Soweit in der Beschwerde moniert wird, dass der irakische Reisepass zwischenzeitig aus einem Behördenverschulden heraus abgelaufen sei, kann das Gericht Derartiges nicht erkennen, da der belangten Behörde im ggst. Fall kein Verschulden an der Verfahrensdauer und an der Ausreiseunwilligkeit des BF angelastet werden kann. Im Übrigen stellt gerade die – im ggst. Fall auch rechtmäßig erfolgte – Sicherstellung von Dokumenten eines Fremden ein probates Mittel für die Behörde dar, um letztlich im Fall der endgültigen rechtskräftig negativen Asylentscheidung die Abschiebung sicherzustellen bzw. zumindest zu erleichtern, v.a. dann, wenn der BF wie im ggst. Fall keinerlei Ausreise – und Mitwirkungsbereitschaft zeigt.
Sofern in der Beschwerde vorgebracht wurde, den BF habe erst ab Vorliegen der Entscheidung des VwGH eine Ausreiseverpflichtung getroffen, irrt diese, da der VwGH entgegen dem VfGH nie aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.
Wenn sich der BF auf das anhängige Duldungsverfahren beruft, so ergibt sich aus den diesbezüglichen Akten nicht, dass diesbzüglich eine aufschiebende Wirkung bestünde, sodass auch das anhängige Duldungsverfahren der Anordnung der Unterkunftnahme nicht entgegenstand.
Soweit in der Beschwerde ausgeführt wurde, der BF sei vom BFA als gefährlicher Krimineller abgestempelt worden, handelt es sich dabei um eine unsachliche Unterstellung, da dem gesamten Akt Derartiges nicht entnommen werden kann und das BFA zudem auch ausgeführt hat, dass der BF unbescholten ist. Das gleiche gilt für die unsachliche Behauptung, dass das BFA jeden Ausländer abschiebt, wenn es der Behörde nur möglich ist. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht klar, dass das BFA ausschließlich aufgrund und im Rahmen der österreichischen Gesetze tätig wird und jedes wissentliche Zuwiderhandeln einen Amtsmissbrauch iSd § 302 StGB darstellen würde, was hier offenbar dem BFA unterschwellig und pauschal unterstellt wird.
Wenn im weiteren Beschwerdeverlauf noch Ausführungen zu einem 2-jährigen Einreiseverbot getroffen werden, ist Derartiges bei genauer Durchsicht dem Spruchinhalt des angefochtenen Bescheides nicht entnehmbar, sodass darauf auch nicht weiter einzugehen ist.
Wenn in der Beschwerde die Verfassungskonformität von § 57 Abs. 6 FPG in Frage gestellt wird, so stellt das Verwaltungsgericht dazu abschließend fest, dass diese Bestimmung dem derzeitigen Rechtsbestand angehört und vom BFA daher zu Recht angewendet wurde und dass die Prüfung der Verfassungskonformität gesetzlicher Bestimmungen weder in die Zuständigkeit des BFA noch jene des BVwG fällt.
Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) BGBl I 2012/87, geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg cit).
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung in Senaten vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (AsylG, BFA-VG, VwGVG) nicht getroffen, es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde:
Gem. § 57 Abs. 1 FPG kann einem Drittstaatsangehörigen gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde, sofern dieser im österreichischen Bundesgebiet gem. § 46a FPG nicht geduldet ist, aufgetragen werden bis zur Ausreise Unterkunft in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes zu nehmen, sofern diesem keine Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 55a FPG gewährt wurde (§ 57 Abs. 1 Z. 1 FPG) oder nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gem. § 55 FPG bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.
Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gem. Abs. 1.Z.2 vorliegen, ist nach Abs.2 Z.4 leg.cit. insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder eines Rückkehrberatungsgespräches erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen.
Bei der Beurteilung, ob die Erlassung der Wohnsitzauflage zulässig ist, ist das Vorhandensein eines Privat- und Familienlebens zu berücksichtigen.
Dies bedeutet für den ggst. Fall folgendes:
Die Frist für eine freiwillige Ausreise ist abgelaufen.
Der BF hat sowohl beim verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch am 7.11.2017 als auch bei seiner Einvernahme durch das BFA am 8.9.2020 deutlich zum Ausdruck gebracht, nicht rückkehrwillig zu sein.
Es liegt keine aufrechte Duldung des BF im Bundesgebiet vor. Vielmehr wurde ein entsprechender Antrag mit Bescheid des BFA vom 14.7.2020 als unbegründet abgewiesen. Der dagegen an das BVwG erhobenen Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
Der BF hat anlässlich seiner Einvernahme durch das BFA am 8.9.2020 selbst angegeben, dass in seinem Privat- und Familienleben seit der Entscheidung des BVwG im Asylverfahren am 27.11.2019 bzw. seit den höchstgerichtlichen Entscheidungen vom 24.2.2020 bzw. 27.5.2020 keine Änderung eingetreten sei. Bereits in diesen Verfahren wurde rechtskräftig festgestellt, dass im Sinne einer Interessenabwägung gem. § 9 BFA-VG das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher keine Verletzung von Art 8 EMRK vorliegt.
Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde vom BFA gem. § 13 Abs. 2 VwGVG zu Recht ausgeschlossen, da nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr in Verzug dringend geboten war.
Dies zeigte sich insbesondere darin, dass der BF offensichtlich nicht kooperativ war und keine Ausreisebereitschaft zeigte. Überdies ist der BF laut ZMR vom 28.12.2020 seit 12.8.2020 auch nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Weiter kam im Verfahren hervor, dass sich der BF mit einer anderen Identität in der Gemeinde XXXX angemeldet hat.
Dieses Gesamtverhalten lässt auch nach Ansicht des Gerichtes nur den einen Schluss zu, dass der BF mit Unterstützung seiner Rechtsvertretung offensichtlich versucht, die Behörde hinters Licht zu führen, um so seinen Aufenthalt im Bundesgebiet weiter unrechtmäßig zu verlängern. Die belangte Behörde ist daher völlig zu Recht vom Vorliegen von Gefahr in Verzug ausgegangen.
Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung:
Aufgrund der hinreichend geklärten Sach- und Rechtslage konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung aufschiebende Wirkung - Entfall Ausreiseverpflichtung Gefahr im Verzug mangelnde Ausreisewilligkeit WohnsitzauflageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L519.2235836.2.00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021