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50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;Norm
GBefG 1952 §16 Abs1 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Mag. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Juli 1996, Zl. Senat-PL-95-180, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer erging folgendes Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 1. Juni 1995 (Spruchteile gemäß § 44a Z. 1 bis 3 VStG):
"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Tatzeit: 23.3.1995
Tatort: Südautobahn A 2, im Bereich des Zollamtsplatz I
bzw. des Zollkontrollposten West, Gd Arnoldstein, Bezirk Villach, von Deutschland kommend nach Italien
Tatbeschreibung
Sie haben es als Lenker des Lastkraftwagens Sattelzugfahrzeug Marke MAN, Kennzeichen XX (D), Sattelanhänger-Kennzeichen XXX (D) zu verantworten, daß Sie eine Transitfahrt - die Beladung des Sattelkraftfahrzeuges erfolgte in Deutschland mit Zielpunkt Italien - durchführten ohne die erforderliche ÖKO-Karte mit den zu entrichtenden ÖKO-Punkten mitzuführen und haben dadurch ein Gebot auf Grund eines Abkommens mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
Art. 3 der Verwaltungsvereinbarung zur Festlegung des Zeitpunktes und der Modalitäten der Einführung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Östereich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktsystems, BGBl. Nr. 879/1992 i. V.m. Artikel 24/4 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, BGBl. Nr. 823/1992 i. V.m. § 16/1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 16/1 Z. 7 Güterbeförderungsgesetz eine Geldstrafe von S 20.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen verhängt."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin bestritt er den Vorwurf, bei Beladung des Lkw in Deutschland wäre als Zielpunkt bereits Italien festgestanden. Der Beschwerdeführer habe eine Ladung Bananen von Hamburg zu einem Empfänger in Wels transportiert. Nach Einlangen der Bananen beim Empfänger seien sie "der EU-Verzollung" zugeführt worden. In weiterer Folge sei dem Beschwerdeführer erstmalig mitgeteilt worden, daß die Bananen an eine andere GesmbH weiterverkauft worden seien. Von seinem Arbeitgeber sei ihm der Auftrag erteilt worden, die Bananen nunmehr von Wels nach Italien zu transportieren.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung insofern Folge gegeben, als die Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage herabgesetzt wurde. Ansonsten wurde der Berufung nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dem oben skizzierten Vorbringen in der Berufung hielt die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides unter Bezugnahme auf Art. 3 Z. 1 und 2 des Transitvertrages und das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 94/03/0273, entgegen, die "Vereinbarung" stelle auf die Fahrtbewegung eines Lastkraftwagens, unbeschadet der Eigentumsverhältnisse an der transportierten Ladung, ab. Unter diesem Gesichtspunkt erscheine es unerheblich, "daß zunächst der Bestimmungsort der Fracht ein Ort in Österreich war und infolge des Weiterverkaufes der Ladung diese aufgrund eines neuen Transportauftrages wieder aus Österreich hinaus befördert werden sollte. Vielmehr maßgeblich erscheint, daß mit der gegenständlichen Transporteinheit, die in Deutschland zugelassen ist und welche, unbestrittenermaßen, bei Transitfahrten durch Österreich von der Verpflichtung zur Entrichtung von ÖKO-Punkten erfaßt ist, eine Fahrt durch Österreich hindurch unternommen wurde. ... Die Verpflichtung zum Führen einer ÖKO-Punktekarte samt entrichteten ÖKO-Punkten hat sohin im gegenständlichen Fall ab dem Zeitpunkt bestanden, als feststand, daß die gegenständliche Fracht mit dem gegenständlichen LKW-Zug weiter nach Italien befördert wird."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
In dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 94/03/0273, hat der Verwaltungsgerichtshof folgendes ausgeführt:
"Aus den dem Transitvertrag eigenen Definitionen ergibt sich, daß ein Transitverkehr vorliegt, wenn mit Lkw, die in Österreich bzw. einem Staat der E(W)G zugelassen sind, Fahrten durchgeführt werden, deren Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen. Nicht maßgeblich ist es daher, ob Ausgangspunkt und Zielpunkt im Gebiet der Vertragsparteien des Transitvertrages liegen.
Aus dem Zweck des Abkommens, zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung (vgl. Art. 15 Abs. 1 des Transitvertrages) die im Transitverkehr durch Österreich erzeugte Abgas- und Lärmbelastung zu verringern, sowie aus der Begriffsdefinition des Art. 3 Z. 2 des Transitvertrages, welche auch Fahrten von unbeladenen Lkw erfaßt, ergibt sich weiters, daß sich ein Lkw auch dann auf einer Transitfahrt befindet, wenn er in Österreich vollständig entladen wird, solange er sich auf einer - wenn auch kurzfristig unterbrochenen - Fahrt durch Österreich befindet, die außerhalb Österreichs ihren Ausgangs- und Zielpunkt hat."
In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Auffassung, "daß durch die Beauftragung zur Weiterbeförderung im gegenständlichen Fall der zunächst vorgesehene Zielort allenfalls als Zwischenziel - kurzfristige Fahrtunterbrechung - angesehen werden kann.
Im gegenständlichen Fall ist die Fahrt von der Republik Deutschland zu einem Zielort in Österreich ausgegangen und ist durch die Weiterbeförderung der Güter mit derselben Transporteinheit ins Ausland die Verpflichtung entstanden, ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der ÖKO-Punkte für die betreffende Fahrt mitzuführen und diese jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen."
Die belangte Behörde verkennt mit ihren Ausführungen die Rechtslage. Sie übersieht nämlich die Bestimmung des Art. 4 Z. 2 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992, wonach das vollständig ausgefüllte und mit der notwendigen Anzahl von Ökopunkten versehene Formular beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet den Kontrollorganen abzugeben ist, die eine Ausfertigung des Formulares mit der Bestätigung der Abgabe zurückzugeben haben. Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, daß die Fahrt eines Lkws durch österreichisches Hoheitsgebiet nur dann als Transitfahrt angesehen werden kann, wenn bereits beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet feststeht, daß der Zielpunkt außerhalb Österreichs liegt, könnte doch andernfalls der genannten Bestimmung nicht entsprochen werden. Ob diese Voraussetzung im Beschwerdefall erfüllt war, hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, die Fahrt eines Lkws durch österreichisches Hoheitsgebiet sei auch dann eine Transitfahrt, wenn der Zielpunkt zunächst in Österreich gelegen, nach dem Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet aber ein Zielpunkt außerhalb Österreichs bestimmt worden sei, - nicht geprüft. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes einer Transitfahrt nicht schon dann verneint werden muß, wenn dem Lenker zunächst nur ein in Österreich gelegener Zielpunkt angegeben oder die beförderte Ware in Österreich verzollt wurde; auch die Eigentumsverhältnisse an der Ladung sind nicht von entscheidender Bedeutung. Maßgebend ist vielmehr, ob die Umstände in ihrer Gesamtheit den Schluß rechtfertigen, daß der Fahrt bereits im Zeitpunkt des Grenzeintrittes in das österreichische Hoheitsgebiet ein Zielpunkt außerhalb Österreichs bestimmt war. In diese Beurteilung könnte im Beschwerdefall etwa auch einbezogen werden, daß die vom Beschwerdeführer vorgelegten Rechnungen über die Fahrten von Hamburg nach Wels und von Wels nach Italien nur ein- und derselben GesmbH gelegt wurden und an unmittelbar aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführte Frachten "laut Vereinbarung" betrafen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996030290.X00Im RIS seit
06.03.2001