TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/11 I419 2238279-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2021
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Entscheidungsdatum

11.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I419 2238279-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , StA. TUNESIEN, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III des bekämpften Bescheids zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal ein, versuchte erfolglos, nach Deutschland weiterzureisen, und wurde am 04.11.2020 zur beabsichtigten Zurückschiebung nach Italien vernommen, wobei er erklärte, in Österreich keinen Asylantrag stellen zu wollen. In der folgenden Schubhaft, die dieses Gericht am 30.11.2020 bestätigte (L510 2237234-1/15E), beantragte er nach Erhalt der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot am 16.11.2020 internationalen Schutz.

2. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend die Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Tunesien (Spruchpunkt II) als unbegründet ab, wobei es dem Beschwerdeführer zugleich keine Aufenthaltsberechtigung „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ erteilte (Spruchpunkt III), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt IV) und feststellte, dass dessen Abschiebung nach Tunesien zulässig sei (Spruchpunkt V).

Ferner stellte das BFA fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI), und aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VII).

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer werde im Herkunftsstaat verfolgt, weil er zum Christentum konvertiert sei, Männer aus seinem Dorf hätten ihm auf den Kopf geschlagen und mit einem Messer im Bereich des Herzens verletzt, wofür sie nicht verurteilt worden seien. In Frankreich habe er eine Freundin und zu dieser eine aufrechte Beziehung. Die Familie im Herkunftsstaat akzeptiere und unterstütze ihn wegen der Konversion nicht mehr, sodass er nach einer Rückkehr in eine ausweglose Läge käme. Wegen der Pandemie sei auch eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage im auf Tourismus angewiesenen Herkunftsstaat zu erwarten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Mitte 30, ledig, kinderlos und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Außer Arabisch spricht er gut Französisch und ein wenig Englisch, jedoch kein Deutsch. Er wurde vor etwa zwei Jahren am Herzen operiert, hat keine chronische Krankheit, leidet nach eigenen Angaben an Atembeschwerden, wenn er in kleinen Räumen ist, und ist sonst gesund und arbeitsfähig.

Sein religiöses Bekenntnis ist nicht feststellbar, vor etwa einem Jahr war er Moslem. Er ist im Herkunftsstaat in der Gemeinde XXXX im Gouvernement Sousse geboren, wo er bis zur Ausreise lebte. Dort hat er die Grundschule sowie eine berufsbildende höhere Schule besucht und zuletzt als Maler und Lackierer gearbeitet. Seine Familie, Vater, Anfang 60, Mutter, Mitte 50, sowie fünf Brüder von knapp 20 bis ca. Ende 30, lebt dort weiterhin. Mit ihr hatte er jedenfalls im November 2020 noch Kontakt.

Seinen Angaben nach war er zuletzt arbeitslos und lebte davon, dass der Vater für ihn aufkam. Mit seinem bis 2024 gültigen Reisepass beantragte er beim Konsulat Frankreichs in Tunis ein Visum, was Ende 2019 abgelehnt wurde, da er Zweck und Umstände des Aufenthalts nicht belegte („did not provide justification…“). Er reiste etwa Anfang September 2020 illegal nach Italien und gelangte spätestens Anfang November in die Slowakische Republik, wo er einen Bahnfahrschein nach Berlin über Passau und Regensburg erwarb. Stattdessen versuchte er, mit einem Railjet über Salzburg nach Rosenheim in Bayern zu gelangen, aus welchem ihn die deutsche Polizei am 03.11. holte.

In Frankreich lebt eine 73-jährige verwitwete Bekannte des Beschwerdeführers, die französische Staatsangehörige und nach seinen Angaben seine Freundin ist. Er hat sie 2019 kennengelernt und nie ein Familienleben mit ihr geführt. Dort und in Deutschland leben weitere Bekannte des Beschwerdeführers, jener in Frankreich stammt ebenfalls aus Tunesien. Abhängigkeiten zum Beschwerdeführer sind in keiner Richtung vorhanden.

Im Inland hat er außer den Behörden- und Verfahrenskontakten sowie den täglichen Verrichtungen keinerlei privaten oder familiären Anknüpfungspunkte. Er verfügte bei seiner Einreise über € 5,40, lebt von der Grundversorgung, auf die er mangels eigener Mittel angewiesen ist, und ging keinem legalen Erwerb nach. Strafrechtlich ist er unbescholten.

1.2 Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

1.2.1 Tunesien ist nach § 1 Z. 11 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurde darauf und auf das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien verwiesen, aus dem unten unter 1.3 zitiert wird. Im Beschwerdeverfahren ist keine Änderung eingetreten, sodass das Gericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und sie zu den seinen erhebt.

1.2.2 Erstbefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe den Herkunftsstaat verlassen und werde von seiner Umgebung nicht mehr akzeptiert, weil er seine Religion gewechselt habe. Ferner sei er mit einem Messer attackiert worden, weil er jetzt katholisch sei.

1.2.3 Beim BFA einvernommen, gab er Ende November 2020 an, seit einem Jahr katholisch zu sein, davor sei er Moslem gewesen, keine Richtung „einfach nur Islam“.

Er habe vor ca. zwei Jahren eine Herzoperation gehabt, weil 14 Personen aus seinem „Dorf“, die mit einem Kleintransporter unterwegs gewesen seien, ihn am 29.05.2018 mit einem Stock auf den Kopf geschlagen hätten. Es habe sich um eine Drogenbande gehandelt, und er sei um ca. 20 Uhr am Heimweg vom Brotkaufen gewesen, als die „Straßenbeleuchtung plötzlich weg“ gewesen sei.

Erst im Spital habe er das Bewusstsein wiedererlangt und vom Stich im Bereich des Herzens erfahren. Die Polizei sei an Ort und Stelle gewesen und habe die Täter auch gefunden, die aber nicht verurteilt worden seien. Jemand aus der Polizei schütze sie. Jeder kenne sie, und keiner könne etwas gegen sie machen. Sie hätten ihm auch gesagt, dass der Anschlag religiös begründet gewesen sei.

Auf Vorhalt, dass der damals doch länger her sei als ein Jahr, gab er abweichend an, zum Zeitpunkt des Vorfalles sei er Atheist gewesen.

1.2.4 Da er das „Dorf“ verlassen und sich „woanders“ versteckt habe, hätte ihm sein Vater per Post Geld geschickt. Ausgereist sei er, weil er sich nicht immer verstecken können habe und sie immer nach ihm gefragt und ihn umbringen wollen hätten.

1.2.5 Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er dort aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder verfolgt werden würde.

1.2.6 Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass er von Angehörigen einer Drogen- oder anderen Bande vorsätzlich verletzt oder bedroht worden wäre, weil er Christ oder Atheist war oder ist, oder nach einer Rückkehr deren Angriffe zu fürchten hätte. Gegen eine solche – nicht festgestellte – drohende private Verfolgung wäre der Herkunftsstaat jedoch schutzwillig und -fähig.

1.2.7 Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine andere ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.

1.2.8 Eine nach Tunesien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.2.9 Dem Beschwerdeführer drohen nach seiner Rückkehr keine Verletzung der EMRK, keine ausweglose Lage und keine willkürliche oder strukturelle Gewalt. Entgegen seinem Beschwerdevorbringen droht ihm auch keine solche ausweglose Situation, die Asylrelevanz erreicht.

1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Tunesien mit Stand 30.06.2020 zitiert.

Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Aus Berichten des Auswärtigen Amts (Deutschland) ergibt sich betreffend die Pandemie in Tunesien:

Tunesien war von COVID-19 zunächst weniger betroffen. Die Zahl der Neuinfektionen nimmt in den letzten Wochen landesweit sehr stark zu, mit weiter steigender Tendenz. Landesweit beträgt die Inzidenz mehr als 50 Fälle pro 100.000 Einwohner auf sieben Tage, weshalb Tunesien als Risikogebiet eingestuft wurde. Regionale Schwerpunkte sind der Großraum Tunis und Gabès. […]

Es gelten landesweit nächtliche Ausgangssperren die streng kontrolliert werden. Im Großraum Tunis beispielsweise wochentags von 20 Uhr bis 5 Uhr, am Wochenende von 19 Uhr bis 5 Uhr. Die genauen Modalitäten der nächtlichen Ausgangssperren werden von den jeweiligen Gouvernoraten festgelegt.

Cafés müssen um 16 Uhr schließen, Restaurants müssen wochentags um 20 Uhr, am Wochenende um 19 Uhr schließen. Versammlungen mit kulturellem, politischem, sportlichem oder wissenschaftlichen Hintergrund (Konferenzen, Foren, Seminare, etc.). sind verboten. Das gilt auch für Versammlungen mit mehr als 4 Personen in der Öffentlichkeit, außer im ÖPNV. […]

Die Landkreise Douz Nord und Süd sind wegen extrem hohen Inzidenzgrads abgeriegelt worden. Die Ein- und Ausreise ist nicht möglich. […]

Landesweit gilt in öffentlichen Gebäuden, Hotels und Geschäften die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes; im Großraum Tunis im gesamten öffentlichen Raum.

Es gelten spezielle Hygieneregeln für die Gastronomie: Maskenpflicht (außer am Tisch), Einhaltung von Mindestabständen, konstante Belüftung der Räumlichkeiten, Einweggeschirr und –besteck sowie Verbot der Nutzung von Wasserpfeifen.

(www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024 [Stand 08.01.2021])

Andererseits zeigt das Verhältnis der Zahl Infizierter (ohne Verstorbene und Geheilte), 33.787 per 08.01.2021 (Johns-Hopkins-Universität, coronavirus.jhu.edu/map.html), zur Bevölkerungszahl (ca. 12 Mio.), einen Anteil von ca. 2.860 pro Million, was zwar verglichen mit Österreich und dem Anteil hier von ca. 2.343 pro Million (20.937 von ca. 8,9 Mio.) etwa das 1,2-Fache der hier festgestellten Quote ist, hingegen lediglich ein Drittel jener, die in Österreich Mitte November festgestellt wurde.

Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zwangsläufig in eine ausweglose Situation geriete.

Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.3.1 Sicherheitsbehörden

Dem Innenministerium untersteht die Polizei (Exekutivfunktion in Städten) und die Nationalgarde bzw. Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung). Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wiewohl es gemäß NGOs vereinzelt zu Misshandlungen von Häftlingen kommt (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 6.2020a). Es mangelt an effektiven Strafverfolgungs- und Strafmechanismen bei Vergehen seitens der Sicherheitskräfte und diesbezügliche interne Untersuchungen sind von einem Mangel an Transparenz geprägt (USDOS 11.3.2020).

Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben-Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes, aber teilweise auch bei gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011, vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Die Kluft zwischen den Behörden für Inneres und der Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei („police politique“), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium. Diese Forderung wurde zunächst nicht im erhofften Maße umgesetzt. Erst mit einiger Verspätung zog das Innenministerium personelle Konsequenzen und Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen wurden versetzt, entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Eine von allen internationalen Partnern für notwendig erachtete umfassende Reorganisation des tunesischen Innenministeriums einschließlich der nachgeordneten Behörden wurde bislang noch nicht angegangen, es wurde aber im Sommer 2015 ein internationaler Kooperationsmechanismus etabliert, der zu mehr Transparenz und Koordination der Unterstützung führte (AA 17.4.2020).

Das Militär genießt aufgrund seiner zurückhaltenden Rolle während der Revolution 2011 ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches bis dato anhält. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren, aber auch der inneren Sicherheit (AA 17.4.2020).

1.3.2 Religionsfreiheit

Tunesien ist zu weiten Teilen muslimisch. 98-99% der Bevölkerung sind Muslime – mehr oder weniger praktizierend. Die meisten sind Sunniten. Neben Muslimen leben in Tunesien rund 25.000 Christen (zum Großteil Katholiken), wobei die Gemeinden zum Großteil aus ausländischen Bürgern bestehen, und 1.500 Juden (GIZ 6.2020b; vgl. AA 17.4.2020). Des Weiteren gibt es noch Schiiten und Baha’is (USDOS 10.6.2020).

Der Islam ist offizielle Religion Tunesiens und der Staatspräsident muss laut Verfassung Muslim sein (GIZ 6.2020b; vgl. USDOS 10.6.2020). Allerdings ist die freie Religionsausübung in der Verfassung garantiert (GIZ 6.2020b; vgl. AA 17.4.2020); Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird in Tunesien mit gewissen Einschränkungen gewährt (AA 17.4.2020). Die Verfassung reflektiert das herrschende Gleichgewicht zwischen religiösem und säkularem Lager in der Gesellschaft und Politik: Der Islam ist als Religion des Landes anerkannt, aber die islamische Scharia wurde nicht in der Verfassung verankert. Ein ziviler Staat ist die Grundlage der Verfassung, in der ausdrücklich auf die universellen Menschenrechte Bezug genommen wird (AA 17.4.2020; vgl. USDOS 10.6.2020).

Die verschiedenen religiösen Gemeinschaften leben in der Regel friedlich zusammen (GIZ 6.2020b).

Bis zur Revolution im Jänner 2011 konnte der Islam über die Befolgung der grundlegenden muslimischen Riten hinaus kaum gesellschaftliche und politische Aktivitäten entfalten.
Außerhalb der Gebetszeiten blieben die Moscheen geschlossen. Zudem wurden die Freitagspredigten sowie alle religiösen Gemeinschaften vom Staat überwacht. Mit der Revolution ist der Islam im gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes allmählich immer sichtbarer geworden. Das Religionsministerium hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über annähernd alle Moscheen des Landes gewonnen und radikalen Imamen Predigtverbot erteilt bzw. diese Prediger abgesetzt. Allerdings hat lediglich eine geringe Anzahl der derzeit an tunesischen Moscheen eingesetzten Imame eine theologische Ausbildung. Die Regierung plant daher nach der Rückgewinnung der Moscheen nun den Fokus auf die Förderung der Imam-Ausbildung zu legen, um sicherzustellen, dass ein zeitgemäßes, umfassendes Islambild in den Moscheen vermittelt wird (AA 17.4.2020).

Es ist rechtlich möglich, vom Islam zum Christentum zu konvertieren. Missionierung und das Verteilen religiösen Materials sind der katholischen Kirche jedoch verboten (AA 17.4.2020). Es gibt erheblichen gesellschaftlichen Druck gegen die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion (USDOS 10.6.2020). Tunesische Konvertiten (einige Hundert im Land) werden innerhalb ihres sozialen und familiären Umfelds zwar zunächst häufig geächtet, mittelfristig aber gesellschaftlich wieder akzeptiert und integriert (AA 17.4.2020).

1.3.3 Grundversorgung und Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut (AA 17.4.2020). Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte (AA 6.5.2019b) und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor") (GIZ 6.2020c). Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50% aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32%) und der Landwirtschaft (ca. 25%) (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 6.2020c). Neben dem Bergbau, der einer der wichtigsten Sektoren der tunesischen Wirtschaft ist, spielen Landwirtschaft, Textilfabrikation und Tourismus eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft. Im Dienstleistungssektor spielen vor allem nach Tunesien ausgelagerte Callcenter französischer Firmen und IT-Unternehmen eine große Rolle. Außerdem gründen sich seit 2011 immer mehr Start-Ups. Der sogenannte Start Up Act, der im April 2018 verabschiedet wurde, soll aufstrebenden jungen Kleinunternehmen v.a. im IT-Bereich den Start erleichtern. Seine Umsetzung wird jedoch kritisiert (GIZ 6.2020c).

Der Förderung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt nach der Revolution große Bedeutung zu, da die politischen Ereignisse für einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft gesorgt haben. Die Arbeitslosigkeit bleibt eines der dringlichsten Probleme des Landes. Die tunesische Wirtschaft ist auch mehr als sieben Jahre nach dem Umbruch nicht besonders konkurrenzfähig. Das Finanzgesetz 2018 hatte zu Beginn des Jahres massive Proteste ausgelöst (GIZ 6.2020c).

Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (AA 6.5.2019; vgl. GIZ 6.2020c) und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor (AA 6.5.2019b). Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 15 und 16%, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker (ca. 300.000) und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 6.2020c, ÖB 11.2019).

Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt (AA 6.5.2019b). Die aktuelle Regierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu den rückständigeren Regionen vorgenommen (AA 17.4.2020).

Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 380 Dinar monatlich (umgerechnet knapp 125 Euro) angehoben. Dies genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24% der Bevölkerung in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (GIZ 6.2020c). Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar (ÖB 11.2019).

Fast ein Viertel der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, lebt in Armut. Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite (GIZ 6.2020b).

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB 11.2019).

Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 17.4.2020).

1.3.4 Rückkehr

Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im Jahr 2019 ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 17.4.2020).

Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 17.4.2020).

Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und limitierten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 11.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, ebenso der Akt des Schubhaftverfahrens (L510 2237234-1) eingesehen.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich, soweit unstrittig, auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Die Berufsbezeichnung konnte anhand der Niederschrift der deutschen Polizei präzisiert werden (AS 3). Die Befundung im Schubhaftakt (dort AS 49), „mediane Thoraktonomienarbe (Herzoperation?)“ erweist, dass die Angabe zutrifft, an dem Organ operiert worden zu sein.

Aus seiner Haftfähigkeit und den weiteren Angaben, dass er nach seiner Operation ein Medikament verschrieben bekommen habe, welches ihm aber zu teuer gewesen sei, und es ihm gut gehe, er keine Untersuchungstermine habe und keine Medikamente nehme (AS 75), ferner zur psychischen und physischen Fitness für die Schubhaftverhandlung (dort S. 3), in der er auch aussagte, in der Haft zu arbeiten (S. 6), ergaben sich die weiteren Feststellungen zur Gesundheit sowie mit Blick auf das Alter die Arbeitsfähigkeit. Auch wenn er am Tag vor der Schubhaftverhandlung (vom 30.11.2020) vom Arzt Medikamente bekam (S. 8), war er nach seiner Aussage vom 09.12.2020 (AS 160) ähnlich fit wie am 26.11., nur psychisch „sehr beunruhigt“ wegen des Telefonats mit der 73-jährigen angeblich schwangeren angeblichen Freundin.

Zu dieser waren aus den folgenden Gründen keine anderen Feststellungen möglich:

Den deutschen Behörden gegenüber hat er nach dem Aufgriff im Reisezug zunächst angegeben, mit einer Französin verheiratet zu sein, in Frankreich zu wohnen und in Tunesien gewesen zu sein. Anschließend gab er ihnen an, er wohne in Frankreich, habe in Preßburg seine Schwester besucht, die Mutter geworden sei, und sei nun auf der Rückreise. (AS 5, 9 im Schubhaftakt)

Demgegenüber sagte er hier der Polizei erstbefragt, er sei ledig, habe keine Angehörigen in der EU und hätte nach Frankreich wollen, weil er dort Freunde habe (AS 7, 11, 13), und behauptete beim BFA, er habe eine Freundin in Frankreich sowie einen Freund in Deutschland. Zu diesem gab er zuerst an, er wäre in Berlin, dann wieder, dass er in Bremen wohne (AS 79). In der Schubhaftverhandlung gab er an (S. 5), er sei noch nie in Frankreich gewesen. Er sei von Italien nach Österreich gereist, um hier zu bleiben, weil es ein sicheres Land sei.

Zu seiner angeblichen Freundin legte er eine Kopie von deren Reisepass vor, der das Geburtsdatum (Mitte 1947) sowie der Personenstand („vve.“) zu entnehmen sind (AS 195), und gab an, diese habe ihm mitgeteilt, sie sei seit etwa 1,5 Monaten schwanger. Die Mitteilung betreffend sagte er zuerst aus, sie sei „vor 2 Tagen“ erfolgt, dann „vor 3 Tagen“. (AS 161)

Zur Verifizierung seiner Heiratsabsichten gab er dem BFA die angebliche Telefonnummer der Frau, die laut Telefonbuch (telephoneannuaire.fr) einem in einer anderen französischen Gemeinde wohnenden Mann zugeordnet ist. (AS 167)

Auch zum Reiseverlauf konnte nicht mehr festgestellt werden, weil die Angaben des Beschwerdeführers folgendermaßen widersprüchlich waren:

Zu seinem Reiseweg gab er erstbefragt am 17.11. an, er habe den Herkunftsstaat etwa 2,5 Monate zuvor (d. h. Anfang September) verlassen und sich ca. zwei Monate in Sizilien und Mailand aufgehalten (AS 15), am 09.12. dann, dass er ca. zwei Monate zuvor in Preßburg gewesen sei (AS 163). In der Schubhaftverhandlung erklärte er, den Herkunftsstaat ca. vor 5 Monaten (d. h. Ende Juni) verlassen und in Italien 4,5 Monate verbracht zu haben (S. 5). Betreffend den Reisepass sagte er der deutschen Polizei, er habe abgelaufene Dokumente, die sich in Frankreich befänden (AS 3), der österreichischen, er habe seinen Pass verloren (AS 13), und dem BFA schließlich, der Pass sei bei einem Bekannten in Frankreich (AS 77).

2.3 Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer gab weder der deutschen Polizei gegenüber an, internationalen Schutz zu begehren, noch vor der österreichischen, die ihn ausdrücklich dazu befragte (worauf er verneinte, obwohl er als Religion bereits „katholisch“ angegeben hatte), sondern jeweils, er wolle nach Frankreich (AS 3, 5 f). Erst in der Schubhaft, als er 12 Tage später die Rückkehrentscheidung erhalten hatte, erklärte er einem Beamten im Polizeianhaltezentrum, Asyl zu wollen. (AS 129 im Schubhaftakt)

Schon dieser unerklärt späte Zeitpunkt des Vorbringens belastet dessen Glaubhaftigkeit. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass kein Asylwerber eine Gelegenheit ungenützt ließe, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten.

Dazu kommt eine Reihe von Widersprüchen (neben den bereits bei 2.2 angeführten), die auch die Beschwerde nicht auflösen konnte, wie etwa folgende:

Betreffend die behauptete Konversion gab er an, weil seine Freundin, die er seit ca. 1,5 Jahren (d. h. Frühjahr 2019) kenne, sein Interesse geweckt habe, seit einem Jahr katholisch zu sein (also seit ca. November 2019). (AS 87) Erklärtermaßen deshalb hätte ihn die Bande am 29.05.2018 (AS 85), somit vor zwei Jahren (AS 85, 75) überfallen. (AS 85) Ferner gab er an, vor der Konversion Moslem gewesen zu sein, aber auch (auf Vorhalt des Widerspruchs), dass er im Mai 2018 Atheist gewesen wäre. (AS 87)

Zum Kirchbesuch gab er an, alle hätten gewusst, dass er kein Moslem sei, weil er regelmäßig die Kirche in XXXX (bei XXXX ) besucht habe (AS 87 ff), und erklärte kurz darauf, er sei „nicht oft dort“ gewesen, „nur ab und zu“. Zwei Wochen später sagte er aus, nicht immer dort gewesen zu sein, an den Gottesdiensten „vielleicht einmal monatlich, ohne dass es jemand weiß“ teilgenommen zu haben, (AS 163) und gleich darauf: „Ich war nur zweimal dort, ich fand mich beobachtet, weshalb ich das Dorf verließ.“

Zu der dortigen Pfarrgemeinde gab er an, die Kirche sei klein und habe Platz für ca. 10 Personen. Es habe immer einen Priester dort gegeben. (AS 89) Nach 14 Tagen sagte er aus, es seien viele Menschen dort gewesen, er habe Allerheiligen mitgefeiert. Priester gebe es dort keinen. (AS 163 ff)

Inhaltlich waren ihm weder die Bedeutungen von Ostern oder Taufe bekannt, noch konnte er von sich aus christliche Feiertage nennen. An Personen waren ihm lediglich die auch im Koran (Issa, Maryam) bekannten Jesus und Maria geläufig. (AS 89) Unterschiede zwischen Christentum und Islam kannte er nicht. (AS 91)

Wie das BFA dazu festhält, kann unter diesen Umständen von keiner glaubwürdigen Zuwendung zum christlichen Glauben gesprochen werden, wobei hinzukommt, dass die Siedlung XXXX über keine Kirche verfügt, der Ort XXXX lediglich über eine aufgelassene, in den 1960-ern zum Museum umgewandelte. (AS 260) Die Beschwerde bringt dazu keine Erklärung, wenn sie ausführt, mittels Wikipedia könne nicht „abschließend beurteilt werden“, ob es in XXXX „kleine Kirchen gibt bzw. Hauskirchen“ (AS 313), zumal der Beschwerdeführer „seine“ Kirche so beschrieb: „ XXXX “ (AS 87), „Sie ist auf dem Hügel des Dorfes“, Aussehen „Wie alle andren Kirchen“ (AS 89), „Es ist eine alte Kirche, die steht auf einer alten byzantinischen Kirche gebaut“, „zuvor eine römische Ruine“ „hell mit einem Kreuz, auf der Wand außen sind Fische aufgezeichnet. Im oberen Bereich, also am Turm.“ (AS 165)

In Summe gelangt das BFA zum Ergebnis, dass das Vorbringen absolut unglaubwürdig und es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Verfolgung im Sinn der GFK glaubhaft zu machen.

Das Gericht schließt sich dieser Würdigung zur Gänze an. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Bedrohungssituation kann mangels Glaubhaftigkeit nicht als den Tatsachen entsprechend und eine Verfolgungsgefahr im Fall der Rückkehr nicht angenommen werden.

Selbst beim – nahezu ausgeschlossenen – Zutreffen der Kernbehauptung einer Konversion des Beschwerdeführers, wäre damit für den Beschwerdeführer keine konventionsrelevante Verfolgung anzunehmen, wie das BFA zu Recht aufzeigt (AS 261), weil nach den Feststellungen zum Herkunftsstaat keine staatliche Verfolgung von Christen stattfindet, die Religionsgemeinschaften in der Regel friedlich zusammenleben, und im Fall der Konversion nach und nach Akzeptanz und Integration im sozialen Umfeld zu erwarten sind (AS 251 f). Die grundsätzliche Schutzwilligkeit und –fähigkeit des Staates in Fällen privater Verfolgung steht mangels Hinweisen in den Länderfeststellungen (1.3.1 Sicherheitsbehörden) außer Zweifel, ebenso die vom Beschwerdeführer selbst angeblich bereits in Anspruch genommene Möglichkeit, einer Verfolgung wie der behaupteten durch Ortswechsel zu entgehen.

Demgemäß waren die Feststellungen und Negativfeststellungen unter 1.2 zu treffen. Mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit und die weiteren Feststellungen zur Person sowie jene zur Pandemie war auch die Gefahr einer existenziellen Notlage zu verneinen.

2.4 Zum Herkunftsstaat:

Die vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat entstammen dem aktuellen Länderinformationsblatt vom 30.06.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer zur Einsicht angeboten. Dazu gab er an, er wolle sie nicht. Tunesien interessiere ihn nicht mehr. Er wolle nicht über dieses Land nachdenken. Damit ist er den Länderfeststellungen nicht qualifiziert entgegengetreten.

Die weiteren Feststellungen entstammen den auch vom BFA verwendeten Angaben des CoV-Dashboards der Johns Hopkins Universität (coronavirus.jhu.edu/map.html), die inländischen Zahlen sind die des BMSGPK (www.derstandard.at/story/2000120049733/aktuelle-zahlen-coronavirus-oesterreich-corona-ampel-in-ihrem-bezirk) vom 08.01.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die behauptete Verfolgung nicht einmal dann Asylrelevanz hätte, wäre sie feststellbar, weil die Behörden des Herkunftsstaats bei privaten Angriffen der beschriebenen Art schutzwillig und schutzfähig sind.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

3.2.2 Angesichts der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Gesundheit und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hegt das Gericht entgegen dem Beschwerdevorbringen betreffend die Rückkehrsituation keine derartigen Bedenken. Es mag sein, dass der Beschwerdeführer keinen Arbeitsplatz mehr hat, ferner auch, dass er 2018 Opfer einer Straftat wurde, jedoch folgt daraus nicht, dass es dem Beschwerdeführer deshalb unmöglich wäre, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, wie auch die Feststellungen betreffend die Pandemie ergeben, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers zeitlich begrenzt bleibt, weil er arbeitsfähig ist, die dortige Sprache spricht und auch bereits gearbeitet hat. Seine jahrelange lokale Ausbildung einschließlich einer BHS wird ihm bei der Arbeitssuche helfen, weshalb der Beschwerdeführer den vorhandenen Arbeitsmarkt nutzen kann.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte III bis V):

3.3.1 Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint, wie die Bescheidbegründung erweist (S. 47, AS 269). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer hat kein Familienleben und von seinem Asylverfahren samt der dafür nötigen Unterbringung etc. abgesehen kein Privatleben im Bundesgebiet. Er hält sich hier weniger als zwei Monate auf und hat keinen Wohnsitz außer dem zugewiesenen Quartier.

Nach der genannten Anwesenheitsdauer kann nicht von einer Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden. Zudem beruhte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, der unbegründet war, weshalb sich der Beschwerdeführer des unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.

Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat (über 3,5 Jahrzehnte), familiäre, sprachliche und kulturelle Verbindungen, speziell seine Eltern und Brüder.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unbegründeten Asylantrag erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.

Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim Vorbringen, ohne dazu konkret auszuführen, warum das beim Beschwerdeführer im Widerspruch zu den Länderfeststellungen zutreffen sollte.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Tunesien zumindest notdürftig leben zu können. Er spricht Arabisch und Französisch, hat jahrelang die Schule besucht, auch eine höhere, und im Herkunftsstaat auch schon Arbeitserfahrung gesammelt. So kann er vorhandene Sozialkontakte nutzen und neue knüpfen, selbst wenn die familiäre Unterstützung durch Eltern und Geschwister wider Erwarten nicht hinreicht.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Tunesien keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht festgestellt und – vom wiederholten Konversionsvorbringen abgesehen – auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet worden.

Eine der Abschiebung nach Tunesien entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Die Beschwerde war daher auch betreffend die Spruchpunkte III bis V abzuweisen.

3.4 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit der soeben erörterten Voraussetzung des § 18 Abs. 1 BFA-VG begründet. Wie sogleich gezeigt wird (3.5), hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier - nach dem Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides - zutrifft.

Für die freiwillige Ausreise steht daher – nach Wiederherstellung der Reisemöglichkeit in den Herkunftsstaat (vgl. zum Ausreisehindernis der Strafhaft VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) – keine Frist offen.

Demnach war die Beschwerde auch zum Spruchpunkt VI abzuweisen.

3.5 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG). Das ist der Fall.

Die Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt schon wegen dessen kurzen, auf den unbegründeten Asylantrag zurückzuführenden Aufenthalts, aber auch wegen seiner fehlenden sonstigen Integrationsmerkmale einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheids, sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch zum Spruchpunkt VII abzuweisen war.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Fluchtgründen, zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen oder zur Maßgeblichkeit staatlichen Schutzes bei privater Verfolgung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund 4 Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2238279.1.00

Im RIS seit

05.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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