TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/28 L527 2237787-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2021
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Entscheidungsdatum

28.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L527 2237787-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2020, Zahl XXXX :

I. den Beschluss gefasst:

A) Soweit die Beschwerde die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 56 AsylG 2005 beantragt, wird sie als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II. zu Recht erkannt:

A) Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im November 2020 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am Tag der Antragstellung fand die Erstbefragung statt, am 21.11.2020 eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: [belangte] Behörde). Am 24.11.2020 fand - nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein einer Rechtsberaterin - eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor der Behörde statt.

Nach seinem Fluchtgrund gefragt, gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung – im Wesentlichen – an: Im Nachbardorf gebe es vier bis fünf Familien, die sich „ihre“ („unsere“) Grundstücke ohne Bezahlung hätten aneignen wollen. Deshalb sei es zu Streitigkeiten gekommen. Eine dieser Familien habe zwei seiner Onkel erschossen. Sein Vater sei angeschossen und er selbst mit einem Messer verletzt worden. Die Polizei verfüge dort über keine Macht. Seine gesamte Familie habe das Dorf verlassen und sei weggezogen. Bei einer Rückkehr würden sich die Streitigkeiten fortsetzen und er hätte Angst, dass er auch getötet werden würde.

In der behördlichen Einvernahme am 21.11.2020 behauptete der Beschwerdeführer, Pakistan infolge einer Feindschaft in Zusammenhang mit einem Grundstück verlassen zu haben. Personen aus einem anderem Dorf - Taliban - seien gekommen und hätten sich dieses Grundstück angeeignet. Zwei seiner Onkel seien getötet worden. Aus Angst hätten „sie“ („wir“) das Dorf verlassen und seien in ein anderes Dorf gegangen. Dort seien ein Onkel, sein Vater vor zehn Jahren und er selbst vor drei oder vier Jahren von diesen verletzt worden. Bei einer Rückkehr würde er von den Personen, die sein Grundstück besetzt hätten, getötet werden.

In der behördlichen Einvernahme am 24.11.2020 wiederholte der Beschwerdeführer großteils sein bisheriges Vorbringen und gab darüber hinaus an, dass nach der Übersiedlung in das andere Dorf bei einem Angriff nicht nur auf seinen Vater und einen Onkel väterlicherseits, sondern auch auf seinen Großvater geschossen worden sei. Am 23.11.2020 habe er erfahren, dass auch sein ältester Bruder geflüchtet sei. Seine Mutter habe sich dann zur Polizeistation begeben, wo man ihr gesagt habe, dass sie das Dorf verlassen solle, da man sie nicht schützen könne. Auf das Haus der Familie sei erneut geschossen worden. Seine Mutter habe gesagt, dass alle geflüchtet seien und sie nun auch flüchten werde. Die Taliban hätten mit der Ermordung der gesamten Familie gedroht. Für ihn gebe es dort keine Sicherheit. Die Regierung könne ihn nicht schützen. Seine beiden Onkel seien vor ca. 20 bis 25 Jahren von Mitgliedern der Taliban erschossen worden. Sein Vater sei vor ca. acht oder neun Jahren ebenfalls von diesen Personen angeschossen worden. Er selbst sei vor ca. einem Jahr bzw. einem Jahr vor dem Verlassen des Herkunftsstaats mit dem Messer verletzt worden. Seine Widersacher hätten jemanden dafür bezahlt. Nach der Ermordung seiner Onkel – also vor ca. 20 bis 25 Jahren – hätten sich seine Widersacher das Grundstück angeeignet, woraufhin seine Familie geflohen sei.

Die belangte Behörde erachtete die vom Beschwerdeführer für das Verlassen seines Herkunftsstaats angegebenen Gründe für nicht glaubhaft. Mit dem angefochtenen Bescheid wies sie den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan (Spruchpunkt V) aus und bestimmte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer in vollem Umfang die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].

Da die Aktenseiten im von der Behörde vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt nicht durchgängig schlüssig nummeriert sind bzw. der vorgelegte Verwaltungsverfahrensakt nicht durchgehend schlüssig geordnet ist (vgl. die auf den Aktenseiten angegebenen Nummerierungen 111 bis 117), zitiert das Bundesverwaltungsgericht aus dem angefochtenen Bescheid unter Angabe der unten auf den Seiten des Bescheids genannten Seitenzahlen, und zwar in folgender Form: Bescheid, S [Seite].

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren; seine Identität steht nicht fest. Er ist ein erwachsener, arbeitsfähiger, männlicher Drittstaatsangehöriger, konkret: Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen sowie der Religionsgemeinschaft des Islam an. Der Beschwerdeführer leidet nicht an einer schweren psychischen oder physischen Erkrankung oder Störung, er ist gesund. Er ist verheiratet und Vater zweier minderjähriger Töchter.

Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer die letzten Jahre vor seiner Ausreise im Distrikt XXXX oder im Distrikt XXXX dieser Provinz verbrachte. Die Angehörigen des Beschwerdeführers, namentlich seine Eltern, seine Ehefrau, seine beiden minderjährigen Töchter, mehrere Geschwister und Onkel sowie Tanten, leben nach wie vor in Pakistan, teilweise auch in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Jedenfalls am 23.11.2020 stand der Beschwerdeführer mithilfe eines Dritten mit seiner Mutter telefonisch in Kontakt; das Verhältnis zu seinen Angehörigen ist gut. Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan sozialisiert und beherrscht die Sprachen Paschtu und Urdu. Er besuchte in seinem Herkunftsstaat die Grundschule. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf erlernt. Er ging vor seiner Ausreise jedenfalls einer Beschäftigung in der Landwirtschaft nach. Nach dem Verlassen seines Herkunftsstaats arbeitete der Beschwerdeführer in Griechenland ebenfalls in der Landwirtschaft.

Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat frühestens vor etwa drei Jahren - ein genaues Datum kann nicht festgestellt werden - unrechtmäßig und reiste über den Iran in die Türkei, wo er sich ca. ein Jahr lang aufhielt. Danach reiste er nach Griechenland, wo er sich ca. acht oder neun Monate lang aufhielt und in der Folge nach Serbien, wo er sich drei Monate lang aufhielt. Schließlich reiste er Mitte November 2020 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 20.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer verfügt nicht einmal über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er hat keine Deutschkurse besucht, ist nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen in Österreich und ging und geht hier weder ehrenamtlicher/ gemeinnütziger Arbeit noch Erwerbsarbeit nach. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und führt hier keine Lebensgemeinschaft. Ebenso wenig unterhält der Beschwerdeführer ausgeprägte oder enge freundschaftliche Beziehungen zu österreichischen Staatsangehörigen bzw. in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen; es bestehen auch keine finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse. Der Beschwerdeführer bezog vom 21.11.2020, bis er sich im Dezember 2020 aus dem zugewiesenen Quartier entfernte, Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Bei der Einreise in das Bundesgebiet verfügte er über keine finanziellen Mittel.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Verurteilung auf.

1.2. Zu den (behaupteten) Fluchtgründen und zur Situation des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Pakistan keiner aktuellen unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt und wäre auch im Falle seiner Rückkehr dorthin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt:

Namentlich war der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung (einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefahr von) intensiven staatlichen Übergriffen oder intensiven Übergriffen von Privatpersonen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer liefe auch nicht ernstlich Gefahr, bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung intensiven Übergriffen durch den Staat, andere Bevölkerungsteile oder sonstige Privatpersonen ausgesetzt zu sein. Dem Beschwerdeführer würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung drohen.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel ist festzustellen, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan keine reale Gefahr einer Verletzung der Art 2, 3 EMRK oder des 6. und 13. ZPEMRK bedeuten würde und für den Beschwerdeführer als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Der Beschwerdeführer hätte auch nicht um sein Leben zu fürchten, es würde ihm nicht jegliche Existenzgrundlage oder notwendige medizinische Versorgung fehlen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Rechtliche Grundlagen für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung:

2.1.1. Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz braucht die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 lediglich glaubhaft gemacht zu werden.

Dies bedeutet zum einen eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers. Dieser hat nämlich initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der betreffenden Fakten spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für deren Vorliegen liefern; vgl. z. B. VwGH 15.09.2004, 2002/04/0201.

Zum anderen wird, wenn eine Tatsache (lediglich) glaubhaft gemacht werden muss, das Beweismaß herabgesetzt; vgl. Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at); zur Relevanz dieser Bestimmung im Verwaltungsverfahren: Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) Rz 206. Für die Glaubhaftmachung (im Unterschied zum vollen Beweis) genügt es, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache überzeugt ist. Die Glaubhaftmachung hat also das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt; VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252. Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen. Ob die Glaubhaftmachung behaupteter Tatsachen gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine Frage der rechtlichen Beurteilung; so mwN Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 5 (Stand 1.8.2017, rdb.at).

2.1.2. Im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung ist zu beachten: Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde; vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, und VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314. In seiner Entscheidung vom 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, hat der Verwaltungsgerichtshof bekräftigt, dass grundsätzlich der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs 1 oder Abs 2 FPG glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist.

2.2. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach eingehend über seine Pflicht bzw. Obliegenheit zur (initiativen) Mitwirkung im Verfahren belehrt (vgl. insbesondere AS 10 [Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern], 36, 55 ff). Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass in Bezug auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt seit Erlassung des angefochtenen Bescheids und Einbringung der Beschwerde keine Änderung eingetreten ist, da sich der - bis zum 31.12.2020 durch eine Rechtsberatungsorganisation vertretene (AS 225) - Beschwerdeführer seither nicht mehr geäußert hat. Wäre eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zwischenzeitlich eingetreten, hätte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Pflicht bzw. Obliegenheit und schon im eigenen Interesse dies dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf allfällige Sachverhaltsänderungen in Bezug auf die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten, sondern insbesondere auch für die privaten, familiären, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Umstände des Beschwerdeführers, die dieser der Behörde bzw. dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls von sich aus mitzuteilen hat; vgl. § 15 AsylG 2005; VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; sowie generell zur Mitwirkungsobliegenheit im Verwaltungsverfahren z. B. VwGH 15.11.1994, 94/07/0099, und Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 10, 16 (Stand 1.7.2005, rdb.at).

2.3. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich im Wesentlichen (vgl. allerdings die weiteren Ausführungen) aus seinen insoweit weitgehend gleichbleibenden, nachvollziehbaren und damit glaubhaften Angaben im verwaltungsbehördlichen Verfahren (AS 7, 9 ff, 35 ff, 70 ff), teils (auch) in Zusammenschau mit vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Bescheinigungsmitteln (OZ 5: Auszug aus dem Zentralen Melderegister, Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, Auszug aus dem Strafregister, Abfrage Schengener Informationssystem). Vgl. auch die mit den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts großteils übereinstimmenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (Bescheid, S 15), denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde (AS 215 ff) nicht entgegentrat. Auf einzelne Aspekte geht das Bundesverwaltungsgericht in der Folge noch näher ein:

Da keine (unbedenklichen) Identitätsdokumente vorliegen, konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht endgültig festgestellt werden (Bescheid, S 15, 77 f). Beachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer bereits in der Erstbefragung angab, einen Identitätsausweis zu haben, und bejahte, dass er sich Dokumentenkopien oder -originale beschaffen könne (AS 12). Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer - in Übereinstimmung mit diesen Angaben aus -, dass sich sein Personalausweis in Pakistan befinde (AS 38). Dass der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Aufforderung und, nachdem er zu verstehen gegeben hatte, dass eine Übermittlung dieses Identitätsdokuments im Original oder in Kopie von Pakistan nach Österreich möglich sei (AS 12, 38 f), weder das Original noch eine Kopie vorwies, deutet auf fehlende Mitwirkung im Verfahren hin.

Zu den Feststellungen zum Kontakt mit seiner im Herkunftsstaat lebenden Familie bzw. konkret mit seiner Mutter ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer in der behördlichen Einvernahme am 24.11.2020 unmissverständlich erklärte, am Vortag mit seiner Mutter telefoniert zu haben. Er habe einen Dorfbewohner angerufen, dieser habe dem Beschwerdeführer gesagt, er solle in einer halben Stunde wieder anrufen. (AS 73) Vor diesem Hintergrund ist die in derselben Einvernahme auf die Frage „Wer von Ihren Familienmitgliedern befindet sich noch im Herkunftsstaat und wo sind diese aufhältig?“ gegebene Antwort „Mein ältester Bruder ist auch weg, ich weiß nicht wo er ist. Und die restliche Familie ist auch irgendwo. Ich weiß nicht wo diese ist.“ (AS 75) als verfahrenstaktisch motiviert bzw. als Schutzbehauptung zu betrachten, zumal der vorgebrachte Grundstücksstreit, der den Beschwerdeführer zum Verlassen des Herkunftsstaats und seine Familie nunmehr zum Verlassen ihres Hauses bzw. Dorfes veranlasst habe, nicht glaubhaft ist (vgl. unten unter 2.4.1.). Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sind vor diesem Hintergrund angebracht.

Wann er seinen Herkunftsstaat verließ, konnte aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht genau festgestellt werden. So gab der Beschwerdeführer im November 2020 einerseits mehrfach an, seinen Wohnort bzw. seine Heimat Anfang 2018 verlassen zu haben (AS 12). Diese Angaben ließen sich mit den Ausführungen zur Reiseroute und Aufenthaltsdauer in den durchreisten Staaten allenfalls grob in Einklang bringen (AS 13, 40). Zum anderen gab er aber auch am 21.11.2020 zu Protokoll, vor zwei Jahren aus Pakistan ausgereist zu sein (AS 40), was bedeuten würde, dass er erst im November 2018 sein Heimatland verlassen hat, wobei dies den Ausführungen zur Reiseroute und Aufenthaltsdauer in den durchreisten Staaten eher entsprechen würde. Aus der korrigierenden Aussage in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.11.2020, dass er ein Jahr vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat - somit vor etwa drei Jahren - mit einem Messer verletzt worden sei (AS 79), lässt sich der genaue Zeitpunkt der Ausreise auch nicht erschließen. Diese Ausführungen würden jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis führen, dass er sein Heimatland etwa im November 2018 verlassen hat. Die unpräzisen bzw. widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsstaats verstärkten zum einen die Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Zum anderen weisen sie auch darauf hin, dass der Ausreise des Beschwerdeführers keine objektiv einschneidenden und dramatischen und auch keine zumindest von ihm als einschneidend und dramatisch empfundenen Ereignisse vorausgegangen sind, würde die Ausreise doch sonst eine derart bedeutsame Zäsur im Leben darstellen, dass sie wenigstens einigermaßen genau datiert werden könnte. Die Angaben des Beschwerdeführers differieren jedoch in beträchtlichem Ausmaß (Anfang 2018 versus zwei Jahre vor den behördlichen Einvernahmen im November 2020, also ca. im November 2018). Es konnte aus diesem Grund lediglich festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat frühestens vor etwa drei Jahren verlassen hat.

Zum letzten Wohnort des Beschwerdeführers und seiner Familie im Herkunftsstaat vor seiner Ausreise konnte das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen treffen. Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers ist zweifelhaft, dass er die letzten Jahre vor seiner Ausreise im Distrikt XXXX in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa verbrachte. Dies ist – angesichts des engen inhaltlichen Zusammenhangs – ein weiteres Indiz gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens, mit dem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet. Der Beschwerdeführer habe nämlich seinen ursprünglichen Wohnort mit seiner Familie in Richtung Distrikt XXXX (und in der Folge seinen Herkunftsstaat) wegen Grundstücksstreitigkeiten mit Personen aus einem Nachbarort verlassen; diese Personen hätten sich, so der Beschwerdeführer, die Grundstücke angeeignet (z. B. AS 40 ff). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang freilich, dass der Beschwerdeführer während der Erstbefragung am 20.11.2020 angab (AS 11), dass sich seine Wohnsitzadresse im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa befunden habe. In der Einvernahme am 21.11.2020 behauptete der Beschwerdeführer jedoch, dass er mit seiner Familie sein Heimatdorf verlassen habe, sich diese nun in XXXX (somit jedenfalls im Distrikt XXXX , da die Stadt XXXX die Distrikthauptstadt ist und im Distrikt liegt) in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa befinde und er das andere Dorf ebenfalls verlassen habe und nach Österreich geflüchtet sei, weil dort, im anderen Dorf, sein Vater, ein Onkel und er selbst von seinen Widersachern verletzt worden seien (AS 39 ff). Aus den Schilderungen des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 24.11.2020 kann wiederum erstmals abgeleitet werden, dass er mit seiner Familie das Dorf XXXX verlassen und sich in der Folge - etwa sechs bis sieben Fahrtstunden mit einem Auto entfernt - im Dorf XXXX niedergelassen habe (AS 73 ff). Unabhängig davon, von welchem vom Beschwerdeführer als letzten Wohnort genannten Ort man nun ausgehen mag, steht jedenfalls außer Zweifel, dass der Beschwerdeführer seine letzten Jahre vor seiner Ausreise in einem Distrikt in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa verbrachte.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers folgen seinen eigenen Angaben (AS 37, 39) sowie den gänzlich unwidersprochen gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid (Bescheid, S 15; vgl. auch den Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, OZ 5). Im Falle einer tatsächlichen Erkrankung oder sonstigen wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustands zwischen Bescheiderlassung und Beschwerdeeinbringung wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein entsprechendes Vorbringen in der Beschwerde erstattet hätte. Wäre es danach zu wesentlichen Sachverhaltsänderungen gekommen, hätte der Beschwerdeführer diese dem Bundesverwaltungsgericht in Erfüllung seiner Pflicht bzw. Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren (siehe oben unter 2.2.) mitgeteilt. Laut Eintragungen im Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem wurde der Beschwerdeführer zudem im November 2020 negativ auf COVID-19 getestet.

Dass der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste, ist angesichts dessen, dass er kein (gültiges) Reisedokument vorweisen konnte, unzweifelhaft.

Hinsichtlich der Feststellungen zu den Lebensverhältnissen in Österreich verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die insoweit glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers (AS 39, 43). Den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid (Bescheid, S 15) trat der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht im Geringsten entgegen (AS 215 ff). Zu bedenken ist überdies, dass sich der Beschwerdeführer erst seit Mitte November 2020 im Bundesgebiet aufhält. Angesichts der kurzen Zeit des bisherigen Aufenthalts und da der Beschwerdeführer nur die Sprachen Paschtu und Urdu beherrscht, wird auch kaum die Möglichkeit bestehen, ein ausgeprägtes Privatleben in Gestalt etwa von Mitgliedschaften in hiesigen Vereinen oder von über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehenden persönlichen Beziehungen zu österreichischen Staatsangehörigen bzw. in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen zu entfalten. Gegenteiliges brachte der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt vor.

Dass im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung des Beschwerdeführers aufscheint, ergibt sich aus dem entsprechenden aktuellen Auszug aus diesem Register (OZ 5).

2.4. Zu den Feststellungen zu den (behaupteten) Fluchtgründen und zur Situation des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, nachdem er am 20.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, im Zuge der Erstbefragung am Tag der Antragstellung einvernommen wurde (AS 9 ff). Am 21.11.2020 (AS 35 ff) sowie am 24.11.2020 (AS 69 ff) wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einvernommen. Die Einvernahme am 24.11.2020 erfolgte nach einer Rechtsberatung und im Beisein einer Rechtsberaterin (AS 69, 71).

Die Niederschriften über die Erstbefragung und die Einvernahmen liefern vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der jeweiligen Amtshandlung (§ 15 AVG) und konnten sowohl den Feststellungen als auch der Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden. Es gibt keine Hinweise auf allfällige Verständigungsschwierigkeiten, Unvollständigkeiten, Unregelmäßigkeiten oder sonstige Mängel oder darauf, dass der Beschwerdeführer nicht genug Zeit oder Gelegenheit gehabt haben könnte, sich ausführlich zu äußern (AS 15, 35 f, 44 f, 69, 71, 79).

Ferner ist im Rahmen der Beweiswürdigung, insbesondere bei der Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers, zu berücksichtigen, dass dieser eingehend über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, unter anderem Wahrheitspflicht und Mitwirkungspflicht, belehrt wurde (AS 10 [Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern], 36, 55 ff).

2.4.1. Zu den Feststellungen zu den (behaupteten) Fluchtgründen:

2.4.1.1. In der Erstbefragung am 20.11.2020 gab der Beschwerdeführer an, er habe Anfang 2018 den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst und diesen auch zu dieser Zeit auf dem Landweg verlassen (AS 12). Als Grund, weshalb er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, im Nachbardorf gebe es vier bis fünf Familien, die Grundstücke seiner Familie ohne Bezahlung hätten haben wollen. Deshalb sei es zu Streitigkeiten gekommen. Eine dieser Familien habe zwei seiner Onkel erschossen. Sein Vater sei angeschossen und er selbst mit einem Messer verletzt worden. Daher habe sein Vater gesagt, dass er, der Beschwerdeführer, das Land verlassen solle. Die Polizei habe dort keine Macht. Seine gesamte Familie habe das Dorf verlassen und sei weggezogen. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, erwiderte der Beschwerdeführer: „Diese Streitigkeiten werden weitergehen und ich habe Angst, dass ich auch getötet werde.“ (AS 14) Weiters gefragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, sowie ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte und mit welchen allenfalls, brachte der Beschwerdeführer nichts dergleichen vor (AS 14).

In der behördlichen Einvernahme am 21.11.2020 bestätigte der Beschwerdeführer, bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt zu haben (AS 38). In der Folge forderte der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer auf, die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaats unter Anführung aller Fakten, Daten und ihm wichtig erscheinenden Ereignissen darzulegen (AS 40 f). Der Beschwerdeführer beschränkte sich auf folgende Sätze: „Aufgrund einer Feindschaft. Wegen eines Grundstückes meiner Familie. Leute aus einem anderem Dorf, das sind Taliban, kamen und haben dieses Grundstück genommen. Zwei Onkel von mir wurden umgebracht. Wir haben aus Angst unser eigenes Dorf verlassen und sind in ein anderes Dorf gegangen. Dort wurden von denen auch mein Vater, ein Onkel und ich verletzt. Diese Feinde von uns sind Taliban. Aus diesem Grund bin ich nach Österreich geflüchtet.“ Anschließend bejahte der Beschwerdeführer, dass dies alle seine Fluchtgründe seien und führte aus, dass es sich bei der Verletzung seines Vaters und seiner eigenen Person um „das fluchtauslösende Ereignis“ gehandelt habe (AS 41). Befragt, wann er erstmals, wann er letztmals und wie oft er in Summe bedroht worden sei, erwiderte der Beschwerdeführer. „Mein Vater wurde vor 10 Jahren und ich vor drei oder vier Jahren verletzt.“ (AS 41). Probleme mit Privatpersonen, Probleme bei der Ausübung seiner Religion oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation, Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat, Haft oder aktuelle Fahndungsmaßnahmen, eine politische Tätigkeit, Probleme aufgrund Verfolgung durch Dritte, dass er jemals eine Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft getätigt, er sich jemals anonym an das Innenministerium gewandt und er jemals um Hilfe und Unterstützung bei Menschenrechtsorganisationen oder beim Ombudsmann angesucht habe, verneinte der Beschwerdeführer ebenfalls, wobei er bezüglich der Frage nach Problemen mit Privatpersonen ergänzend anmerkte „Nur mit den Taliban gab es Probleme.“ (AS 41 ff). Ferner befragte der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer, was mit ihm passieren würde, wenn er jetzt in seinen Herkunftsstaat zurückkehren müsste. Der Beschwerdeführer gab daraufhin an: „Ich würde umgebracht werden. Von den Leuten, die mein Grundstück besetzt haben.“ (AS 42). Weiters gefragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, sowie ob er im Falle der Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, brachte der Beschwerdeführer nichts dergleichen vor (AS 42). Auf die Frage, ob er richtig verstanden worden wäre, nämlich, dass er im Herkunftsstaat nur Probleme mit Privatpersonen gehabt habe, antwortete der Beschwerdeführer schlicht: „Ja.“ (AS 42). Unter Hinweis auf das Neuerungsverbot gefragt, ob er vor Beendigung der Befragung noch etwas Asylrelevantes angeben oder etwas angeben wolle, was ihm wichtig erscheine, der Leiter der Einvernahme jedoch nicht gefragt habe, erklärte der Beschwerdeführer, alles gesagt zu haben (AS 44). Schließlich wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz und seine Abschiebung nach Pakistan beabsichtigt seien sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen seine Person erfolgen werde. Gefragt, ob er konkrete Gründe nennen wolle, die dem entgegenstünden, erwiderte der Beschwerdeführer: „Ich will auf keinen Fall zurück nach Pakistan gehen.“ (AS 44). Abschließend wurde ihm der weitere Verfahrensablauf erklärt und der Beschwerdeführer wurde gefragt, ob er noch etwas angeben möchte, worauf er mit einem knappen „Nein.“ antwortete (AS 44).

Am 24.11.2020 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Rechtsberaterin neuerlich vor der belangten Behörde einvernommen (AS 69 ff). Der Beschwerdeführer erklärte, dass er gegenüber der belangten Behörde bereits die Wahrheit gesagt habe und diese Angaben aufrechterhalte, er jedoch noch etwas zu ergänzen habe (AS 71). In der Folge wiederholte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen und gab darüber hinaus an, dass nach der Übersiedlung in das andere Dorf bei einem Angriff nicht nur auf seinen Vater und einen Onkel väterlicherseits, sondern auch auf seinen Großvater geschossen worden sei. Am 23.11.2020 habe er erfahren, dass auch sein ältester Bruder geflüchtet sei. Seine Mutter habe sich dann zur Polizeistation begeben, wo man ihr gesagt habe, dass sie das Dorf verlassen solle, da man sie nicht schützen könne. Auf das Haus der Familie sei erneut geschossen worden. Seine Mutter habe gesagt, dass alle geflüchtet seien und sie nun auch flüchten werde. „Sie“ hätten mit der Ermordung der gesamten Familie gedroht. Für ihn gebe es dort keine Sicherheit. Die Regierung könne ihn nicht schützen. Zu den behaupteten Vorfällen könne er Unterlagen besorgen (AS 71 ff). Anschließend richtete der Leiter der Einvernahme weitere konkrete Fragen zu den angeblichen Problemen an den Beschwerdeführer: Befragt, wo sich das Grundstück, welches die Familien des Nachbardorfs haben wollten, befunden habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass es sich in XXXX befinde. Auf die Frage, wie weit das Grundstück von seinem Haus – gemeint das Haus in seinem ersten Dorf - entfernt gewesen sei, antwortete der Beschwerdeführer, dass es direkt neben dem Haus gewesen sei (AS 73). Das Grundstück habe zunächst seinem Onkel väterlicherseits und seinem Vater gemeinsam gehört. Nachdem jedoch die Onkel väterlicherseits verstorben seien, gehöre dieses nun seinem Vater und, da er der Sohn seines Vaters sei, gehöre es somit auch ihm. Aus diesem Grund würden diese Personen („sie“) seine Familie („uns“) auch angreifen (AS 75). Der Leiter der Einvernahme befragte den Beschwerdeführer daraufhin näher zum Aufenthaltsort seiner Angehörigen: Befragt, wer sich von seinen Familienmitgliedern noch im Herkunftsstaat befinde und wo diese aufhältig seien, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein ältester Bruder auch weg sei, wobei er nicht wisse, wo dieser sei. Die restliche Familie sei ebenfalls irgendwo (AS 75). Zuvor hatte der Beschwerdeführer angegeben, am Vortag mit seiner Mutter telefoniert zu haben. Er habe einen Dorfbewohner angerufen, dieser habe dem Beschwerdeführer gesagt, er solle in einer halben Stunde wieder anrufen. Dann habe er mit seiner Mutter gesprochen. (AS 73) Befragt, wohin seine Familienmitglieder gezogen seien, nachdem er das Dorf XXXX verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an: „Nach XXXX .“ (AS 75) In der Folge bejahte der Beschwerdeführer die Frage, ob er auch nach XXXX gezogen sei (AS 75). Der Beschwerdeführer schilderte auf weitere Befragung durch den Leiter der Einvernahme, dass er damals noch sehr jung gewesen und XXXX sehr weit von XXXX - etwa sechs bis sieben Fahrtstunden mit einem Auto - entfernt sei (AS 75). Der Leiter der Einvernahme fragte daraufhin den Beschwerdeführer, ob er jemals eine Anzeige bei der Polizei getätigt habe. Der Beschwerdeführer antwortete: „Die Polizei kann nichts tun. Dieses Mal war meine Mutter auch bei der Polizei, aber sie konnten nichts tun. Wenn wir zB der Polizei sagen, dass die Leute uns angegriffen haben, dann schreibt die Polizei immer auf: unbekannte Täter.“ (AS 75) Auch zu den angeblichen gewaltsamen Übergriffen auf den Beschwerdeführer und seine Angehörigen befragte der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer näher (AS 75 f): Seine beiden Onkel seien vor ca. 20 bis 25 Jahren von Mitgliedern der Taliban erschossen worden. Sein Vater sei ebenfalls von diesen Personen vor ca. acht oder neun Jahren angeschossen worden. Er selbst sei vor ca. einem Jahr mit dem Messer verletzt worden. Seine Widersacher hätten jemanden dafür bezahlt, aber er habe fliehen können. Nach der Ermordung seiner Onkel - also vor ca. 20 bis 25 Jahren - hätten sich seine Widersacher das Grundstück angeeignet, woraufhin seine Familie geflohen sei. Weitere Grundstücke hätten er bzw. seine Familienangehörigen nicht besessen. In der Folge befragte der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer, wie er sich nach dem Verlust des Grundstücks den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat finanzieren habe können, woraufhin der Beschwerdeführer zu Protokoll gab, dass er als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei (AS 77). Dass er bzw. seine Familienmitglieder immer noch von ihren Widersachern verfolgt werden würden, obwohl diese bereits seit 20 bzw. 25 Jahren im Besitz des Grundstücks seien, begründete der Beschwerdeführer damit, dass seine Widersacher („sie“) die Papiere von dem Grundstück nicht hätten und befürchten würden, dass seine Familie („wir“) das Grundstück wieder in Besitz nehmen könnten, wenn „diese Leute“ wieder von dort weggehen (AS 77). Über die beabsichtigte Vorgehensweise der Behörde, den Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan zu überstellen, informiert, meinte der Beschwerdeführer: „Warum wollen sie mich in den Tod schicken. Wenn sie wollen, dass ich sterbe, dann töten sie mich lieber hier. Sollte ich dort sterben, dann ist das so, dass diese Familie mit mir stirbt. Aber wenn ich hier sterbe, dann wissen sie nichts darüber.“ (AS 79). Der Rechtsberaterin des Beschwerdeführers wurde die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder ein weiteres Vorbringen darzustellen, wovon sie jedoch nicht Gebrauch machte. Sie beantragte einzig eine Frist für die Vorlage etwaiger Beweismittel (AS 79). Zur Einvernahme gab es nach Rückübersetzung keine Einwände. Der Beschwerdeführer ersuchte lediglich um folgende Berichtigung bzw. Korrektur (AS 79). Demnach sei er nicht vor einem Jahr mit dem Messer verletzt worden, sondern ein Jahr vor seiner Ausreise, was bedeuten würde, dass er vor etwa drei Jahren verletzt worden sei.

2.4.1.2. Die belangte Behörde gelangte im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis, dass der der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe im Sinne des AsylG 2005 vorgebracht habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Falle der Rückkehr nach Pakistan dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ausgesetzt wäre. Ebenso wenig habe festgestellt werden können, dass er im Falle der Rückkehr in Pakistan einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt sei oder sein Leben auf sonstige Weise gefährdet wäre. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er von Familien des Nachbardorfs, welche Taliban seien, wegen Grundstücksstreitigkeiten bedroht worden sei, habe zur Gänze die „Glaubwürdigkeit“ (gemeint wohl: Glaubhaftigkeit) abgesprochen werden müssen. (Bescheid, S 15, 80) Diesen Ausführungen lagen vor allem folgende Erwägungen zugrunde (Bescheid, S 79 ff):

Einleuchtend begründete die Behörde die fehlende Glaubhaftigkeit des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens etwa damit, dass er dieses im Laufe der Befragungen mehrfach gesteigert bzw. adaptiert habe (Bescheid, S 80 f). So wies die Behörde zutreffend zunächst darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung am 21.11.2020 primär darauf beschränkte habe, seine Ausreise mit einer Auseinandersetzung seiner Familie mit vier oder fünf Familien aus einem Nachbardorf zu begründen, wobei er in diesem Zusammenhang dargelegt habe, dass zwei Onkel erschossen und sein Vater sowie er durch die angeblichen Widersacher verletzt worden seien (AS 14; Bescheid, S 80). In Abwandlung bzw. Steigerung dieses Vorbringens (vgl. in diesem Sinne die Behörde, Bescheid, S 80 f) erklärte der Beschwerdeführer in der behördlichen Einvernahme am 21.11.2020 erstmals, dass die angeblichen gegnerischen Familien den Taliban angehören würden (AS 40 f), und er erwähnte ebenfalls in dieser Einvernahme zu ersten Mal, einen dritten Onkel, der bei den angeblichen Auseinandersetzungen verletzt worden sei (AS 41). Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Erstbefragung § 19 Abs 1 AsylG 2005 zufolge nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12) und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 mwN). Dennoch fällt im gegenständlichen Fall ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung die Zugehörigkeit der gegnerischen Familien zu den Taliban und die daraus resultierende Bedrohungssituation durch diese Terrororganisation (AS 40 f, 71) sowie die Gewalttätigkeiten gegenüber einem weiteren Onkel nicht einmal andeutete. Selbst wenn die Erstbefragung keine detaillierte Aufnahme des Ausreisegrundes umfasst, wäre dennoch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten, dass diese Umstände, insbesondere die Zugehörigkeit der angeblichen Widersacher zu einer Terrorgruppe sowie nahe Angehörige betreffende Eingriffe in die physische Integrität, zuvorderst und in den Grobzügen gleichbleibend bei der ersten sich bietenden Gelegenheit dargelegt werden. Dass der Beschwerdeführer die Anzahl der angeblich verfeindeten Familien mit „4 bis 5“ (AS 14) nur ungefähr benennen konnte, ist nicht mit dem Wesen der Erstbefragung zu erklären. Daher begegnet es auch keinen Bedenken, dass die Behörde auf diesen Umstand Bedacht nahm (Bescheid, S 80). Weiters erkannte die Behörde und darf in der Tat nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 24.11.2020 sein Vorbringen abermals steigerte, indem er erstmals zu Protokoll gab, dass die angeblichen Gegner auch auf seinen Großvater geschossen und diesen verletzt hätten (Bescheid, S 81; AS 71).

Das Bundesverwaltungsgericht teilt ferner die Erwägungen der Behörde, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus widersprüchliche Angaben gemacht habe (Bescheid, S 81). Dass sich seine angeblichen Widersacher das einzige Grundstück, das er und seine Familie besessen haben (AS 77), bereits vor ca. 20 bis 25 Jahren angeeignet hätten, lässt sich damit nicht in Einklang bringen, dass der Beschwerdeführer, wie er am 21.11.2020 unmissverständlich ausgesagt hatte, bis zu seiner Ausreise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf seinem eigenen Grundstück in der Landwirtschaft gearbeitet habe (AS 39 f). Die Erwägungen der Behörde abrundend sei angemerkt, dass der Beschwerdeführer am 24.11.2020 seine Angaben zur Erwerbstätigkeit insofern an sein Fluchtvorbringen anpasste, als er auf die Frage, wie er sich nach Verlust des Grundstücks seinen Lebensunterhalt finanzieren habe können, behauptete, als Hilfsarbeiter gearbeitet zu haben (AS 77), womit er freilich in Widerspruch zu seiner Aussage am 21.11.2020 geriet.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch wegen zahlreicher Implausibilitäten und Unstimmigkeiten, auf die die Behörde im Detail einging (Bescheid, S 82 f), nicht glaubhaft:

Seit sich die gegnerischen Familien bzw. die Taliban das Grundstück angeeignet haben sollen, seien mittlerweile bereits 20 bis 25 Jahre vergangen (AS 77). Ausgehend davon ist aus Sicht des Bundeverwaltungsgerichts – der belangten Behörde folgend (AS 82) – zum einen nicht plausibel, dass die Taliban – wegen dieses Grundstücks – Jahre danach eine sechs- oder siebenstündige Autofahrt unternommen haben sollen, um den Beschwerdeführer und seine Familie zu bedrohen, und will ebenso wenig einleuchten, dass von den Taliban wegen dieses Grundstücks immer noch eine Bedrohung für den Beschwerdeführer bzw. dessen Familie ausgehen könnte. Von sich aus, also im Rahmen der freien Erzählungen (AS 40 f, 71), äußerte der Beschwerdeführer ohnedies keinen Grund für die angeblich seit 20 bis 25 Jahren immer wieder von den vermeintlichen Widersachern ausgehende Bedrohung. Mit seiner – erst anlässlich konkreter Befragung durch den Leiter der Einvernahme – vorgebrachten Begründung, dass seine Familie noch im Besitz der Liegenschaftspapiere sei, weshalb seine angeblichen Gegner befürchten, er bzw. seine Familie könnte das Grundstück wieder an sich nehmen, vermochte der Beschwerdeführer auch keine schlüssige Erklärung zu geben (AS 77). Denn es gilt – in Übereinstimmung mit der Behörde – zu bedenken, dass der Beschwerdeführer und seine Familie wenigstens 20 Jahre lang keine rechtliche Schritte, etwa eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei – unternommen haben und sogar in einen anderen Distrikt verzogen seien (AS 41 f, 75), sodass es aus Sicht der vermeintlichen Gegner überhaupt keine Anhaltspunkte dafür geben kann, dass gegen sie der Beschwerdeführer und/oder seine Familie unter Zuhilfenahme der Grundstückspapiere vorgehen könnte(n). Dem Erklärungsversuch des Beschwerdeführers kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich bei den Taliban um professionell agierende und paramilitärisch ausgebildete Milizen handelt, denen auch Kriegsverbrechen und menschenrechtswidrige Vergeltungsmaßnahmen zugeschrieben werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht begreiflich, dass diese Gruppierung die Familie des Beschwerdeführers jahrzehntelang (AS 75 ff) wegen dieser Dokumente über Distriktsgrenzen hinaus aus Furcht davor bedrängen sollte, dass sie in einem rechtsstaatlichen Verfahren gegen den Beschwerdeführer und seine Familie ohne diese Papiere unterliegen sollten. Zum anderen führte die Behörde auch nachvollziehbar aus, dass nicht einsichtig sei, dass zwischen den angeblichen konkreten Bedrohungshandlungen derart große Zeitabstände liegen sollen (Bescheid, S 82): angebliche Ermordung von zwei Onkeln des Beschwerdeführers vor 20 bis 25 Jahren (AS 75), angebliche Schüsse auf den Vater des Beschwerdeführers vor – man beachte die ungenauen Zeitangaben – zehn (AS 41) bzw. acht oder neun Jahren (AS 77), angebliche Attacke auf den Beschwerdeführer, bei der er mit einem Messer verletzt worden sei, vor – man beachte die ungenauen Zeitangaben –drei oder vier Jahren (AS 41) bzw. einem Jahr (AS 77) bzw. (Korrektur nach der Rückübersetzung) einem Jahr vor der Ausreise, somit vor etwa drei Jahren (AS 79), angeblicher Angriff auf das Haus der Familie (im November) 2020 (AS 71). Das Bundesverwaltungsgericht kann den Standpunkt der Behörde insbesondere deshalb teilen, weil der Beschwerdeführer eben weder konkrete Anlässe noch Gründe für die angeblichen Bedrohungen, zwischen denen jeweils mehrere Jahre liegen, glaubhaft vorbrachte.

Ebenso ist der belangten Behörde beizupflichten, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, eine plausible Erklärung dafür zu erbringen, weshalb ausgerechnet er, nicht aber auch andere Angehörige, die bereits einer Bedrohung und/ oder Verfolgung durch die Gegner der Familie ausgesetzt gewesen seien, den Herkunftsstaat verlassen haben (Bescheid, S 82). Im Gegensatz zum Beschwerdeführer verblieb dessen Familie - beispielsweise Eltern, Ehefrau, mehrere Geschwister, Onkel und Tanten, die angeblich teilweise bereits selbst verletzt worden seien - in Pakistan oder sogar in Khyber-Pakhtunkhwa im Einflussbereich der angeblichen Gegner (AS 39). Es ist mitnichten nachvollziehbar, dass der Vater des Beschwerdeführers, der bereits angeschossen worden sei (AS 71), zwar den Beschwerdeführer zum Verlassen des Landes aufgefordert haben soll (AS 14), sich aber nicht umgehend selbst in Sicherheit gebracht habe bzw. die Eltern des Beschwerdeführers nicht umgehend für die Sicherheit sämtlicher Familienmitglieder sorgten, sondern weiterhin am Ort der angeblichen Bedrohung verharrten.

Bedenkt man, dass nach der Argumentation des Beschwerdeführers jedenfalls auch seine fünf Brüder bezüglich des besagten Grundstücks anspruchsberechtigt sein sollen (vgl. AS 73 ff), ist in der Tat auch nicht einsichtig, dass seit Beginn des Streits vor 20 bis 25 Jahren bis zur Ausreise des Beschwerdeführers von diesen Personen lediglich der Beschwerdeführer von den Widersachern der Familie angegriffen worden sei (Bescheid, S 82 f), zumal der Beschwerdeführer von allen (männlichen) Nachkommen seines Vaters nicht einmal der Älteste ist (vgl. AS 11).

Es mag zwar Bedenken begegnen können, sollte die Behörde die Unglaubhaftigkeit eines (Flucht-)Vorbringens unreflektiert und ausschließlich damit begründen, dass ein Asylwerber nicht im - sozusagen - erstbesten sicheren Staat, den er nach dem Verlassen seines Herkunftsstaats betreten hat, einen Asylantrag gestellt hat. Auf eine derartige Argumentation zog sich die Behörde gegenständlich jedoch nicht zurück und sie stützte ihre Feststellungen auch keineswegs ausschließlich darauf, dass der Beschwerdeführer in keinem der von ihm durchreisten Staaten einen Asylantrag gestellt habe. Die Behörde legte vielmehr unter Bedachtnahme auf die Angaben des Beschwerdeführers, weshalb er nicht in einem der durchreisten Staaten einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe (AS 73), nachvollziehbar dar, dass auch dieses Verhalten des Beschwerdeführers nicht dafür spreche, dass er seinen Herkunftsstaat wegen einer reellen Gefahr verlassen habe (Bescheid, S 83 f). Dass sich der Beschwerdeführer in Griechenland, mag sein Zielland auch Österreich gewesen sein, von einer Asylantragstellung aufgrund der – nicht näher begründeten - Behauptung, dass man dort keine Dokumente bekommen würde (AS 13, 73), hätte abhalten lassen, wäre im Falle einer tatsächlichen Verfolgung(sgefahr) im Herkunftsstaat nicht naheliegend. Im Falle einer tatsächlichen Verfolgung oder Gefährdung im Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer wohl kaum, nachdem er sich bereits ca. ein Jahr lang in der Türkei aufgehalten hatte, noch acht oder neun Monate – ohne Berechtigung zum Aufenthalt (AS 13) und folglich mit dem Risiko einer (zwangsweisen) Außerlandesbringung – in Griechenland verblieben, um zu arbeiten, ohne dort einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Die genannten Umstände sprechen insgesamt in der Tat nicht dafür, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat tatsächlich Verfolgung(sgefahr) ausgesetzt war oder (im Falle der Rückkehr) wäre und internationalen Schutzes bedarf. Vielmehr weisen sie, wie die Behörde schlüssig ausführte, darauf hin, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat deshalb verlassen habe, um seine (wirtschaftlichen) Lebensbedingungen zu verbessern (Bescheid, S 83).

Die Erwägungen im Bescheid lediglich abrundend (zur Zulässigkeit derartiger ergänzender Gründe, die das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebend sind; vgl. VwGH 18.06.2014, Ra 2014/20/0002) merkt das Bundesverwaltungsgericht noch an, dass auch der von der Behörde bereits ins Treffen geführte Umstand (AS 82), dass der Beschwerdeführer und seine Familie wenigstens 20 Jahre lang keine rechtliche Schritte, etwa eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei – unternommen haben, indiziert, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um ein gedankliches Konstrukt handelt. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.11.2020 lapidar behauptet, die Polizei könne nichts tun (AS 75) bzw. die Regierung könne ihn nicht schützen (AS 73). Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass es in Pakistan durch die Polizei und andere Sicherheitskräfte zwar weiterhin auch zu Menschenrechtsverletzungen kommt und die Verfolgung von Straftaten durch die Justiz nur unzureichend erfolgt, kann auf Basis der Länderberichte nicht geschlossen werden, dass die Polizei systematisch in derartigen Angelegenheiten nichts unternähme und bei einer entsprechenden Anzeige untätig bleiben würde. Es wäre daher naheliegend gewesen, jedenfalls nach der angeblichen Messerverletzung (AS 42) Anzeige zu erstatten, und der Beschwerdeführer hätte erst nach einem allenfalls fehlgeschlagenen Versuch, Anzeige zu erstatten, davon ausgehen können, dass ihm die Polizei nicht helfe.

Überdies ist nicht zu beanstanden, dass die Behörde hervorhob (Bescheid, S 82), dass sich der Beschwerdeführer, nachdem ihn seine angeblichen Widersacher mit einem Messer verletzt haben sollen, noch ca. ein Jahr lang im Herkunftsstaat aufhielt (AS 41, 77, 79) und diesen auch erst auf Anraten seines Vaters verließ (AS 12, 14). Im Falle einer tatsächlichen Bedrohung und eines Angriffs mit einem Messer auf die eigene Person wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unverzüglich und aufgrund eines eigenen Entschlusses seinen Herkunftsstaat verlassen hätte.

2.4.1.3. Mit seinem Beschwerdevorbringen zeigt der Beschwerdeführer weder eine Mangelhaftigkeit des behördlichen Ermittlungsverfahrens auf noch bestreitet er die behördliche Beweiswürdigung substantiiert und er bringt auch keine relevante Neuerung vor (AS 217 bis 221).

Angesichts des Inhalts und Verlaufs der behördlichen Einvernahmen gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die belangte Behörde ihrer aus § 18 AsylG 2005 in Verbindung mit § 37 und § 39 Abs 2 AVG resultierenden Pflicht, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, nachgekommen ist; vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf seine Ausführungen oben unter 2.4.1.1., aus denen sich fraglos ergibt, dass die Leiter der Einvernahmen dem Beschwerdeführer zahlreiche konkrete Fragen stellten und ihn zu näheren Angaben aufforderten. Damit wirkte die belangte Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hin, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrags geltend gemachten Umstände vervollständigt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrags notwendig erscheinen. Zu beachten ist überdies, dass aus § 18 AsylG 2005 keine Verpflichtung abgeleitet werden kann, Umstände ermitteln zu müssen, die ein Asylwerber gar nicht behauptet hat; vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0202. Ferner zieht § 18 AsylG 2005 nicht die Pflicht nach sich, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen; vgl. VwGH 15.10.2018, Ra 2018/14/0143. Insbesondere kann keine Verpflichtung der belangten Behörde erkannt werden, den Beschwerdeführer zu seinem Standpunkt dienlichen Angaben durch zielgerichtete Befragung gleichsam anzuleiten. Hinzutritt, dass Beschwerdeführer in der Beschwerde auf seine bisherigen Ausführungen verweist und diese ausdrücklich aufrechterhält (AS 219). Damit und indem er etwa erklärt, dass er, „falls asylrelevante Fragen ausgeblieben sind“ (AS 219; Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht; siehe auch AS 221), gerne bereit gewesen wäre, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken, legt der Beschwerdeführer gerade nicht dar, dass und inwieweit die Behörde den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hätte. Insofern gilt es nämlich zu bedenken, dass die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde, dem ein Verweis auf das bisherige Vorbringen und das Aufrechterhalten desselben gleichkommen, weder ein substantiiertes Bestreiten der erstinstanzlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung darstellen; vgl. mwN VwGH 31.01.2018, Ra 2018/19/0029.

Der Vollständigkeit weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Behörde dem von der Rechtsberaterin in der Einvernahme am 24.11.2020 gestellten Antrag auf Einräumung einer Frist für die Vorlage etwaiger Beweismittel (AS 79) nicht entsprach (Bescheid, S 83) und dass bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids am 25.11.2020 gewiss nicht so viel Zeit verging, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich die in der Einvernahme angekündigten Beweismittel (AS 71 ff) nachschicken zu lassen. Dies begründet –gegenständlich – allerdings keine Mangelhaftigkeit des behördlichen Ermittlungsverfahrens. Zunächst ist zu beachten, dass die belangte Behörde aufgrund der widersprüchlichen und unplausiblen Schilderungen des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der Berichtslage im Zusammenhang mit der Erlangbarkeit ge- und verfälschter Dokumente zu Recht von der Gewährung einer Frist zur Vorlage von Bescheinigungsmitteln Abstand genommen und den bekämpften Bescheid unmittelbar nach der Einvernahme erlassen hat (Bescheid, S 83). Bestätigt werden diese Überlegungen der belangten Behörde im gegenständlichen Fall dadurch, dass der Beschwerdeführer zum einen in der Beschwerde insofern eine etwaige Mangelhaftigkeit des behördlichen Verfahrens nicht (konkret) geltend macht, die Vorlage von Beweismittel nicht in Aussicht stellt und die bereits im November 2020 angekündigten Beweismittel tatsächlich bis heute nicht vorgelegt hat. Letzteres spricht im Übrigen abermals gegen seine persönliche Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit des Vorbringens. Denn gerade bei den vom Beschwerdeführer geschilderten (angeblichen) Vorkommnissen (etwa gewaltsamen Übergriffen in einer Grundstücksstreitigkeit) handelt es sich – grundsätzlich – wohl auch um in Pakistan verifizierbare Ereignisse. Bei tatsächlichem Zutreffen des Vorbringens wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer entsprechende – von ihm sogar in Aussicht gestellte (AS 71) – Unterlagen, welche dieses Vorbringen belegen können, in Vorlage gebracht hätte. Weiters ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass gemäß § 15 Abs 1 AsylG 2005 ein Asylwerber am Verfahren nach dem AsylG 2005 mitzuwirken hat. Insbesondere hat ein Asylwerber gemäß § 15 Abs 1 Z 5 AsylG 2005 der belangten Behörde oder dem Bundesverwaltungsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind. Dieser Verpflichtung entsprach der – bis zum 31.12.2020 sogar durch eine Rechtsberatungsorganisation vertretene – Beschwerdeführer nicht; er brachte - entgegen der Ankündigung - überhaupt keine Unterlagen in Vorlage.

Auch mit den Ausführungen in der Beschwerde, die Behörde habe dem Vorbringen zu Unrecht keinen Glauben geschenkt (AS 217), zeigt der Beschwerdeführer weder Mängel im Ermittlungsverfahren noch in der Begründung des angefochtenen Bescheids auf. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zunächst auf seine bisherigen Ausführungen, wonach außer Frage steht, dass begründete Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bestehen. Weiters ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer mit diesen und auch den übrigen Ausführungen in der Beschwerde den Erwägungen zur Glaubhaftigkeit seines Vorbringens, insbesondere dem Umstand, dass dieses, wie die Behörde zutreffend erkannte, mehrfach widersprüchlich und unplausibel gewesen sei, überhaupt nichts entgegensetzt. Eben angesichts der schlüssigen individuellen und umfassenden Erwägungen der Behörde, aus denen sie das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers für unglaubhaft befand, ist mit dem Verweis darauf, dass in Pakistan Grundstücksstreitigkeiten weit verbreitet seien und häufig auch gewaltsame Formen annehmen können, sowie mit den Ausführungen zur Asylrelevanz einer Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen (AS 219) für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen.

Was den Umstand betrifft, wonach nicht das zur Entscheidung berufene Organ die Einvernahme des Beschwerdeführers am 21.11.2020 durchgeführt hat, bleibt festzuhalten, dass zwar die Aussage des Asylwerbers das zentrale Element und oft das einzige Beweismittel im Asylverfahren darstellt, und die Unmittelbarkeit daher – anders als in anderen Verwaltungsmaterien – für die Beweiswürdigung der Aussage von essentieller Bedeutung ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), 838). Insoweit ging auch noch § 19 Abs 2 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013 - ebenso wie bereits die Vorgängerbestimmung des § 27 Abs 1 AsylG 1997 - von einer grundsätzlichen Unmittelbarkeit des Verfahrens aus, weshalb die Einvernahme - soweit es ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich war – durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter persönlich zu erfolgen hatte; vgl. § 19 Abs 2 vorletzter Satz AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013. Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 (Bundesgesetzblatt I Nr 70/2015) wurde allerdings der vorletzte Satz in § 19 AsylG 2005 gestrichen. Nach den Erläuternden Bemerkungen zu § 19 AsylG 2005 (RV 582 BlgNR XXV. GP, 13) handelt es sich bei der Änderung des Abs 2 um eine Anpassung an das Unionsrecht, da das derzeit in dieser Bestimmung vorgesehene Unmittelbarkeitsprinzip in der Neufassung der Verfahrensrichtlinie nicht vorgesehen ist; vgl. auch Artikel 14 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Daher stellt die Tatsache, wonach das zur Entscheidung berufene Organ die Einvernahme des Beschwerdeführers am 21.11.2020 nicht durchgeführt hat, nach der geltenden Rechtslage keinen Verfahrensmangel dar.

Insoweit die Rechtsberaterin zu Beginn der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.11.2020 ohne nähere Ausführungen behauptete, dass die Durchführung der Einvernahme des Beschwerdeführers den „COVID-Bestimmungen“ widerspreche, zumal das Ergebnis der ersten COVID-19-Testung des Beschwerdeführers noch ausständig sei und diesbezüglich eine Abklärung mit der Leitung der belangten Behörde beantragte (AS 71), ist zur Vollständigkeit festzuhalten, dass es eines derartigen Schrittes nicht bedurfte. Gemeinsam mit der Ladung für die Einvernahme am 24.11.2020 erhielt der Beschwerdeführer ein Informationsblatt zu den getroffenen Schutzmaßnahmen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Zusammenhang mit COVID-19 (AS

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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