TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/9 I414 2232637-1

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Entscheidungsdatum

09.02.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I414 2232637-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 09.06.2020, Zl. XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 80% beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 09.12.2019 die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Nach Einholung eines Aktengutachtens wurde der Beschwerdeführerin vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol, ein Behindertenpass in Scheckkartenformat mit einem Grad der Behinderung und der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ ausgestellt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 22.06.2020 monierte sie die coronabedingten Absagen einer persönlichen Untersuchung und dass der Gesamtgrad der Behinderung höher ausfallen müsste. Außerdem sei sie auf ihr Auto angewiesen.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde Dr. G. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt und hielt dieser in seinem Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.07.2020 fest:

„Zu den Fragen:

- Gesamtgrad der Behinderung:

Sprunggelenksleiden beidseits 02.05.34 60 % von 100 Funktionseinschränkung schweren Grades beidseitig bei degenerativen Veränderungen am oberen Sprunggelenk, degenerativen Veränderungen am unteren Sprunggelenk mit nahezu Bewegungsunfähigkeit

Fußdeformität nicht kompensiert, beidseitig,

Funktionseinschränkungen schweren Grades 02.05.37 60 % von 100

Deformität der Mittelfußknochen auch deutliche Verkürzung beider Füße wobei die Belastung beider Füße lediglich über dem Außenrist möglich ist ohne anatomisch richtig durchzuführende Abrollbewegung

Schließmuskellähmung aufgrund Spina bifida aperta mit ständiger Stuhlinkontinenz        07.04.16 50 % von 100

Entleerungsstörung der Blase   08.01.07 50 % von 100

Entleerungsstörung der Blase schweren Grades bei kompletter Inkontinenz aufgrund

Spina bifida aperta

Spinale Lähmung, Querschnittssyndrom  04.03.01 40 % von 100

Endokrine Störung leichten Grades                                  10 % von 100

analog, aufgrund Adipositas

Das Leiden 1 wird durch die Leiden 2 bis 5 aufgrund gegenseitiger negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um 2 Stufen erhöht.

Das Leiden 6 erhöht aufgrund von zu Geringfügigkeit nicht weiter. […]

Somit ergibt sich aus der klinischen Untersuchung und der vorgelegten urologischen und orthopädischen nachgereichten Befunde eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung 80 % von 100.“

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland und beantragte die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen einer Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ wurde nicht beantragt und erging darüber auch keine Entscheidung durch die belangte Behörde.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Gesundheitseinschränkungen:

1.       Sprunggelenksleiden beidseitig, schweren Grades, Pos. Nr. 02.05.34, mit einem Grad der Behinderung von 60%,

2.       Fußdeformität nicht kompensiert, beidseitig, schweren Grades, Pos. Nr. 02.05.37, mit einem Grad der Behinderung von 50%,

3.       Schließmuskellähmung aufgrund Spina bifida aperta, Pos. Nr. 07.04.16, mit einem Grad der Behinderung von 50%,

4.       Entleerungsstörung der Blase schweren Grades, Pos. Nr. 08.01.07, mit einem Grad der Behinderung von 50%,

5.       Spinale Lähmung, Querschnittssyndrom, Pos. Nr. 04.03.01, mit einem Grad der Behinderung von 40%,

6.       Endokrine Störung leichten Grades, Pos. Nr. 09.01.01, mit einem Grad der Behinderung von 10%.

Leiden 1 wird durch die Leiden 2 bis 5 aufgrund gegenseitiger negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um zwei Stufen erhöht. Leiden 6 erhöht aufgrund Geringfügigkeit nicht weiter. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 80%. Es liegt ein Dauerzustand vor.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, in die von der belangten Behörde eingeholten Aktengutachten und in das Gutachten des Dr. G. nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin, in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz und die medizinischen Unterlagen.

Die Feststellungen zur Person und zum Antrag ergeben sich aus dem Veraltungsakt der belangten Behörde und ergibt sich daraus eindeutig, dass die Vornahme einer Zusatzeintragung nicht beantragt wurde. Pkt. 3. am Antragsformular wurde weder angekreuzt, noch ausgefüllt.

Den festgestellten Funktionseinschränkungen wurden letztlich nicht mehr entgegengetreten und ergeben sich diese aus den Gutachten des Dr. G. vom 27.07.2020.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung. Der Sachverständige konnte sich auch durch persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin ein Bild vom aktuellen und ganzheitlichen Gesundheitszustand machen und wurde diesem Gutachten vom erkennenden Senat der Vorzug gegenüber den Aktengutachten gegeben.

Der Sachverständige beschäftigte sich mit jedem einzelnen Leiden ausführlich, gab nachvollziehbare Gründe für seine Einschätzungen an und führt auch schlüssig aus, weshalb er zu differenzierten Einschätzungen kam, als der Sachverständige im Administrativverfahren. Der gravierendste Unterschied ist die Neuaufnahme von Leiden 1 und 2, die durch Vorlage orthopädische Befunde unter die Positionsnummern 02.05.34 und 02.05.37 (beidseitige, schwere Beeinträchtigung) einzuordnen waren. Durch die persönliche Untersuchung konnte Dr. G. die medizinischen Unterlagen mit dem aktuellen Zustand vergleichen und gab er hinsichtlich der Einschätzung unter die vorgesehenen Rahmensätze schlüssig an, dass bei beiden Leiden aufgrund degenerativen Veränderungen am unteren Sprunggelenk mit nahezu Bewegungsunfähigkeit bzw. Deformation der Mittelfußknochen ohne anatomisch richtig durchzuführende Abrollbewegung die oberen Rahmensätze anzuwenden sind.

Eine weitere Korrektur war aus Sicht des Dr. G. auch hinsichtlich Leiden 4 vorzunehmen. Er erklärte seine Einschätzung schlüssig mit den Vorgaben im Handbuch für ärztliche Sachverständige, wonach bei Entleerungsstörung der Blase schweren Grades die Positionsnummer 08.01.07 heranzuziehen ist und das Leiden mit 50% einzuschätzen ist, da es sich bei der Beschwerdeführerin, wie urologisch auch bestätigt, um eine komplette Inkontinenz handelt mit ständig notwendiger Windeleinlage und dementsprechender Diagnose einer Spina bifida aperta.

Die Leiden 3, 5 und 6 erfuhren im Vergleich zum Vorgutachten keine Änderungen und kam der Dr. G. in seinem Gutachten zu denselben Begründungen wie auch schon im Vorgutachten.

Zur Feststellung, dass ein Dauerzustand vorliegt, gelangt das erkennende Gericht ebenso durch die schlüssigen Erklärungen des Sachverständigen Dr. G., wonach die Leiden 3 bis 5 durch die angeborene Spina bifida aperta bedingt sind, die sofort nach der Geburt operativ versorgt werden mussten. Auch bei den neu hinzugekommenen Leiden 1 und 2 ist eine Verbesserung des Zustandes aufgrund Deformation nicht zu erwarten.

Bezüglich des Gesamtgrades der Behinderung führt der Sachverständige aus, dass die Leiden 2 bis 5 in negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung mit Leiden 1 stehen und daher eine Erhöhung um zwei Stufen zu erfolgen hat. Betreffend Leiden 6 wird die Geringfügigkeit als Indikator für keine weitere Erhöhung angegeben.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gutachter auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem eingeholten Gutachten des Dr. G.. Zudem sind die Verfahrensparteien dem letztlich eingeholten Ergänzungsgutachten nicht (mehr) entgegengetreten. Es wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.

Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:

„Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.“

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

„(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

„§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.“

§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:

„Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Dem vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertete Sachverständigengutachten von Dr. G. vom 27.07.2020 folgend, beträgt der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin nunmehr 80%.

Im Vergleich zum Vorgutachten wurden zwei neue Leiden eingeschätzt, die mit jeweils 60% Einzelgrad der Behinderung nunmehr auch die führenden Leiden darstellen. Durch negative wechselseitige Leidensbeeinflussung der bereits im Vorgutachten festgehaltenen Leiden 2 bis 5 erhöht sich der Gesamtgrad der Behinderung um zwei Stufen, sodass folglich ein Gesamtgrad der Behinderung von 80% vorliegt.

Bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist der Gutachter nach den Vorgaben von § 3 Abs 3 der Einschätzungsverordnung ausgegangen, wonach eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, (nur) dann vorliegt, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Einschätzungen mit weniger als 20% sind wegen Geringfügigkeit nicht zu beachten.

Zusammengefasst war der Beschwerde stattzugeben und festzustellen, dass der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80% auszustellen ist. Die bereits gewährte Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ bleibt davon unberührt.

Der Vollständigkeit halber ist betreffend das Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei zu 100% auf ihr Auto angewiesen, anzumerken, dass gegenständlich nicht über die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgesprochen wurde und eine solche, zumindest mit dem im Akt befindlichen Antrag, auch nicht beantragt wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Einschätzung von Gesundheitseinschränkungen und zur Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2232637.1.00

Im RIS seit

05.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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