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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag TirolNorm
AVG §24 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des AW in L, vertreten durch Dr. Philipp Gruber, Rechtsanwalt in Lienz, Rosengasse 13, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. August 1980, Zl. Ve-550-751/1, betreffend Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde I, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. April 1978 untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer, die begonnenen Bauarbeiten weiterzuführen, und drohte den Abbruch des auf der Grundparzelle 371 KG I ohne Baubewilligung errichteten Gebäudes an, falls der Beschwerdeführer nicht binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides um die Erteilung einer Baubewilligung ansuche. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Juli 1979 gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung "aufgefordert", innerhalb eines Monates ab Zustellung dieses Bescheides das auf dem genannten Grundstück ohne Baubewilligung errichtete Gebäude wieder abzutragen. Sollte er dieser Aufforderung innerhalb der gestellten Frist nicht oder nur teilweise nachkommen, würde der Abbruch auf seine Kosten von einer Baufirma durchgeführt werden.
In der Berufung dagegen machte der Beschwerdeführer geltend, daß es sich bei diesem Haus um ein Fertigteilwochenendhaus als Überbau auf dieser Grundparzelle handle, für den nach den damals gültigen Bestimmungen der Tiroler Landesbauordnung keine Baugenehmigung erforderlich gewesen sei; er habe zwar um eine solche eingereicht, doch sei ihm die Auskunft erteilt worden, daß keine weitere Bewilligung erforderlich sei. Das vorbereitete und überreichte Bauansuchen sei ohne weitere bescheidmäßige Erledigung wieder ausgehändigt worden. Der Abbruchauftrag sei aber schon deshalb verfehlt, weil er nach der Tiroler Landesbauordnung nicht vorgesehen gewesen sei. Der Überbau für die 20jährige Dauer des Bestandvertrages sei überdies schon deshalb als genehmigt anzusehen, weil die Gemeinde trotz Kenntnis des Sachverhaltes bis 1978 nie etwas unternommen habe.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Juni 1980 wurde der Berufung keine Folge gegeben, dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der Bürgermeister stets auf die fehlende Bewilligungsfähigkeit des Baues hingewiesen habe, da dieser weitab vom Baugebiet errichtet worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Auch im Jahre 1967 sei, so führte die Behörde zur Begründung aus, nach § 45 der Tiroler Landesbauordnung für das Wochenendhaus eine Bewilligung des Bürgermeisters erforderlich gewesen. Die Tiroler Landesbauordnung habe auch in § 61 einen Abbruchauftrag vorgesehen, überdies habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Recht § 44 der Tiroler Bauordnung angewendet, da der Abbruchauftrag als konstitutiver Rechtsakt nach der jeweiligen Rechtslage zu ergehen habe. Eine konkludente Baubewilligung habe jedoch auch die Tiroler Landesbauordnung nicht gekannt. Der Bau liege auch noch nicht so lange zurück, daß eine Vermutung der Konsensmäßigkeit eingetreten sei. Damit entspreche der auf § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung gestützte Abbruchauftrag dem Gesetz. Der Beschwerdeführer habe auch die Androhung durch Ersatzzustellung an seine Ehefrau ordnungsgemäß zugestellt erhalten; eine eigenhändige Zustellung sei nicht notwendig. Es sei auch nie behauptet worden, daß die Zustellung deshalb unzulässig gewesen wäre, weil der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort vorübergehend verlassen hätte. Da innerhalb der Monatsfrist kein Bauansuchen eingebracht worden sei, habe keine Notwendigkeit bestanden, vor Erlassung des Beseitigungsauftrages eine Entscheidung über das Bauansuchen herbeizuführen. überdies könne während des Laufes dieses Ansuchens ein Beseitigungsauftrag ohnehin nicht vollstreckt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinen Ausführungen in dem Recht verletzt, daß er, da er seinerzeit das Wochenendhaus ohne Baubewilligung erbauen durfte, auch nach der neuen Rechtslage nicht zum Abbruch verpflichtet ist.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
Als "Verletzung des rechtlichen Gehörs" macht der Beschwerdeführer einerseits geltend, daß die Zustellung der Androhung des Abbruches für den Fall, daß nicht innerhalb eines Monates nachträglich um Baubewilligung angesucht werde, nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Dabei stützt er sich einerseits darauf, daß die Androhung zu eigenen Handen zugestellt hätte werden müssen. Zum anderen bringt er nunmehr neu in der Beschwerde vor, daß er sich in der Zeit vom 19. April bis 25. April 1978 auf einer Gastgewerbeexkursion in der Schweiz befunden habe. Auf das letztere Vorbringen kann wegen des sich aus § 41 VwGG 1965 ergebenden Neuerungsverbotes kein Bedacht genommen werden. Schon der erstinstanzliche Bescheid berief sich nämlich auf die vorangegangene Androhung. Im Rahmen der die Partei treffenden Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts oblag es dem Beschwerdeführer, schon im Verwaltungsverfahren das Vorliegen eines Zustellungsmangels (wegen angeblicher Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers) geltend zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe von der Ersatzzustellung des Bescheides vom 19. April 1978 an seine Gattin keine Kenntnis gehabt, keine rechtliche Relevanz zu. Die Behörde ist aber auch zu Recht davon ausgegangen, daß eine eigenhändige Zustellung nicht erforderlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1982, Zlen. 06/3269/80, 06/3270/80). liegt sogar für den Abbruchbescheid selbst, geschweige denn für die bloße Androhung, kein "besonders wichtiger Grund" vor, der nach § 24 Abs. 1 AVG 1950 zur Anordnung der Zustellung zu eigenen Handen verpflichtete.
Die insoweit geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, daß die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich war oder nicht, nach dem Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes - nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Jahre 1967 -, also nach der Tiroler Landesbauordnung vom 15. Oktober 1900, LGBl. Nr. 1/1901, in der damals geltenden Fassung (TLBO) zu beurteilen ist. Gemäß § 45 Abs. 1 TLBO ist zur Führung von Neubauten, Zubauten und Umbauten sowie zur Vornahme wesentlicher Abänderungen an bestehenden Gebäuden die Bewilligung des Bürgermeisters erforderlich. Gemäß § 71 TLBO ist die Bestimmung auch für Bauten auf dem offenen Lande und im Gebirge anzuwenden, doch kann bei geringfügigen Neubauten ohne größere Feuerungsanlagen, weiters bei vereinzelt stehenden Gebäuden, die über 20 m von den Nachbargrenzen entfernt sind, nicht zu Wohnungen oder gewerblichen Zwecken dienen und weder an einer öffentlichen Straße noch an einem Gewässer, noch an einer Eisenbahnlinie liegen, ebenso bei Alphütten die Baubehörde die Vorlegung der vorgeschriebenen Plän und die Bestellung eines Bauführers erlassen.
Daraus ergibt sich eindeutig, daß für die Errichtung von Gebäuden, die Vorschriften über die Baubewilligung voll anzuwenden sind. Warum ein "Fertigteilhäuschen", wie der Beschwerdeführer ohne weitere Begründung ausführt, "sicher" nicht als Neubau im Sinne des § 45 TLBO anzusehen sein sollte, ist für den Gerichtshof nicht erkennbar. Ist doch damit jedenfalls ein Gebäude neu geschaffen worden. Ob das Wochenendhaus aber zivilrechtlich im Eigentum des Grundeigentümers steht oder nach dem vorliegenden Pachtvertrag als Superädifikat im Eigentum des Beschwerdeführers als Pächter verbleiben soll, hat für die Bewilligungsbedürftigkeit des Gebäudes keinerlei Bedeutung.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde das Aufstellen eines Wochenendhauses im Jahre 1967 "ausdrücklich genehmigt oder zumindest stillschweigend zur Kenntnis genommen" hätte. Da dieses dem Sinne nach schon im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen von vornherein an der Rechtslage vorbeiging, haben die Gemeindebehörden weder durch eine mangelnde Prüfung dieser Behauptung entsprechend den Verfahrensvorschriften noch durch die ohne entsprechendes Verfahren vorgenommene Annahme des Gegenteiles den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Die im § 50 Abs. 1 TLBO vorgesehene Pflicht des Bürgermeisters, von seinem Bescheid den Bauwerber "schriftlich unter Rechtsmittelbelehrung" zu verständigen, läßt erkennen, daß schon die Tiroler Landesbauordnung für die Erlassung der Baubewilligung die Schriftform normierte. Im übrigen kann nicht einmal vom Vorliegen eines mündlich verkündeten Bescheides ausgegangen werden, weil es an einer entsprechenden Beurkundung in einer Verhandlungschrift mangelte (vgl. § 62 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit Art. II Z. 26 EGVG 1950); eine Unterlassung dieser Beurkundung hat zur Folge, daß der Bescheid nicht existent wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1955, Slg. Nr. 3617/A). Da der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß eine Niederschrift über den angeblichen mündlichen Bescheid angefertigt worden sei, liegt nach seinem eigenen Vorbringen ein Bescheid über eine Baubewilligung nicht vor. - Welche Auskünfte der Bürgermeister oder andere Organe der mitbeteiligten Gemeinde erteilt haben sollen, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Baues irrelevant.
Schließlich ist es ohne jede Bedeutung, daß der Bürgermeister durch über ein Jahrzehnt - an sich rechtswidrig - gegen den Beschwerdeführer nicht einschritt. Der Beschwerdeführer übersieht, daß auch aus einem langjährige (unbeanstandeten) Gebrauch kein Rechtsanspruch auf weitere Duldung des bauordnungswidrigen Zustandes abgeleitet werden kann, wenn die Konsenswidrigkeit oder Konsenslosigkeit feststeht. Selbst eine Benützungsbewilligung für ein Haus könnte kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder der Baubewilligung nicht entsprechenden Zustandes begründen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1955, Zl. 3425/53, vom 26. April 1961, Zl. 146/60, und vom 27. November 1980, Zl. 165/80). Eine Vermutung in der Richtung, daß das Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt auf Grund einer nach den im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschriften erteilten Baubewilligung errichtet worden sei, kommt hier schon wegen des unbestrittenen Sachverhaltes, wonach die erforderliche Baubewilligung weder schriftlich noch mündlich mit einer entsprechenden Niederschrift erteilt worden ist, nicht in Betracht.
Steht aber fest, daß die Errichtung eines Gebäudes weder im Zeitpunkt der Errichtung noch später ohne Baubewilligung zulässig war, liegt also ein konsensloser Bau vor, dann gelten für den Abbruch des konsenslosen Gebäudes die Vorschriften in jenem Zeitpunkt, in dem die Behörde tätig wurde. Gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung 1978, LGBl. Nr. 43 (TBO), hat die Behörde den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb angemessener Frist anzuordnen, wenn für die Baulichkeit eine Baubewilligung nicht besteht, obwohl sie bewilligungspflichtig wäre und der Eigentümer nicht innerhalb eines Monates ab Zustellung der Androhung des Abbruchauftrages nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung angesucht hat oder wenn für diese bauliche Anlage die Baubewilligung versagt worden ist. Nach den obigen Darlegungen findet daher der Abbruchauftrag im § 44 (Abs. 3 lit. a) TBO seine gesetzliche Deckung. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, es hätte auf jeden Fall die Entscheidung über die Baubewilligung abgewartet werden müssen, geht an dem Umstand vorbei, daß der Gesetzgeber das Zuwarten mit dem Abbruchbescheid von der Einhaltung der einmonatigen Frist abhängig gemacht hat, die unbestritten fruchtlos verstrichen ist.
Schließlich verkennt der Beschwerdeführer offensichtlich das Wesen der "angemessenen" Frist zur Durchführung des Abbruches. Diese Frist muß nämlich lediglich ausreichen, um die erforderlichen Abbruchmaßnahmen veranlassen zu können. Da der Beschwerdeführer stets betont hat, daß es sich um ein Fertigteilhaus handelt, kann der Gerichtshof nicht erkennen, aus welchen Gründen der Abbruch innerhalb Monatsfrist nicht durchzuführen wäre. Wenn aber eine Frist für die gesamte Dauer des Pachtvertrages als "angemessen" vom Beschwerdeführer angesehen wird, würde dies ja bedeuten, daß damit letztlich der rechtswidrige Zustand für die gesamte geplante Dauer geduldet würde; eine derartige Frist würde dem Gesetz klar widersprechen.
Da der Beschwerdeführer sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Soweit nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der, Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981, insbesondere auch deren Art. III.
Wien, am 18. März 1982
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1980003083.X04Im RIS seit
09.03.2021Zuletzt aktualisiert am
09.03.2021