TE Vwgh Erkenntnis 1985/11/13 84/09/0143

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Veröffentlicht am 13.11.1985
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Index

Dienstrecht - Disziplinarrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

BDG 1979 §123
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §94 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirschner, Dr. Griesmacher, Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde des HM in B, vertreten durch Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den Bescheid (das Disziplinarerkenntnis) der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 12. April 1984, Zl. 10/6-DOK/84, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor der Zollwache in einem Öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Auf Grund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 3. Juli 1982 wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges im alkoholisierten Zustand, Geschwindigkeitsüberschreitung und Ehrenkränkung erstattete der Vorstand des Zollamtes Salzburg gegen den Beschwerdeführer die Disziplinaranzeige vom 24. August 1982. Mit Beschluß vom 20. Oktober 1982 sprach die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen aus, daß gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtegesetzes (BDG) 1979 durchgeführt und gemäß § 124 Abs. 1 BDG 1979 die mündliche Verhandlung anberaumt wird. Der Beschwerdeführer werde beschuldigt, seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt zu haben, und zwar habe er anläßlich einer Kontrolle durch eine Funkstreifengruppe der Bundespolizeidirektion Salzburg die Amtshandlung der Polizeiorgane erschwert und diese durch beleidigende Äußerungen in ihrer Ehre gekränkt.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesminister für Finanzen vom 22. November 1982 wurde der Beschwerdeführer im Sinne des oben wiedergegebenen Beschlusses einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldig erkannt; es wurde über ihn die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt. In der Begründung dieses Bescheides ist festgehalten, daß die Bemerkung des Beschwerdeführers "Ihr seid mir schöne Kollegen, ich werde mich dafür revanchieren" den Tatbestand des § 43 Abs. 2 BDG 1979 erfüllt. Dieses Erkenntnis hob die belangte Behörde mit Erkenntnis vom 7. April 1983 wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens gemäß § 105 BDG 1979 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 AVG 1950 auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die Disziplinarkommission erster Instanz.

Nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 23. August 1983, 11. Oktober 1983 und am 7. Dezember 1983 sprach die Disziplinarkommision beim Bundesministerium für Finanzen mit Disziplinarerkenntnis vom 15. Dezember 1983 aus, der Beschwerdeführer sei schuldig, seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 verletzt zu haben, und zwar habe er anläßlich einer Kontrolle durch eine Funkstreifengruppe der Bundespolizeidirektion Salzburg am 3. Juli 1982 zu den Polizeibeamten die Äußerung gemacht "Ihr seid schöne Kollegen, ich werde mich dafür revanchieren". Es wurde über ihn die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt. In der Bescheidbegründung stellte die Disziplinarkommission fest, der Beschwerdeführer sei von einer Funkstreifengruppe der Bundespolizeidirektion Salzburg wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten und überprüft worden. Anläßlich dieser Überprüfung durch zwei Polizisten habe der Beschuldigte im alkoholisierten Zustand die Amtsorgane beleidigt. So habe er zu den Polizisten die im Spruch enthaltene Äußerung gemacht und weiters die Amtsorgane "Ihr Würstel" benannt. Die im Spruch wiedergegebene Bemerkung bedeute, daß der Beschwerdeführer dann, wenn er dienstliche Verfügungen zu treffen habe, gegen die ihm privat gegenüberstehenden Polizeibeamten entsprechende Maßnahmen, ob zu Recht oder zu Unrecht, mag dahingestellt bleiben, setzen wird. Diese Bemerkung sei geeignet, dem Beamten in Ausübung seines Dienstes kein objektives Verhalten zuzugestehen. Bezüglich der Allgemeinheit sei zu sagen, daß eine solche nicht nur dann gegeben sei, wenn eine Ansammlung von Menschen zugegen sei, sondern auch dann, wenn das Verhalten in der Öffentlichkeit gesetzt werde, d.h., wenn der Ort jedermann zugänglich sei und Personen die Möglichkeit haben, zugegen zu sein.

Gegen diesen Bescheid brachten der Disziplinaranwalt wegen nicht angemessener Strafe und der Beschwerdeführer gegen den gesamten Inhalt des Disziplinarerkenntnisses Berufung ein.

Mit dem in nichtöffentlicher Sitzung beschlossenen angefochtenen Disziplinarerkenntnis entschied die belangte Behörde über die beiden Berufungen, indem sie den im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis enthaltenen Schuldspruch sowie den Ausspruch über die Strafe wiederholte. In der Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe anläßlich der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission am 9. November 1982 den ihm angelasteten Ausspruch gegenüber den Polizeibeamten bestritten, habe aber weiters erklärt, sich an seine Äußerung zufolge seiner Alkoholisierung - nach dem Alkotest 1,7 %o - nicht mehr im einzelnen erinnern zu können. Die Äußerung werde aber an sich in der Berufung nicht in Abrede gestellt. Es sei nach den vorliegenden Akten und auf Grund der Zeugenaussagen der vernommenen Angehörigen der Bundespolizeidirektion Salzburg erwiesen, daß der Beschwerdeführer im Zuge der von den beiden Polizeibeamten vorgenommenen Amtshandlung diesen Ausspruch gebraucht habe. Es sei weiters erwiesen, daß die Polizeibeamten anläßlich der Herausnahme der Dienstpistole aus dem Pkw des Beschwerdeführers und auch zufolge eines den Kraftfahrzeugpapieren beiliegenden Erlagscheines erkannt hätten, daß es sich um einen Angehörigen der Zollverwaltung gehandelt habe. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, seine Äußerung sei als unmittelbare Reaktion eines ihm von einem der beiden Polizeibeamten beim Öffnen des Kofferraumdeckels seines Pkw versetzten Stoßes mit der Absicht verwendet worden, eine entsprechende Beschwerde bei der vorgesetzten Polizeidienststelle in Aussicht zu stellen, widerspreche jeder vernünftigen Deutung des Ausspruches. Die gesamte Situation lasse den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer, sofern er dienstliche Verfügungen gegen die beiden Polizeibeamten zu treffen hätte, entsprechende Maßnahmen - ob zu Recht oder zu Unrecht, mag dahingestellt bleiben - ernstlich beabsichtigt habe. Dieses Verhalten sei geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers zu erschüttern. Was die Ausführungen in den Berufungen hinsichtlich eines bei einem Zollamt aufliegenden Zettels, wonach einer der beiden Polizeibeamten im Fall seines Grenzübertrittes besonders genau kontrolliert werden solle, anlange, so sei diese Anschuldigung bereits im Zuge der durchgeführten Zeugeneinvernahmen als nicht eindeutig erweisbar erkannt worden. Zu dem Einwand der eingetretenen Verjährung bezog sich die belangte Behörde auf die der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Disziplinarbehörde in Abschrift übermittelte Anzeige der Polizeidirektion Salzburg vom 3. Juli 1982, zu der der Beschwerdeführer die Stellungnahme vom 29. Juli 1982 abgegeben habe. In dieser Stellungnahme habe der Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt, einige Ausdrücke gebraucht zu haben, die seinem dienstlichen Stande nicht entsprächen, im einzelnen, so habe der Beschwerdeführer angegeben, könne er sich aber nicht mehr erinnern. Weiters bezog sich die belangte Behörde auf den Beschluß der Disziplinarkommission vom 20. Oktober 1982, auf dessen Grundlage die dem Beschwerdeführer nunmehr zur Last gelegte Äußerung u.a. Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 9. November 1982 und auch Gegenstand der Begründung des Disziplinarerkenntnisses vom 22. November 1982 gewesen sei. Die Äußerung sei somit stets Gegenstand der im Disziplinarverfahren zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung gewesen. Da die Einleitung des Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis der bereits zu Beginn des Verfahrens zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung erfolgt sei, sei der Einwand der Verjährung nicht gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der über den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg verhängten Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 7.000,-- für die von ihm im alkoholisiertem Zustand begangenen Verkehrsdelikte erscheine für den noch verbleibenden disziplinären Überhang die Disziplinarstrafe des Verweises als durchaus angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur geltend gemachten Verjährung:

Gemäß § 94 Abs. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.

Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer mit dem von der Disziplinarkommission unter einem gefaßten Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß gemäß § 123 Abs. 1 und § 124 Abs. 1 BDG 1979 vom 20. Oktober 1982 beschuldigt, seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 dadurch verletzt zu haben, daß er anläßlich einer Kontrolle durch eine Funkstreifengruppe der Bundespolizeidirektion Salzburg die Amtshandlung der Polizeiorgane erschwert und diese durch beleidigende Äußerungen in ihrer Ehre gekränkt habe. In der Begründung dieses Beschlusses wurde auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion Salzburg hingewiesen.

Mit dem Disziplinarerkenntnis vom 22. November 1982 wurde der Beschwerdeführer im Sinne dieser Anschuldigungspunkte gemäß § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 91 BDG 1979 schuldig gesprochen. In der Begründung dieses Bescheides hat die Disziplinarkommission ausgeführt, daß "der Beschuldigte in alkoholisiertem Zustand die Amtsorgane beleidigt" hat, so habe er u.a. gesagt "Ihr seid mir schöne Kollegen, ich werde mich dafür revanchieren!" weiters, so heißt es in der Begründung, habe der Beschwerdeführer die beiden Polizisten "Ihr Würstel" benannt. Dadurch hätten sich die Beamten in ihrer Ehre gekränkt gefühlt.

In dem Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß vom 20. Oktober 1982 sind die "beleidigenden Äußerungen" im einzelnen nicht angeführt, jedoch ergibt sich aus der in der Begründung des Beschlusses angeführten Anzeige der Bundespolizeidirektion Salzburg, daß nach dem Inhalt dieser Anzeige der Beschwerdeführer neben anderen Äußerungen auch die ihm nunmehr im angefochtenen Bescheid zur Last gelegte Äußerung gemacht hat. Daß diese Äußerung, wie die Beschwerde hervorhebt keineswegs eine beleidigende Äußerung, durch die die einschreitenden Polizeibeamten sich in ihrer Ehre gekränkt erachten konnten, darstellt, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unerheblich. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist darin gelegen, dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird (vgl. dazu auch Schwabl-Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Anmerkung 4 zu § 123). Die abschließende rechtliche Beurteilung des dem Beamten zur Last gelegten Verhaltens ist im Einleitungsbeschluß nicht erforderlich.

Im übrigen ergibt sich aus dem - in der Folge im Instanzenzug aufgehobenen - Disziplinarerkenntnis vom 22. November 1982 mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, daß die Disziplinarkommission auch die nunmehr allein angelastete Äußerung als eine Beleidigung der Polizeibeamten gewertet hat. Diese Auffassung liegt offenkundig auch schon dem Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß zugrunde.

2. Zur geltend gemachten unrichtigen Auslegung des § 43 Abs. 2 BDG 1979:

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Der Beschwerdeführer hat die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Äußerung "Ihr seid schöne Kollegen, ich werde mich dafür revanchieren" im Verlaufe einer gegen ihn gerichteten Amtshandlung gemacht. Diese Äußerung ist ihrem objektiven Inhalt nach geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beschwerdeführer in Frage zu stellen. Entgegen der in der Beschwerde vorgebrachten Auffassung sind nicht nur "besonders krasse Fälle" eines außerdienstlichen Verhaltens dieser Bestimmung zu unterstellen. Wenn die Beschwerde als Tatbestandsmerkmal des § 43 Abs. 2 BDG 1979 die Öffentlichkeit annimmt und ausführt, die Äußerung des Beschwerdeführers habe außer den beiden Polizeibeamten, die der Verschwiegenheitspflicht unterlägen, niemand zur Kenntnis bekommen, so sind auch diese Ausführungen nicht geeignet, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides mit Erfolg darzutun. Nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 ist das Vertrauen der Allgemeinheit, nicht aber die öffentliche Begehung der Tat maßgebend. Soweit die Beschwerde schließlich geltend macht, in der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äußerung sei weder eine Erschwernis der Amtshandlung noch eine Ehrenbeleidigung zu erblicken, sondern die Androhung eine unsachlichen Dienstausübung, so hat die belangte Behörde weder eine derartige Erschwerung angenommen noch auch die Äußerung als Ehrenbeleidigung gewertet, weshalb dieses Beschwerdevorbringen nicht zielführend ist. Die von der Beschwerde selbst eingeräumte Androhung einer unsachlichen Dienstausübung bedeutet aber, daß der Beschwerdeführer bei dieser Äußerung nicht darauf Bedacht genommen hat, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 im Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am 13. November 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1984090143.X00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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