TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/14 97/07/0032

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Veröffentlicht am 14.05.1997
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Index

L37133 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe Sondermüllabgabe
Müllabfuhrabgabe Niederösterreich;
L82403 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AWG NÖ 1992 §11 Abs6;
AWG NÖ 1992 §11 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der H in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. September 1996, Zl. II/1-BE-626-68/1-96, betreffend Vorschreibung von Mülltonnen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Aufgaben des Umweltschutzes im Bezirk Gänserndorf (Gemeindeverband) vom 13. Dezember 1995 wurde die Anzahl der Müllbehälter für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin mit einer Restmülltonne zu 120 l und einer Altpapiertonne zu 240 l festgesetzt, wobei für die Abfuhr der Restmülltonne 13 Abfuhren pro Jahr und für jene der Altpapiertonne 6 Abfuhren pro Jahr festgelegt wurden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte vor, eine 240 l Altpapiertonne und eine 120 l Restmülltonne würden nicht benötigt. Es werde um Entfernung dieser Tonnen vor dem Hauseingang sowie um eine Ausnahme des Objektes von der Anschlußpflicht ersucht. Es werde sehr umweltbewußt eingekauft und alle Abfälle würden dem Händler zurückgebracht. Es verbleibe so wenig Restmüll, daß eine 120 l Tonne nicht einmal in fünf Jahren befüllt werden könne. Das Haus in R werde nur fallweise zum Schlafen benutzt. Auch die Wochenenden würden meistens in Wien verbracht, weil dort der Weingarten zu bearbeiten sei. Was die Papiertonne betreffe, so würden keine Zeitungen bezogen und deshalb habe man für diese Tonne keine Verwendung. Wenn einmal eine Zeitung gekauft werden sollte, dann würde sie sicher nicht von Wien nach R gebracht, um sie dort zu entsorgen. Prospekte sollte man nicht bekommen, da beim Postkasten ein entsprechender Aufkleber angebracht worden sei. Kompostierbare Abfälle würden seit eh und je einer entsprechenden Verarbeitung unterzogen.

Mit Bescheid vom 7. März 1996 wies der Verbandsvorstand des Gemeindeverbandes die Berufung als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof

angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. September 1996 wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung heißt es nach Zitierung der §§ 9 Abs. 1 und 2, 12 sowie 11 Abs. 6 und 7 des Niederösterreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1992, LGBl. 8240-0 (NÖ AWG 1992), aus den zitierten Bestimmungen ergebe sich, daß die Grundstückseigentümer (Nutzungsberechtigten) verpflichtet seien, Abfälle - mit Ausnahme kompostierbarer Abfälle - nur durch Einrichtungen der Gemeinde bzw. des Gemeindeverbandes erfassen und behandeln zu lassen. Ausgenommen von dieser Pflicht könnten nur Grundstücke werden, von denen auf Grund ihrer Lage oder der Art ihrer Verkehrserschließung, nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten (§ 9 Abs. 2 NÖ AWG 1992) Abfall abgeführt werden könne und auf denen sich keine Wohngebäude befänden (§ 11 Abs. 7 leg. cit.).

Beide Ausnahmetatbestände lägen im gegenständlichen Fall nicht vor. Einerseits würden durch die Müllabfuhr hinsichtlich des gegenständlichen Grundstückes keine unverhältnismäßig hohen Kosten hervorgerufen, andererseits sei unbestritten, daß sich auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin ein Wohngebäude befinde. Der Beschwerdeführerin sei die Verwendung der kleinstmöglichen Mülltonnen vorgeschrieben worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 26. November 1996, B 3374/96-3, ihre Behandlung ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung bringt die Beschwerdeführerin vor, auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse stehe nicht fest, ob ihre Liegenschaft zum Pflichtbereich im Sinne des § 3 Z. 9 NÖ AWG 1992 gehöre. Tatsächlich sei dies nicht der Fall.

Im Verwaltungsverfahren sei völlig unberücksichtigt geblieben, daß die Beschwerdeführerin bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Gewährung einer Ausnahme von der Anschlußpflicht beantragt habe. Da ein Ermittlungsverfahren zu diesem Antrag noch nicht stattgefunden habe, hätte die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz der Berufung gegen den Bescheid der Erstinstanz Folge geben und die Angelegenheit an diese Behörde zurückverweisen müssen. Dies insbesondere deshalb, weil auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu entsorgender Abfall gewöhnlich nicht anfalle.

§ 9 NÖ AWG 1992 normiere, daß der Pflichtbereich alle Grundstücke zu umfassen habe, auf denen gewöhnlich Abfall anfallen könne. Dazu führe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich aus, daß eine Ausnahme von der Anschlußpflicht nicht gegeben sei, da die Abfallentsorgung nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei und sich auf dem Grundstück ein Wohngebäude befinde. Diese gesetzliche Regelung bzw. deren Interpretation durch die belangte Behörde sei jedoch verfassungswidrig, da sie gegen Art. 7 B-VG verstoße. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Umstand der Existenz eines Hauses auf einem Grundstück automatisch zu einer Verpflichtung zur Müllabfuhr führen solle, ohne daß die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere der tatsächliche Müllanfall, festgestellt würden. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. August 1995, 94/05/0024, zu verweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 3 Z. 9 NÖ AWG 1992 ist Pflichtbereich jener Bereich einer Gemeinde, für den eine Abfallerfassung eingerichtet ist.

Nach § 9 Abs. 2 leg. cit. hat der Pflichtbereich einer Gemeinde alle Grundstücke zu umfassen, auf denen gewöhnlich Abfall anfallen kann, z.B. Grundstücke mit der Widmung Bauland, Grünland-Landwirtschaft, -Forstwirtschaft, im Grünland erhaltenswerte Bauten, -Gärtnerei oder -Kleingärten. Der Gemeinderat kann jedoch im Rahmen der Abfallwirtschaftsverordnung Grundstücke, von denen auf Grund ihrer Lage oder der Art ihrer Verkehrserschließung der Abfall nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten abgeführt werden kann, vom Pflichtbereich ausnehmen.

Nach § 28 Abs. 1 NÖ AWG 1992 hat der Gemeinderat eine Abfallwirtschaftsverordnung zu erlassen, in der u.a. der Pflichtbereich zu regeln ist.

Die Kompetenz zur Erlassung der Abfallwirtschaftsverordnung ist auf die zuständigen Organe des Gemeindeverbandes übergegangen (§ 3 des Niederösterreichischen Gemeindeverbandsgesetzes, LGBl. Nr. 1600-3 in Verbindung mit § 82 der ersten Niederösterreichischen Gemeindeverbändeverordnung).

Nach § 6 Abs. 2 der Abfallwirtschaftsverordnung des Gemeindeverbandes vom 25. März 1996 umfaßt der Pflichtbereich u. a. das gesamte Gemeindegebiet der Gemeinde R. Die Liegenschaft der Beschwerdeführerin befindet sich in dieser Gemeinde. Diese Liegenschaft ist daher vom Pflichtbereich erfaßt.

Nach § 9 Abs. 1 NÖ AWG 1992 sind im Pflichtbereich die Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten verpflichtet, Abfälle nur durch Einrichtungen der Gemeinde oder deren sich die Gemeinde bedient, erfassen und behandeln zu lassen. Dies gilt nicht für kompostierbare Abfälle, wenn sie einer fachgemäßen Kompostierung im örtlichen Nahebereich zugeführt werden, für betriebliche Abfälle sowie für Abfälle, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften erfaßt und behandelt werden.

Nach § 11 Abs. 3 NÖ AWG 1992 kann Müll nach dem Hol- oder Bringsystem erfaßt werden, wobei das Bringsystem nur für jene Abfallarten vorgesehen werden darf, die einer Verwertung zugeführt werden. Die bereitgestellten Müllbehälter sind zu verwenden.

Nach § 11 Abs. 6 leg. cit. ist die Anzahl und die Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach dem Holsystem mit Bescheid so festzusetzen, daß in den beigestellten Müllbehältern der zu erfassende (§ 9) und erfahrungsgemäß anfallende Müll innerhalb des Abfuhrzeitraumes nach dem Stand der Technik erfaßt werden kann. Bei Verwendung von Säcken ist die Anzahl der jährlich vorzusehenden Säcke in den Bescheid aufzunehmen.

Nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 sind von der Pflicht zur Verwendung der Müllbehälter (Abs. 3) Eigentümer bzw. Nutzungsberechtige jener Grundstücke, auf denen sich keine Wohngebäude befinden auszunehmen, wenn sie eine den Zielen und Grundsätzen des § 1 entsprechende Erfassung und Behandlung ihres Mülls nachweisen können. Die Ausnahmebewilligung ist von der Gemeinde über schriftliches Ansuchen mit Bescheid zu erteilen und hat die erforderlichen Auflagen oder Bedingungen zu enthalten.

Zwischen § 11 Abs. 6 und 7 NÖ AWG 1992 besteht zwar ein enger sachlicher Zusammenhang insofern, als bei Vorliegen einer Ausnahmebewilligung die Festsetzung von Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter zu unterbleiben hat. Solange aber eine Ausnahmebewilligung nach Abs. 7 nicht vorliegt, ist ein Bescheid nach Abs. 6 zu erlassen, wobei Thema des zur Erlassung dieses Bescheides führenden Verfahrens nicht die Frage ist, ob eine Ausnahmebewilligung nach Abs. 7 in Betracht kommt, sondern lediglich wie viele Müllbehälter aufzustellen sind und welche Größe sie aufzuweisen haben. Die Abs. 6 und 7 des § 11 NÖ AWG 1992 sind nicht in der Weise miteinander verbunden, daß die zur Durchführung des Verfahrens nach Abs. 6 berufene Behörde auch von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Verwendung von Müllbehältern gegeben sind und daß eine Entscheidung nach Abs. 6 auch eine Entscheidung nach Abs. 7 umfaßt. Vielmehr handelt es sich bei den in den Abs. 6 und 7 des § 11 NÖ AWG 1992 vorgezeichneten Verfahren um zwei selbständige Verfahren, von denen eines, nämlich das nach Abs. 6, von Amts wegen, das andere aber nur auf Antrag einzuleiten ist. Das Vorliegen eines Bescheides über Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter steht einer nachfolgenden Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 nicht entgegen. Die zur Entscheidung über eine Berufung gegen einen nach § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992 erlassenen Bescheid zuständige Behörde ist nicht zuständig, über einen erstmals in der Berufung gestellten Ausnahmebewilligungsantrag nach § 11 Abs. 7 zu entscheiden.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich entscheidende Konsequenzen für die vorliegende Beschwerde:

Im Spruch des Bescheides des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes vom 13. Dezember 1995 wurde ausschließlich über Anzahl und Größe der auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin aufzustellenden Müllbehälter abgesprochen. Mit dem Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes vom 7. März 1996, dessen Prüfung Gegenstand des angefochtenen Bescheides war, wurde der erstinstanzliche Bescheid unverändert bestätigt. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war somit ausschließlich eine Entscheidung über Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter nach § 11 Abs. 6 NÖ AWG 1992. Schon deshalb ist aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0024, im Beschwerdefall für sie nichts zu gewinnen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß in der Begründung der im Verwaltungsverfahren ergangenen Bescheide eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nach § 11 Abs. 7 NÖ AWG 1992 vorgenommen wird, da sich die Sache eines Verwaltungsverfahrens nach dem Spruch und nicht nach der - der Rechtskraft nicht fähigen - Begründung richtet.

Im Verfahren zur Festsetzung von Anzahl und Größe der aufzustellenden Müllbehälter ist - so lange eine Ausnahmebewilligung nicht vorliegt - nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung vorliegen. Alle Einwendungen der Beschwerdeführerin, die sich auf dieses letztgenannte Thema beziehen, gehen daher ins Leere. Die Beschwerdeführerin irrt daher auch, wenn sie meint, der Verbandsvorstand hätte auf Grund des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid auch einen Antrag auf eine Ausnahmebewilligung eingebracht habe, den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und die Angelegenheit an die Erstbehörde zurückverweisen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 9 NÖ AWG 1992, weshalb er sich auch nicht veranlaßt sieht, der Anregung der Beschwerdeführerin zu folgen, und einen Normenkontrollantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997070032.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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