TE Vwgh Beschluss 2021/1/15 Ra 2020/20/0131

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Veröffentlicht am 15.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/20/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der R K und 2. des M K, beide in W, beide vertreten durch Mag. Markus Bulgarini, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 6. März 2020, 1. W169 2142495-1/14E und 2. W169 2142492-1/13E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des (im Jahr 1999 geborenen) Zweitrevisionswerbers. Beide sind Staatsangehörige Afghanistans.

2        Am 8. Oktober 2014 stellte der Zweitrevisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz und führte zu seinen Fluchtgründen aus, dass seine Mutter bei der afghanischen Nationalarmee gedient und sein Vater als Ingenieur bei den US-Truppen gearbeitet habe. Die Taliban hätten seine Familie immer wieder bedroht und seinen Bruder entführt und getötet.

3        Die Erstrevisionswerberin stellte am 6. April 2016 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz und führte dazu aus, sie sei geflüchtet, nachdem einer ihrer Söhne von Erpressern getötet worden wäre. Zudem sei sie aufgrund ihrer Tätigkeit bei der afghanischen Nationalarmee bedroht worden.

4        Mit den Bescheiden vom 14. November 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten ab, erkannte ihnen jedoch den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

5        Die gegen die jeweilige Abweisung des Antrags betreffend das Begehren auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den angefochtenen Erkenntnissen nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach jeweils aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach es nicht darauf ankomme, ob in der Vergangenheit Verfolgungshandlungen stattgefunden hätten, sondern ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Hinweise auf VwGH 3.5.2016, Ra 2015/18/0212, und 18.5.2020, Ra 2019/18/0503). Das BVwG habe es - in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Indizwirkung“ von Richtlinien des UNHCR - verabsäumt, sich im Hinblick darauf, dass die Erstrevisionswerberin bei der afghanischen Nationalarmee tätig gewesen sei, mit den in den Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender enthaltenen Ausführungen zum entsprechenden Risikoprofil auseinanderzusetzen (Hinweis auf VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).

10       Den Revisionen ist entgegenzuhalten, dass das BVwG Feststellungen zu den betreffenden Risikoprofilen getroffen, dabei die genannten Richtlinien zugrunde gelegt hat und in seiner Beweiswürdigung in vertretbarer Weise davon ausgegangen ist, dass die behaupteten Drohanrufe unglaubwürdig seien. Das BVwG hat zwar die frühere Tätigkeit der Erstrevisionswerberin für die afghanische Nationalarmee festgestellt, ist jedoch zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die revisionswerbenden Parteien nicht glaubhaft dargelegt hätten, „dass sie im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wären“.

11       Eine Abweichung von der zitierten Rechtsprechung zeigt die Zulässigkeitsbegründung vor diesem Hintergrund nicht auf. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/18/0321, mwN), was vorliegend nicht zu sehen ist.

12       In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 15. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200131.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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