TE Vwgh Beschluss 2021/1/18 Ra 2020/20/0425

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Veröffentlicht am 18.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision der F M in G, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2020, I405 2121550-2/31E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Sierra Leone, stellte am 28. August 2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Mit Erkenntnis vom 17. Februar 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag - im Beschwerdeverfahren - ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Am 16. Mai 2018 stellte die Revisionswerberin den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

4        Mit Bescheid vom 18. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurück, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot, sprach aus, dass ihre Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2018 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin abgewiesen.

6        Infolge der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision der Revisionswerberin wurde die zuletzt genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Jänner 2020, Ra 2019/18/0026, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

7        Im fortgesetzten Verfahren wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2018 mit dem angefochtenen Erkenntnis erneut ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 21. September 2020, E 2514/2020-8, die Behandlung derselben ablehnte und diese mit Beschluss vom 27. Oktober 2020, E 2514/2020-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit den von der Revisionswerberin vorgelegten „Originaldokumenten“, nämlich insbesondere einem gerichtlichen und anwaltlichen Schreiben sowie einem Haftbefehl, nicht auf Basis schlüssiger Überlegungen auseinandergesetzt. Das Verwaltungsgericht habe den Folgeantrag der Revisionswerberin aufgrund einer unzulässigen, antizipierenden Beweiswürdigung sowie unter Verletzung von Begründungs- und Ermittlungspflichten zurückgewiesen. Im Übrigen wendet sich die Revision gegen die im vorliegenden Verfahren erfolgte Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt eines Einreiseverbotes; im Besonderen gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2020/20/0277, mwN).

14       Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 26.4.2019, Ra 2019/20/0174, mwN).

15       Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.7.2020, Ra 2019/20/0301, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, zeigt die Revision nicht auf. Das Bundesverwaltungsgericht, das dem Vorbringen keinen Glauben geschenkt hat, setzte sich im angefochtenen Erkenntnis mit den von der Revisionswerberin vorgelegten Beweismitteln in nachvollziehbarer Weise inhaltlich auseinander.

16       Insoweit die Revisionswerberin geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe unzureichende Feststellungen zur Lage in Sierra Leone betreffend die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie getroffen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach ist bei der Behauptung von Verfahrensmängeln - wie hier von Ermittlungs- und Begründungsmängeln - als Zulassungsgründe schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel darzutun, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/20/0359, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen zu pandemiebedingten, sozioökonomischen Schwierigkeiten in Sierra Leone nicht gerecht (im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie siehe etwa VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0241).

17       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist - nicht revisibel (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/20/0056, mwN). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose sowie für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0184, mwN). Dass die Beurteilung der entscheidungsmaßgeblichen Aspekte durch das Bundesverwaltungsgericht gemessen am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs zu beanstanden wäre, vermag die Revision nicht darzutun (zur Erlassung eines Einreiseverbots infolge Missachtung eines im Zuge eines negativ beendeten Asylverfahrens erlassenen, rechtskräftigen Ausreisebefehls vgl. z.B. VwGH 5.12.2018, Ra 2018/20/0390; 24.5.2018, Ra 2018/19/0125).

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200425.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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