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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. November 1996, Zl. Wa-202503/27/Lab/Hau, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Grundanrainer des Perwenderbaches führten bei der Wasserrechtsbehörde Beschwerde darüber, daß die Beschwerdeführerin eine Erhöhung des Ufers dieses Baches durchgeführt habe, wodurch die Hochwasserabflußverhältnisse nachteilig beeinflußt würden.
Mit Bescheid vom 16. Jänner 1995 trug die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 138 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 38 und 98 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) auf, die im westlichsten Bereich des Grundstückes Nr. 3208 der KG N getätigten Anschüttungen im Uferbereich des Perwenderbaches in einer Länge von ca. 20 m bis längstens 28. Februar 1995 zur Gänze zu entfernen (Spruchabschnitt A).
Weiters wurde der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 138 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 38 und 98 WRG 1959 aufgetragen, bis längstens 28. Februar 1995 für die weiteren, auf dem Grundstück Nr. 3208 der KG N getätigten Aufschüttungen im Uferbereich des Perwenderbaches unter Vorlage entsprechender Projektsunterlagen um wasserrechtliche Bewilligung anzusuchen oder bis zu diesem Zeitpunkt die Anschüttungen zu entfernen.
In der Begründung heißt es, von den Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und Hydrologie sei am 3. Mai 1994 bzw. am 7. Juli 1994 ein Lokalaugenschein durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, daß der rechtsufrige Damm des Perwenderbaches auf dem Grundstück Nr. 3208 der KG N von der Grundeigentümerin auf einer Länge von rund 200 m um durchschnittlich 30 cm erhöht worden sei. Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik habe sich durch diese Anschüttung die Hochwassersituation deutlich zum Nachteil der gegenüberliegenden Grundstücke verändert. Vor der Anschüttung seien die Ufer annähernd gleich hoch gewesen; nunmehr sei das rechte Ufer durchwegs um 25 bis 30 cm höher. Diese Veränderung führe zu einer vermehrten Überflutung des Ostteiles des Grundstückes Nr. 3206 sowie der Grundstücke Nr. 3202/1 und 3203/2.
Nach dem Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie weise etwa im Bereich des oberen Beginnes der Aufschüttung der Perwenderbach insofern eine Engstelle auf, als dort durch linksufrige Betoneinbauten (Fischkalter) und eine im Hochwasserfall eintauchende Feldwegbrücke eine Abflußdrossel vorhanden sei. Dies bedeute, daß bei entsprechend großem Hochwasserzufluß von oben her der Perwenderbach vorzugsweise unmittelbar aufwärts der Feldwegbrücke ausufern werde. Für die rechtsufrig austretenden Hochwassermengen stelle dabei lediglich der westlichste Bereich der getätigten Anschüttung in einer Länge von ca. 20 m ein Abflußhindernis dar. Bei Entfernung dieses Dammabschnittes und allenfalls geringfügigen Geländekorrekturen an der rechten Uferkrone des Perwenderbaches unmittelbar aufwärts der Feldwegbrücke stelle der verbleibende geschüttete Damm auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin kein wesentliches Abflußhindernis dar und es seien keine spürbaren negativen Auswirkungen auf die linksufrigen Grundstücke zu befürchten. Nach Entfernung des westlichen Dammabschnittes in einer Länge von ca. 20 m sei die weitere getätigte Aufschüttung grundsätzlich bewilligungsfähig.
Die Beschwerdeführerin berief, wobei sie u.a. ausdrücklich bestritt, Anschüttungen der im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Art durchgeführt zu haben.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. November 1996 wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie die erteilten wasserpolizeilichen Aufträge präzisierte.
In der Begründung heißt es, die belangte Behörde sehe es auf Grund der widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und im wesentlichen übereinstimmenden Gutachten der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und Hydrographie als erwiesen an, daß auf dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstück Nr. 3208 der KG N im rechtsufrigen Bereich des Perwenderbaches Anschüttungen in einer Länge von 200 m vorgenommen worden seien, die sich zum Teil nachteilig auf die gegenüberliegenden Grundstücke auswirkten. Ob die Beschwerdeführerin selbst die Anschüttung vorgenommen habe, sei im Sinne des § 138 WRG 1959 irrelevant, da als Verpflichtete nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 auch der Liegenschaftsberechtigte für das Verhalten seiner Gehilfen hafte bzw. dem Berechtigten die Gestattung oder Duldung der Benutzung von Liegenschaften durch Dritte zuzurechnen sei und schließlich der Liegenschaftsberechtigte sich auch jene Neuerungen zurechnen lassen müsse, die er "aufrechterhält".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe lediglich eine Verdichtung des bestehenden Dammes - in Absprache mit den zuständigen Behörden - durchgeführt, nicht aber die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildenden Aufschüttungen und Erhöhungen des Ufers.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 hat in allen nicht unter Abs. 1 fallenden Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.
Adressat wasserpolizeilicher Aufträge nach § 138 Abs. 1 und 2 WRG 1959 ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, also derjenige, der eigenmächtig eine Neuerung vorgenommen hat. Von dieser Regel macht § 138 Abs. 4 leg. cit. eine Ausnahme. Nach dieser Bestimmung kann, wenn das öffentliche Interesse die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, das Nachholen unterlassener Arbeiten oder die Sicherung von Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen verlangt und der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht dazu verhalten oder zum Kostenersatz herangezogen werden kann, an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er die eigenmächtige Neuerung, das Unterlassen der Arbeit oder die Bodenverunreinigung ausdrücklich gestattet hat oder wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat.
Der Eigentümer einer Liegenschaft kann daher nach § 138 WRG 1959 in zweifacher Hinsicht Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages sein. Ist er derjenige, der die eigenmächtige Neuerung selbst "vorgenommen" hat, dann findet auf ihn § 138 Abs. 1 (oder 2) WRG 1959 Anwendung, und zwar ohne die Einschränkungen des Abs. 4. Wurden hingegen die eigenmächtigen Neuerungen nicht von ihm vorgenommen, dann kann er nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 in Anspruch genommen werden. Der Ausdruck "Vornahme von Neuerungen" umfaßt nicht nur die unmittelbar der Herstellung einer solchen Neuerung dienenden Maßnahmen, wie etwa Arbeiten an einer Anlage udgl., sondern auch alle jene Akte, die erforderlich sind, um die Neuerung zu realisieren. Der Liegenschaftseigentümer kann daher auch dann Adressat eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 (oder 2) WRG 1959 sein, wenn die Neuerung auf seinen Auftrag zurückgeht oder auf die Tätigkeit von Personen, deren Verhalten ihm zuzurechnen ist, wie z.B. Gehilfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, 93/07/0154).
Die belangte Behörde erwähnt zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Tätigkeit von Gehilfen; dem angefochtenen Bescheid ist aber nicht zu entnehmen, daß die in Rede stehenden Aufschüttungen von Personen durchgeführt worden seien, deren Verhalten der Beschwerdeführerin zuzurechnen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines konsenslos bestehenden Zustandes eine Übertretung von Bestimmungen des WRG 1959 im Sinne des § 138 leg. cit. dar. Hiebei ist aber zu beachten, daß die WRG-Novelle 1990 dadurch, daß sie im § 138 Abs. 4 bestimmte Verhaltensweisen als Grundlage für eine lediglich subsidiäre Haftung des Grundeigentümers statuiert hat, eine Einschränkung des Spektrums jener Verhaltensweisen, die zu einer Heranziehung als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) WRG 1959 berechtigen, bewirkt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 93/07/0171). § 138 Abs. 4 WRG 1959 schließt zwar nicht aus, daß der Grundeigentümer primär als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) leg. cit. herangezogen wird; wohl aber ist aus § 138 Abs. 4 WRG 1959 zu folgern, daß der Grundeigentümer nicht (allein) wegen der in dieser Bestimmung genannten Verhaltensweisen (auch) als Primärverantwortlicher herangezogen werden kann. Für eine Heranziehung als Verursacher im Sinne des § 138 Abs. 1 (oder 2) WRG 1959 müssen daher andere oder zusätzliche Faktoren vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/07/0162). Welche über die im § 138 Abs. 4 WRG 1959 hinausgehenden Umstände eine Zurechnung der von der belangten Behörde angenommenen eigenmächtigen Neuerung an die Beschwerdeführerin rechtfertigen könnten, zeigt die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auf.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß es im angefochtenen Bescheid an Feststellungen mangelt, die eine Zurechnung der in Rede stehenden eigenmächtigen Neuerung zur Beschwerdeführerin als Verursacherin ermöglichten.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997070027.X00Im RIS seit
12.02.2002