TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/15 95/20/0770

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Veröffentlicht am 15.05.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl.4.337.561/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 25. Jänner 1992 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. Jänner 1992 durch einen Rechtsanwalt den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. In diesem schriftlichen Antrag brachte er u.a. vor:

Er sei in Atkafasi geboren und habe bis zuletzt auch dort

gewohnt;

er sei ledig und habe keine Kinder;

er sei als Mitfahrer in einem Lkw in das Bundesgebiet

eingereist;

er habe sich zwar um einen Reisepaß beworben, dieser sei ihm jedoch nicht ausgestellt worden, weil er Kurde sei;

er sei stolz darauf, Kurde zu sein, werde jedoch aufgrund seiner Nationalität und seiner politischen Gesinnung, insbesondere jedoch wegen seiner Sprache in seinem Heimatland verfolgt;

in seinem Heimatort habe er ein Kaffeehaus betrieben, doch habe es offensichtlich den Behörden Spaß gemacht, ihn zu terrorisieren;

in seinem Kaffeehaus sei ein Bild von "Atta Türk" gehangen, jedoch sei durch einen unvorsichtigen Gast das Rahmenglas gesprungen, man habe ihn daher stundenlang verhört, geschlagen und ihm die Weisung erteilt, er müsse sich von nun an täglich in K bei der Behörde melden, dies sei großteils auch möglich gewesen, jedoch sei es auch vorgekommen, daß er - aus welchen Gründen immer - nicht nach K habe kommen können;

das Kaffeehaus habe man ihm bereits abgenommen.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten am 23. März 1992 gab der Beschwerdeführer u.a. folgendes an:

Seine letzte Wohnadresse im Heimatstaat sei Yesilyurt, K gewesen. Ende August 1991 sei er nach Ankara geflohen und habe sich dort eine Wohnung gemietet;

eine Woche später seien seine Gattin und seine drei Kinder ihm nach Ankara gefolgt;

er sei mit einem Pkw in das Bundesgebiet eingereist;

er sei Landwirt gewesen und habe auch aus dieser Landwirtschaft sein Einkommen bezogen;

er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe in der Türkei und seit 1980 aktives Mitglied der verbotenen "Arbeiterpartei Kurdistans PKK".

Zwischen 1984 und 1987 habe er sich als politischer Flüchtling in der Schweiz aufgehalten, 1987 habe er freiwillig die Schweiz verlassen und sei in den Iran gereist, wo er sich zwischen 1987 und 1988 drei Monate lang aufgehalten habe; er habe sich militärisch für die PKK ausbilden lassen wollen. 1988 sei er in die Türkei zurückgekehrt und habe sich bis zu seiner Ausreise nach Österreich mit Ausnahme von drei Monaten im Jahre 1989 dort aufgehalten; 1989 sei er wieder zur Ausbildung im Iran gewesen. Im August 1991 sei er zweimal wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft zur PKK festgenommen und auf der Polizeistation in K mit Elektroschocks, mit kaltem Wasser und mit einer starken Lichtquelle gefoltert worden; außerdem legte der Beschwerdeführer im Zuge dieser Einvernahme seinen am 7. August 1990 ausgestellten Reisepaß sowie seinen am 6. August 1990 ausgestellten Personalausweis vor.

Am 25. Mai 1992 legte der Beschwerdeführer einen mit 23. März 1992 datierten Haftbefehl der Staatsanwaltschaft K in Kopie vor, dem zufolge der Beschwerdeführer wegen Propaganda gesucht werde. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten forderte den Beschwerdeführer daraufhin auf, das Original des Haftbefehles vorzulegen. Auf der in den Verwaltungsakten erliegenden Ausfertigung dieser Aufforderung findet sich der Vermerk: "Original ist nicht beibringbar. Persönl. Vorsprache v. 22.7.92", darunter finden sich die Unterschrift eines Dolmetsch und eines Amtswalters.

Mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht zuträfen. Die formularmäßige Begründung enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid "Einspruch" und führte aus, er sei Kurde, und da er Zeitschriften, Kassetten und Medikamente für die kurdische Partei PKK und HEP verkauft habe sowie Propaganda gemacht habe, werde er von der türkischen Polizei gesucht, er sei schon öfters von der türkischen Polizei festgenommen, geschlagen und gefoltert worden.

Mit Bescheid vom 17. Juni 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab, worin sie seinen Angaben die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf "krasse Divergenzen" absprach. Hilfsweise unterzog sie die Angaben auch einer rechtlichen Beurteilung dahingehend, daß die Verfolgung der PKK eine legitime staatliche Maßnahme darstelle sowie die Mißhandlungen des Beschwerdeführers keine ernsthaften Nachteile nach sich gezogen hätten, weshalb ihm aus diesen Gründen die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Dieser Bescheid der belangten Behörde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/20/0148, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge fälschlicher Anwendung des Asylgesetzes 1991) aufgehoben.

Im Zuge des neuerlich bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Verfahrens ermöglichte diese dem Beschwerdeführer mittels "Manuduktionsschreibens" vom 26. September 1995, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen in einer Berufungsergänzung zu rügen, und hielt ihm darüber hinaus vor, daß er im Zuge seines Aufenthaltes in Istanbul keinen asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei.

In seiner Berufungsergänzung vom 11. Oktober 1995 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Lage in seinem Heimatland habe sich in den letzten Jahren weiterhin verschlechtert, er werde wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur PKK-HEP verfolgt; außerdem habe er sich nicht in Istanbul aufgehalten. "Um diverse Unklarheiten genauer zu durchleuchten bzw. zu erklären", ersuchte der Beschwerdeführer um eine neuerliche Einvernahme mit Hilfe eines kurdischen Dolmetschers.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 30. Oktober 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab und sprach aus, daß er nicht Flüchtling sei. Die belangte Behörde versagte dabei dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund von zahlreichen Unstimmigkeiten "und Widersprüchen" die Glaubwürdigkeit. Im einzelnen nahm sie dabei auf die oben dargestellten, unterschiedlichen Ausführungen des Beschwerdeführers

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zu seinem Aufenthaltsort

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zu seinem Familienstand

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zu seiner Berufstätigkeit als Kaffeehausbesitzer bzw. Landwirt

-

zur angeblichen Verweigerung der Ausstellung eines Reisepasses

Bezug sowie darauf, daß er in seinem schriftlichen Asylantrag weder seine Auslandsaufenthalte noch die Folterungen im Zuge seiner Anhaltung in Polizeigewahrsame erwähnt habe. An weiteren Argumenten gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde an, er habe die in seiner Berufung erwähnte Propagandatätigkeit im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vorgebracht, andererseits die in erster Instanz erwähnten Iranaufenthalte in seiner Berufung nicht wiederholt. Auch dem vorgelegten Haftbefehl versagte die belangte Behörde "die Glaubwürdigkeit," weil das Original ohne Begründung nicht vorgelegt worden sei. Im Zuge ihrer (offenbar hilfsweisen) rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Ausreise in Ankara aufgehalten und in dieser Zeit "keine Unbill zu gewärtigen gehabt"; die in der Berufungsergänzung des Beschwerdeführers angeführte allgemeine Situation sei nicht asylrelevant; auf eine neuerliche Einvernahme habe verzichtet werden können, weil der Sachverhalt festgestanden sei.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Zuge seiner Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die belangte Behörde habe in ihrem aufgehobenen Erstbescheid vom 17. Juni 1993 die Angaben des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen, nunmehr jedoch eine "Argumentationsänderung" vorgenommen, die allerdings nicht ausreichend begründet sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß diese Behauptung nicht nur unrichtig ist, wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, sondern auch nicht ersichtlich ist, welche Rechtsvorschriften es der belangten Behörde hätten verbieten sollen, in ihrem Ersatzbescheid eine geänderte Begründung heranzuziehen.

Soweit der Beschwerdeführer völlig unsubstantiiert behauptet, die belangte Behörde habe ihre Beurteilung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig "nicht ausreichend" begründet, ist ebenfalls auf die im einzelnen dargestellten Abweichungen im Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Asylantrag bzw. in seiner Einvernahme hinzuweisen, die die belangte Behörde aufgrund deren Unvereinbarkeit zum Anlaß genommen hat, ihnen jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen.

Unter dem Titel einer "Rechtswidrigkeit des Inhalts" tritt die Beschwerde der Argumentation der belangten Behörde nur insofern entgegen, als diese aus der Nichtvorlage des Originals des Haftbefehls auf dessen "Unglaubwürdigkeit" schließt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde "entsprechende eigene Erhebungen" anstellen müssen. Dem ist entgegenzuhalten, daß bereits im aufgehobenen Vorbescheid vom 17. Juni 1993 den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 23. März 1992 angesichts der aufgezeigten Widersprüche die Glaubwürdigkeit versagt und die vorgelegte Kopie eines Haftbefehls nicht als ein geeignetes Bescheinigungsmittel angesehen worden war. In seiner Berufungsergänzung nahm der Beschwerdeführer weder auf den Haftbefehl Bezug noch machte er Gründe geltend, warum das Original dieses Haftbefehls von ihm nicht beizubringen gewesen sei. Er behauptete auch nicht, die belangte Behörde hätte zu Unrecht auf die Ablichtung dieses Haftbefehls nicht Bedacht genommen und es hätte ihr oblegen, eine weitergehende Prüfung vorzunehmen. Angesichts dieser Umstände hätte es aber zumindest in der Beschwerde einer genauen Darstellung der Gründe bedurft, warum das Original dieser vorgelegten Urkunde nicht beigebracht werden konnte sowie ob und welche Versuche dazu vom Beschwerdeführer überhaupt unternommen wurden. Im übrigen tritt die Beschwerde keinem einzigen der von der belangten Behörde herangezogenen Widersprüche (Aufenthaltsort, Familienstand, Beruf, Reisepaß, Auslandsaufenthalte, Folterungen) aufklärend entgegen; da auch dem Verwaltungsgerichtshof die Heranziehung dieser Widersprüche bzw. Unstimmigkeiten zur Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig nicht unschlüssig erscheint, braucht auf die Stichhältigkeit der von der belangten Behörde hilfsweise herangezogenen rechtlichen Beurteilung nicht eingegangen werden. Die Verfahrensrüge betreffend die Auffassung der belangten Behörde, die neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers sei verzichtbar gewesen, weil der Sachverhalt festgestanden sei, kann dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil er nicht darlegt, was er bei einer neuerlichen Einvernahme zur Klärung der genannten Divergenzen vorgebracht hätte.

Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200770.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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