TE Vwgh Beschluss 2021/2/1 Ra 2020/20/0022

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Veröffentlicht am 01.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/20/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des R K und 2. der I K, beide in B, beide vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Salztorgasse 2/6, (Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 14 EIRAG: Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11), gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 28. November 2019, 1. W189 2218668-1/10E und 2. W189 2218669-1/9E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbenden Parteien, ein aus der Ukraine stammendes Ehepaar, stellten am 14. Jänner 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 28. März 2019 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, und stellte fest, dass ihre Abschiebungen in die Ukraine zulässig seien. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit den Erkenntnissen je vom 28. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

4        Die revisionswerbenden Parteien stellten daraufhin beim Verwaltungsgerichtshof Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung von Revisionen. Diese Anträge wurden vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Jänner 2020 wegen Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung abgewiesen. Es wurden sodann keine Revisionen erhoben.

5        Gegen die Erkenntnisse vom 28. November 2019 brachten die revisionswerbenden Parteien Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof ein. Die Behandlung derselben wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3024 - 3025/2020-5, abgelehnt. Über nachträglichen Antrag der revisionswerbenden Parteien wurden die Beschwerden mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 4. November 2020, E 3024 - 3025/2020-7 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Daraufhin wurden die vorliegenden Revisionen eingebracht.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die revisionswerbenden Parteien verweisen auf ihre psychischen Erkrankungen, mit denen sich das Bundesverwaltungsgericht - sowohl im Rahmen der Beweiswürdigung als auch bei der Beurteilung, ob ihnen subsidiärer Schutz zu erteilen und Rückkehrentscheidungen zu erlassen seien - nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.

10       Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0154, mwN). Die revisionswerbenden Parteien zeigen mit ihrem pauschalen Hinweis auf ihre psychischen Erkrankungen nicht auf, dass dies hier der Fall wäre.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN).

12       Anhand des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien ist nicht zu sehen, dass diese - hohe - Schwelle überschritten wäre, sodass es den im Zusammenhang mit den Erkrankungen stehenden behaupteten Verfahrensfehlern schon deswegen an der Relevanz für den Verfahrensausgang fehlt (vgl. zur Notwendigkeit, die Relevanz - zudem auch schon in der abgesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision - darstellen zu müssen, etwa VwGH 5.10.2020, Ra 2020/20/0329, mwN).

13       Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. auch dazu VwGH Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN). Mit dem auf die Verschlechterung der Situation auf dem Arbeitsmarkt in der Ukraine hinweisenden Vorbringen wird somit eine den angefochtenen Entscheidungen anhaftende Rechtswidrigkeit nicht dargetan.

14       Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist - nicht revisibel (vgl. VwGH 16.10.2020, Ra 2020/20/0344, mwN). Auch diesbezüglich vermögen die revisionswerbenden Parteien, die wiederum auf ihre Erkrankungen verweisen, nicht aufzuzeigen, dass die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.

15       In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200022.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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