TE Vwgh Beschluss 2021/2/2 Ro 2019/04/0007

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Veröffentlicht am 02.02.2021
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Index

L46002 Jugendförderung Jugendschutz Kärnten
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §114
JSchG Krnt 1998 §12 Abs3
VStG §5
VStG §5 Abs1
VStG §9
VStG §9 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen in 9560 Feldkirchen, Milesistraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 27. November 2018, Zl. KLVwG-2329/5/2018, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: J K in K, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Koschatstraße 34/I), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (belangte Behörde, Revisionswerberin) vom 7. August 2018 wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, er habe es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, dass an einer näher bezeichneten Tankstelle zu einem näher bestimmten Zeitpunkt durch die im Betrieb beschäftigte Verkäuferin ein alkoholisches Getränk in Form einer Flasche Wodka an eine Jugendliche abgegeben worden sei, obwohl dies nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen (§ 12 Abs. 3 Kärntner Jugendschutzgesetz) verboten sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 114 in Verbindung mit § 367a Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Tagen verhängt und ihm wurde die Zahlung eines Kostenbeitrags in der Höhe von € 30,- auferlegt.

2        Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Beschwerde.

3        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. November 2018 gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten dieser Beschwerde Folge und hob das angefochtene Straferkenntnis auf. Das Verwaltungsstrafverfahren wurde gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z 2 VStG mit Beschluss eingestellt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

4        2.1. In seinen - auf den Akteninhalt und die mündliche Verhandlung gegründeten - Feststellungen hielt das Verwaltungsgericht Folgendes fest: Der Mitbeteiligte sei Pächter einer näher bezeichneten Tankstelle und für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Zu näher bezeichnetem Zeitpunkt sei von der - seit 2004 bei der Tankstelle angestellten - Verkäuferin eine Flasche Wodka an eine Jugendliche verkauft worden. Bei der gegenständlichen Tankstelle würden durch den O-Konzern regelmäßig, zumindest quartalsmäßig Schulungen - auch hinsichtlich der Einhaltung der Jugendschutzgesetze im Rahmen des Alkoholverkaufs - durchgeführt. Im Rahmen dieser Schulungen werde auch das Wissen durch Fragebögen abgefragt und im Anschluss erläutert. An diesen Schulungen, die sowohl durch den Mitbeteiligten als auch den O-Konzern protokolliert würden, hätten - wie entsprechenden Nachweisen zu entnehmen sei - sowohl der Mitbeteiligte als auch die Verkäuferin immer teilgenommen. Im Dienstvertrag sei ein Passus enthalten, wonach der Verkauf von (ua.) Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren strengstens unter Strafe verboten sei und jede Missachtung einen Entlassungstatbestand darstelle. Der Mitbeteiligte sei in der gegenständlichen Tankstelle mehrmals in der Woche anwesend und kontrolliere auch seine Mitarbeiter. An den Regalen seien Hinweisschilder betreffend das Verbot des Verkaufs gewisser Produkte an Jugendliche angebracht. Zudem sei in der gegenständlichen Tankstelle ein Kassensystem installiert, dem zufolge beim Verkauf eines alkoholischen Getränks am Bildschirm eine Information betreffend das Verkaufsverbot an Jugendliche aufscheine und die Verkäuferin vor dem Kassieren - für jede dem Jugendschutzgesetz unterliegende Ware extra - bestätigen müsse, dass der Käufer kein Jugendlicher sei. Ohne Rückbestätigung könne kein Bezahlvorgang durchgeführt werden, dh. das Kassensystem sei gesperrt.

5        Im vorliegenden Fall habe die Verkäuferin die Freigabe des Verkaufs der Wodkaflasche bestätigt, ohne den Ausweis der Jugendlichen kontrolliert zu haben. Die Verkäuferin sei gerügt worden; von einer Entlassung sei auf Grund der langjährigen anstandslosen Tätigkeit abgesehen worden.

6        Zudem wurden die wesentlichen Aussagen des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2018 wiedergegeben, denen sich Folgendes entnehmen ließ: Die vierteljährlichen Schulungen würden im Auftrag des O-Konzerns von der T Unternehmensberatung GmbH mit einem eigenen Trainer durchgeführt. Auch er selbst nehme daran regelmäßig teil. Im Rahmen der Schulungen würden auch Wissensüberprüfungen vorgenommen und allfällige Fehler sofort besprochen. Ergänzend zu den Schulungen gebe es Schulungsvideos, in denen Mustersituationen durchgespielt würden und die der Mitbeteiligte an seine Mitarbeiter zur Ansicht weiterleite. Der O-Konzern würde „externe Mysteryshopper“ schicken, um das Kontrollsystem bzw. die Mitarbeiter zu überprüfen. Bei den Überprüfungen sei die gegenständliche Tankstelle des Mitbeteiligten österreichweit in den Jahren 2016 und 2017 jeweils im Spitzenfeld (an zweiter bzw. vierter Stelle) zu finden gewesen. Die betroffene Verkäuferin sei sehr verlässlich, sie sei im Jahr zuvor eine der Mitarbeiterinnen des Jahres im O-Konzern gewesen und habe sich zuvor (vor dem gegenständlichen Vorfall) keiner Verfehlung schuldig gemacht.

7        Auch der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Aussage der Verkäuferin in der mündlichen Verhandlung zufolge haben sowohl die Verkäuferin als auch der Mitbeteiligte an den besagten Schulungen teilgenommen.

8        2.2. In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften Verantwortlicher darzulegen habe, alle Maßnahmen getroffen zu haben, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen (Verweis auf VwGH 5.9.2016, Ra 2016/04/0080). Es sei ein wirksames Kontrollsystem einzurichten, für dessen Effizienz ein objektiver Maßstab gelte. Die Anforderungen an ein entsprechendes Kontrollsystem seien sehr streng, der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche müsse direkt darin eingebunden sein. Weisungen und Schulungen ohne wirksame Kontrollen seien nicht ausreichend.

9        Im vorliegenden Fall seien - so das Verwaltungsgericht weiter - vom Mitbeteiligten entsprechende Schulungsnachweise und Protokolle betreffend die von einer externen Fima zumindest quartalsmäßig durchgeführten Schulungen vorgelegt worden. Zudem habe der Mitbeteiligte dargelegt, seine Mitarbeiter selbst regelmäßig zu unterweisen und in der Tankstelle zu kontrollieren. Ein Sanktionierungsinstrument in Form einer drohenden Entlassung sei vorgesehen. Zudem sei ein spezielles Kassensystem installiert, dem zufolge ein Mitarbeiter das Erreichen der Altersgrenze bei Verkauf eines alkoholischen Produktes eigens bestätigen müsse, um mit dem Verkauf fortfahren zu können. Der Mitarbeiter werde somit bei jedem dieser (einem Verkaufsverbot unterliegenden) Produkte extra daran erinnert, dass verpflichtend eine Ausweiskontrolle durchzuführen sei. In Anbetracht all dieser Umstände habe der Mitbeteiligte dargelegt, dass er tatsächlich ein effizientes Kontrollsystem eingerichtet habe.

10       2.3. Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Einsatzes eines technologischen Kontrollsystems in der dargestellten Form.

11       3. Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde die vorliegende ordentliche Amtsrevision.

12       Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

13       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

16       5.1. Gemäß dem vorliegend einschlägigen § 114 GewO 1994 ist es Gewerbetreibenden untersagt, selbst oder durch die im Betrieb beschäftigten Personen alkoholische Getränke an Jugendliche auszuschenken oder ausschenken zu lassen, abzugeben oder abgeben zu lassen, wenn Jugendlichen dieses Alters nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen der Genuss von Alkohol verboten ist. Die Gewerbetreibenden und die im Betrieb beschäftigten Personen müssen die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises oder einer speziellen Jugendkarte, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen zum Nachweis des Alters geeignet ist, verlangen, um das Alter der Jugendlichen festzustellen. Gemäß § 367a GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer entgegen der Bestimmung des § 114 GewO 1994 Alkohol ausschenkt oder abgibt oder ausschenken oder abgeben lässt.

17       Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes ist unstrittig.

18       5.2. Da es sich bei dem, dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Delikt um ein Ungehorsamsdelikt handelt, ist nach der in § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG normierten Vermutung das Verschulden in der Form von Fahrlässigkeit anzunehmen, es sei denn, ein Beschuldigter macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Derjenige, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, bleibt verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, soweit ihn ein Verschulden im Sinn des § 5 VStG trifft (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2019/04/0125, Rn. 11, mwN).

19       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in zahlreichen Entscheidungen mit dem (Nicht)Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems - auch im Zusammenhang mit dem Verbot des Verkaufs von Alkohol an Jugendliche - auseinandergesetzt und dabei allgemein Folgendes festgehalten:

20       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einrichtung von Kontrollsystemen ist es für die Befreiung von der persönlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Einzelfall zusammengefasst entscheidend, dass glaubhaft alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist (vgl. erneut VwGH Ra 2019/04/0125, Rn. 12, mwN). Die bloße Erteilung von Weisungen reicht dafür nicht aus; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (vgl. etwa VwGH 27.7.2020, Ra 2020/11/0059, Rn. 8, mwN).

21       Schulungen und Arbeitsanweisungen bzw. Betriebsanweisungen einschließlich deren Dokumentation als unterstützende Teile eines wirksamen Kontrollsystems haben deshalb die Mitarbeiter ausdrücklich dahin zu unterweisen, dass von einer Ausweiskontrolle bei Abgabe von Alkohol nur dann Abstand zu nehmen ist, wenn für den Gewerbetreibenden bzw. die im Betrieb beschäftigten Personen jeder Zweifel ausgeschlossen ist, dass ein Kunde die jeweilige Altersgrenze für den Genuss von Alkohol nach den landesgesetzlichen Jugendschutzbestimmungen erreicht hat (vgl. wiederum VwGH Ra 2019/04/0125, Rn. 16, mwN).

22       In seinem Beschluss vom 20. März 2018, Ra 2017/03/0092, hat der Verwaltungsgerichtshof (im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Gefahrgutbeförderungsgesetz) unter Verweis auf zahlreiche Vorjudikate wie folgt ausgeführt:

„22  Ein solches [wirksames Kontrollsystem] liegt dann vor, wenn dadurch die Überwachung der Einhaltung von Rechtsnormen, wie sie der Übertretung der Revisionswerberin zu Grunde gelegt wurden, jederzeit sichergestellt werden kann. [...]

24   Schulungen und Arbeitsanweisungen bzw. Betriebsanweisungen einschließlich deren Dokumentation, wie sie vorliegend (auch unter Wiedergabe des schon angesprochenen Gutachtens) ins Treffen geführt werden, vermögen gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, nicht aber zu ersetzen [...]. Auch Belehrungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen [...].

25   Im Kontext der Umsetzung der gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehender Kontrollpflichten darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern ein entsprechendes Kontrollsystem Platz greifen muss, kann doch nicht völlig darauf vertraut werden, dass eingewiesene, laufend geschulte und ordnungsgemäß ausgerüstete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedenfalls den Rechtsvorschriften Genüge leisten. Bei der Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems ist es derart erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter den maßgebenden Vorschriften auch tatsächlich entspricht und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren eines Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. insbesondere durchzusetzen bzw. sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung der Vorschriften sowie die einschlägigen Schulungen auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden [...].

26   Ein geeignetes Kontrollsystem hat nicht nur Vorkehrungen für die Kontrolle durch den Arbeitgeber, sondern auch ein geeignetes Sanktionssystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers zu enthalten [...]. Zu einem wirksamen Kontrollsystem gehört derart, dass in systematischer Weise möglichen Verstößen nachgegangen wird, diese Verstöße dokumentiert werden und zu entsprechenden Konsequenzen (beispielsweise zu einer Verbesserung der Anleitungen oder Schulungen, allenfalls auch zu disziplinären Maßnahmen) führen, sodass im Ergebnis mit gutem Grund erwartet werden kann, dass die Einhaltung der maßgebenden Vorschriften gewährleistet ist [...].

27   Allerdings lässt ein Sanktionssystem das Erfordernis der Dartuung präventiver Kontrollmaßnahmen nicht entbehrlich erscheinen. Die von der Revision ins Treffen geführten Sanktionssysteme (einschließlich etwa Verwarnungen, Nachschulungen oder auch Einkommenseinbußen bei Verstößen gegen einschlägige Rechtsvorschriften seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter), vermögen somit die Durchführung tatsächlich wirksamer Kontrollen bloß zu ergänzen, nicht aber zu ersetzen [...].

28   Wenn auch eine lückenlose Kontrolle nicht verlangt werden kann, wenn die zu kontrollierende Tätigkeit außerhalb einer Betriebsstätte disloziert - im vorliegenden Fall mobil - vorgenommen wird, enthebt dies aber nicht von der Verpflichtung, alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Einhaltung der hier maßgebenden Regelungen sicherzustellen [...], wobei das etablierte Kontrollsystem - um wirksam sein zu können - dann grundsätzlich lückenlos anzuwenden ist [...].“

23       Ein wirksames Kontrollsystem verlangt nicht die ständige Beaufsichtigung jedes Arbeitnehmers, sondern das Treffen von Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH 7.3.2016, Ra 2016/02/0030, Rn. 11, mwN).

24       (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen einander in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (vgl. erneut VwGH Ra 2019/04/0125, Rn. 13, mwN).

25       6.1. Das Verwaltungsgericht begründete die Zulassung der ordentlichen Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob ein - wie vorliegend installiertes - technisches Kassensystem ein wirksames Kontrollsystem darstelle. Auch die Revisionswerberin bringt vor, dass eine Klärung dieser Frage in der Rechtsprechung nicht ersichtlich sei.

26       Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems davon ab, dass alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften gewährleistet ist. Der Verwaltungsgerichtshof geht erkennbar davon aus, dass ein wirksames Kontrollsystem nicht durch eine Einzelmaßnahme implementiert wird, sondern aus einer Zusammenschau einer Mehrzahl von Maßnahmen (wie etwa Schulungen, Weisungen, systematische Überprüfungen auf den betroffenen Hierarchieebenen, Sanktionsmechanismen, entsprechende Dokumentationen) resultiert.

27       Dass das Verwaltungsgericht ein - wie im vorliegenden Fall installiertes und zur Anwendung gekommenes - technisches Kassensystem als geeignet angesehen hat, zum Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems beizutragen, ist nicht zu beanstanden. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa für den - dort nicht erfolgreich geführten - Nachweis des Vorliegens eines wirksamen Kontrollsystems darauf abgestellt, dass ein entsprechendes „Alarmsystem“ in den Kassen (wonach beim Verkauf von Alkohol auf das Verkaufsverbot an Jugendliche hingewiesen werde) erst nach dem dort zugrunde liegenden Vorfall (Verkauf einer Flasche Wodka an einen Jugendlichen) installiert worden sei (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2019/04/0088; auch die Erkenntnisse VwGH Ra 2020/11/0059 bzw. Ra 2019/04/0125 sprechen nicht dagegen, einem derartigen technischen Kassensystem Bedeutung für das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems beizumessen, zumal der Verwaltungsgerichtshof die jeweilige Zurückweisung der Revision des dort Bestraften auf eine mangelnde Überwachung bzw. mangelhafte Schulungen und Anweisungen stützte).

28       Aus der somit gebotenen Zusammenschau aller maßgeblichen Umstände ergibt sich aber auch, dass einem einzelnen Aspekt (wie vorliegend dem technischen Kassensystem) keine das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems für sich allein bestimmende Bedeutung beigemessen werden kann. Somit kann der ins Treffen geführten fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem derartigen Einzelaspekt aber keine grundsätzliche Bedeutung zukommen, weil es für das (Nicht)Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems immer auf die Gesamtbeurteilung aller maßgeblichen Umstände ankommt. Auch im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Annahme eines wirksamen Kontrollsystems nicht allein mit dem technischen Kassensystem, sondern in Zusammenschau mit den übrigen ins Treffen geführten Umständen begründet.

29       6.2. Die Revisionswerberin macht in ihrem Zulässigkeitsvorbringen darüber hinaus geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach nur ein wirksames Kontrollsystem eine schuldbefreiende Wirkung entfalte. Diesbezüglich werden einige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert, mit denen die angefochtene Entscheidung behaupteter Maßen nicht in Einklang stehe.

30       Dazu ist zunächst Folgendes auszuführen: Das Verwaltungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass ein Ausschluss des Verschuldens ein wirksames Kontrollsystem voraussetzt, sondern es hat - anders als die Revisionswerberin - die vorliegend seitens des Mitbeteiligten ins Treffen geführten Umstände als hinreichend erachtet, um ein wirksames Kontrollsystem im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen.

31       Dem behaupteten Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zu entgegnen, dass im Zulässigkeitsvorbringen lediglich mehrere Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, aber in keiner Weise näher ausgeführt wird, dass die dort jeweils zugrunde gelegenen Sachverhaltskonstellationen mit dem hier gegenständlichen Kontrollsystem vergleichbar wären bzw. in welcher Weise das angefochtene Erkenntnis mit diesen Entscheidungen in Widerspruch stünde (vgl. dazu, dass ein bloß pauschales, nicht näher konkretisiertes Vorbringen eines Abweichens von der Rechtsprechung selbst dann nicht ausreicht, wenn es mit dem Zitat vermeintlich gegenteiliger Entscheidungen einhergeht, etwa VwGH 19.8.2020, Ra 2016/08/0170, Pkt. 5.2., mwN; siehe weiters zu der für ein Abweichen erforderlichen Vergleichbarkeit auf Sachverhaltsebene VwGH 17.4.2020, Ra 2020/04/0029).

32       Soweit die Revisionswerberin schließlich vorbringt, vom Mitbeteiligten sei eine Überprüfung der Dienstnehmer niemals behauptet worden bzw. eine Überprüfung der Einhaltung der Weisungen sei nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht erfolgt, ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Das Verwaltungsgericht hat eine (mehrmals in der Woche vorliegende) Anwesenheit des Mitbeteiligten vor Ort und eine dabei erfolgende Kontrolle seiner Mitarbeiter festgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Zudem wurde - wenn auch nicht ausdrücklich im Zuge der Feststellungen, so doch im Rahmen der Wiedergabe der Aussage des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - auf den vom Mitbeteiligten ins Treffen geführten Einsatz von „Mysteryshoppern“ durch den O-Konzern zur Überprüfung des Kontrollsystems bzw. der Mitarbeiter Bezug genommen.

33       Das Verwaltungsgericht hat seiner Beurteilung somit nicht allein das installierte (näher dargestellte) technische Kassensystem, sondern - neben den geltend gemachten Schulungsmaßnahmen und Weisungen - auch entsprechende Überwachungsmaßnahmen zugrunde gelegt. Dass die aus der Zusammenschau all dieser Umstände abgeleitete Beurteilung des Verwaltungsgerichts zur Wirksamkeit des konkreten Kontrollsystems grob fehlerhaft erfolgt und daher vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

34       7. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

35       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

36       Von der seitens des Mitbeteiligten beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 2. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019040007.J00

Im RIS seit

28.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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