TE Vwgh Beschluss 2021/2/2 Ra 2020/19/0414

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Veröffentlicht am 02.02.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §1332
VwGG §46 Abs1
VwGG §61

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über den Antrag des I B in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Stellung eines Antrages auf Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2020, L502 2226524-2/33E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem anzufechtenden Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Sache den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Unter einem sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Dieses Erkenntnis wurde laut Übermittlungsprotokoll des BVwG der im Kopf des Erkenntnisses als Vertreterin des Antragstellers genannten Arge Rechtsberatung (Diakonie - Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH) am 14. Oktober 2020 zugestellt. Davon ausgehend endete die sechswöchige Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG am 25. November 2020.

3        Mit einem am 21. November 2020 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Das Kuvert war jedoch an den Verfassungsgerichtshof adressiert. Beim Verwaltungsgerichtshof langte der Antrag durch persönliche Übergabe erst am 27. November 2020 ein.

4        Über hg. Vorhalt nahm der Antragsteller zu diesem Sachverhalt mit selbstverfassten Schriftsatz vom 23. Dezember 2020 Stellung und beantragte unter einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründend brachte er vor, er habe sowohl einen Antrag auf Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof als auch einen solchen Antrag an den Verwaltungsgerichtshof gestellt, jedoch sei beim Beschriften der Kuverts ein Fehler unterlaufen. Beide Kuverts seien an den Verfassungsgerichtshof adressiert worden. Bei diesem Schreibfehler handle es sich um ein unbeabsichtigtes Versehen. Die Dauer der Übermittlung des Kuverts vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof liege außerhalb seines Einflussbereiches und könne ihm nicht als Verschulden angelastet werden.

5        Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. VwGH 15.7.2015, Ra 2015/03/0049; 3.4.2018, Ra 2017/20/0415, mwN).

6        Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision langte durch persönliche Übergabe beim Verwaltungsgerichtshof am 27. November 2020 ein und war somit wegen Versäumung der auch für die Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages maßgeblichen Revisionsfrist verspätet.

7        Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.

8        Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 22.4.2020, Ra 2020/14/0139, mwN).

9        In der unrichtigen Adressierung eines Schriftsatzes an den Verfassungsgerichtshof anstelle des Verwaltungsgerichtshofes kann nicht ein bloßes Versehen minderen Grades erblickt werden (vgl. VwGH 20.1.2021, Ra 2020/19/0394, mwN).

10       Soweit der Antragssteller vorbringt, dass ihm die Dauer des Übermittlungsweges vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof nicht als Verschulden angelastet werden könne, genügt der Hinweis, dass - wie bereits ausgeführt - die Weiterleitung eines bei einer unzuständigen Stelle eingebrachten fristgebundenen Anbringens auf Gefahr des Einschreiters erfolgt (vgl. neuerlich VwGH Ra 2015/03/0049; Ra 2017/20/0415).

11       Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt somit keine Berechtigung zu, weshalb er nach § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

12       Sohin war es auch entbehrlich, einen Auftrag zur Behebung des dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden Mangels - dieser wurde entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht - zu erteilen. Ein solcher Auftrag erübrigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn - was hier der Fall ist - der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Mangels die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0375, mwN).

Wien, am 2. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190414.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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