Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Parteien J L und E L, beide in M und vertreten durch Rechtsanwälte Waltl & Partner in 5700 Zell am See, Flugplatzstraße 52, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. Jänner 2020, Zl. 405-16/52/1/2-2020, betreffend die Parteistellung nach dem Rohrleitungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013, Zl. BMVIT-211.433/0002-IV/SCH1/2013, wies die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) einen Antrag der T GmbH (T GmbH) auf rohrleitungsrechtliche Genehmigung der Errichtung einer Energierückgewinnungsstation auf der Talm im Gemeindegebiet M gemäß §§ 1 und 17 Rohrleistungsgesetz ab.
2 Begründend führte die Bundesministerin aus, gemäß § 1 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz gelte dieses Bundesgesetz für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern in Rohrleitungen. Das gegenständliche Projekt diene hingegen nicht ausschließlich der Beförderung von Rohöl, sondern wandle die Strömungsenergie des durch eine Ölturbine fließenden Rohöls in elektrische Energie um. Weder diese Tätigkeit noch die dafür erforderlichen Baulichkeiten unterlägen dem Rohrleitungsgesetz, weshalb dafür auch keine rohrleitungsrechtliche Genehmigung in Frage komme.
3 In der Folge erwirkte die T GmbH im Jahr 2014 bei der Salzburger Landesregierung für die geplante Anlage unstrittig eine elektrizitätsrechtliche Bewilligung.
4 Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019 beantragten die Revisionswerber, ihnen den zitierten Bescheid der BMVIT vom 1. Oktober 2013 zuzustellen. Sie brachten zusammengefasst vor, Nachbarn jener Liegenschaft zu sein, auf welcher die Energierückgewinnungsstation errichtet worden sei. Außerdem sei ihre Liegenschaft mit einer Dienstbarkeit der Verlegung, Erhaltung und Erneuerung einer Mineralölfernleitung belastet. Eine Verwendung der Ölleitung zu Zwecken der Energierückgewinnung sei nicht vereinbart worden, weshalb die Revisionswerber sowohl als Nachbarn als auch - aufgrund der Servitutsverpflichtung - als Betroffene im Sinn der §§ 18 und 23 Rohrleitungsgesetz im Verfahren vor der BMVIT zu beteiligen gewesen wären. Deshalb hätten sie auch ein Recht auf Bescheidzustellung.
5 Mit Bescheid vom 19. Juli 2019 wies die BMVIT diesen Zustellantrag mangels Parteistellung der Revisionswerber in dem Verwaltungsverfahren, das mit Bescheid der BMVIT vom 1. Oktober 2013 erledigt worden sei, ab.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Zur Begründung verwies das LVwG zunächst darauf, dass das Recht auf Bescheidzustellung gemäß § 62 AVG ausschließlich den Parteien des Verfahrens zukomme. Im gegenständlichen Fall habe die BMVIT in ihrem Bescheid vom 1. Oktober 2013 ausgesprochen, dass die in Rede stehende Anlage nicht nach dem Rohrleitungsgesetz bewilligungspflichtig sei. Die Revisionswerber hätten gar nicht vorgebracht, dass diese Einschätzung der BMVIT verfehlt gewesen sei. Die Revisionswerber hätten ihre Betroffenheit vom Vorhaben - und damit die Parteistellung im Verfahren - aber ausschließlich aus dem Rohrleitungsgesetz argumentiert. Mangels Bewilligungspflicht nach dem Rohrleitungsgesetz sei vorliegend auch nicht zu prüfen, ob die geplante Energiegewinnungsstation eine Beeinträchtigung der mit dem Rohrleitungsgesetz geschützten Nachbarrechte bewirken hätte können. Die Revisionswerber hätten vielmehr ihre mögliche Betroffenheit in jenem Bewilligungsverfahren, mit dem die Energierückgewinnungsstation tatsächlich zu genehmigen gewesen sei, geltend zu machen gehabt.
8 Die Nichtzulassung der Revision begründete das LVwG im Wesentlichen damit, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu beurteilen gewesen sei. Weder weiche das LVwG mit seiner fallbezogenen Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle eine solche.
9 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in der Zulassungsbegründung geltend macht, entgegen der Ansicht des LVwG liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Servitutsverpflichtung zulasten der Revisionswerber und zugunsten der T GmbH betreffe den Betrieb einer Mineralölfernleitung, nicht jedoch einer Ölleitung zur Gewinnung von Energie. Somit sei es zu einer faktischen Änderung des Verwendungszwecks gekommen und es seien die Revisionswerber als betroffene Servitutsverpflichtete und Nachbarn der Energierückgewinnungsstation als Parteien im Bewilligungsverfahren anzusehen. Eine Zweckänderung von Rohölfernleitungen ohne Beiziehung der Dienstbarkeitsverpflichteten im Verfahren sei bis dato in keiner höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt worden.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Gemäß § 1 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz, BGBl. Nr. 411/1975 idF BGBl. I Nr. 40/2017, gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes - mit näher umschriebenen Ausnahmen - für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern in Rohrleitungen.
12 Unter Rohrleitungsanlagen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz alle jene Einrichtungen zu verstehen, welche das zu befördernde Gut allseits umschließen und als Transportweg für dieses Gut dienen; ferner alle mit dem Betrieb der Rohrleitung örtlich verbundenen Baulichkeiten und technischen Einrichtungen, welche ausschließlich für die Beförderung von Gütern in Rohrleitungen dienen.
13 Für die Errichtung und die Inbetriebnahme der Rohrleitungsanlage ist gemäß § 3 Abs. 2 Rohrleitungsgesetz eine entsprechende Genehmigung erforderlich.
14 Im Verfahren zur Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme der Rohrleitungsanlage kommt gemäß § 23 Rohrleitungsgesetz dem Antragsteller, den in den Verzeichnissen gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 bis 7 Rohrleitungsgesetz der Behörde bekannt zu gebenden Betroffenen und den Nachbarn Parteistellung zu.
15 § 18 Abs. 2 Z 3 Rohrleitungsgesetz nennt als „Betroffene“ - unter anderem - Eigentümer und sonst dinglich berechtigte Personen (mit Ausnahme von Hypothekargläubigern) von betroffenen Grundstücken.
16 Die Nachbarn und Betroffenen im soeben genannten Sinne werden durch die Parteistellung in die Lage versetzt, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte im Genehmigungsverfahren nach dem Rohrleitungsgesetz geltend zu machen.
17 Im vorliegenden Fall vertreten die Revisionswerber den Rechtsstandpunkt, im rohrrechtlichen Verfahren über den Genehmigungsantrag der T GmbH für die Errichtung einer Energierückgewinnungsstation zu Unrecht nicht als Parteien beigezogen worden zu sein. Sie leiten ihre Parteistellung aus der behaupteten Eigenschaft als Nachbarn und Betroffene im Sinne des § 18 Abs. 2 Z 3 Rohrleitungsgesetz ab.
18 Ohne auf die Frage näher einzugehen, ob die Revisionswerber tatsächlich als Nachbarn oder Betroffene im Sinne des Rohrleitungsgesetzes anzusehen sind und welche subjektiv-öffentlichen Rechte sie in diesem Verfahren geltend machen wollten, ist dem Zulassungsvorbringen in der Revision Folgendes zu erwidern:
19 Die Revisionswerber übersehen, dass ein inhaltliches Verfahren über den Genehmigungsantrag der T GmbH nach dem Rohrleitungsgesetz nicht stattgefunden hat. Ungeachtet der missverständlichen Spruchformulierung im Bescheid vom 1. Oktober 2013 (die als „Abweisung“ des Antrags bezeichnet wurde), lehnte die BMVIT eine meritorische Behandlung des Antrags vielmehr schon deshalb ab, weil die geplante Errichtung der Energierückgewinnungsstation nicht in den Anwendungsbereich des Rohrleitungsgesetzes falle und daher keiner diesbezüglichen Genehmigung bedürfe.
20 Dass die Revisionswerber in diesem Verfahrensstadium, in dem noch keine inhaltliche Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen stattgefunden hat, nicht als Parteien beigezogen wurden, ist nicht als fehlerhaft zu erkennen.
21 Selbst wenn ihnen als (behauptete) Nachbarn und Betroffenen im Sinne des § 23 Rohrleitungsgesetz auch bei Zurückweisung des Genehmigungsantrags eine (eingeschränkte) Parteistellung dahingehend zugestanden würde, dass sie zur Wahrung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte Parteistellung in Bezug auf die Frage, ob das in Rede stehende Projekt überhaupt einer Genehmigungspflicht nach dem Rohrleitungsgesetz unterliegt, zugekommen wäre, ist für die Revisionswerber nichts zu gewinnen. Zu Recht weist das LVwG nämlich darauf hin, dass die Revisionswerber eine derartige Genehmigungspflicht weder im verwaltungsbehördlichen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht haben. In der vorliegenden Revision wird zwar erstmals behauptet, bei richtiger Beurteilung hätte eine Genehmigungspflicht nach dem Rohrleitungsgesetz bestanden. Näher ausgeführt, aufgrund welcher Umstände eine solche bestanden haben sollte, wird dieses Vorbringen aber nicht. Abgesehen davon ist nach der hg. Rechtsprechung die Rüge einer Partei abzulehnen, die im bisherigen Verfahren untätig geblieben ist und erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung ablegt, um das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen (vgl. etwa VwGH 6.4.2016, Ro 2014/02/0058, mwN).
22 Da aus den genannten Gründen sowohl die BMVIT als auch das LVwG die Parteistellung der Revisionswerber zutreffend verneint haben, hängt die Revision von den in ihrer Zulassungsbegründung angeführten Rechtsfragen nicht ab.
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030173.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021