TE Vwgh Erkenntnis 2021/2/3 Ra 2020/20/0413

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Veröffentlicht am 03.02.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, über die Revision des A F in G, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2020, L514 2211749-1/31E, betreffend Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie rechtlich davon abhängende Aussprüche nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionsweber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 28. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 18. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 30. Juli 2018. Begründend führte die Behörde aus, dem Revisionswerber sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der vorherrschenden allgemeinen Kriegslage im Irak durch Kampfhandlungen zur Vertreibung der Terrororganisation IS zuzuerkennen.

3        Über Antrag des Revisionswerbers verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gültigkeit der Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 30. Juli 2020.

4        Mit Bescheid vom 19. November 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass ein Vergleich der im Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Juli 2017 getroffenen Feststellungen mit der nunmehr festgestellten Lage im Herkunftsstaat die allgemein eingetretene Verbesserung der Sicherheitslage im Irak anschaulich belege.

6        Mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3169/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7        In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bei Wegfall der Umstände, die zur seinerzeitigen Schutzgewährung geführt hätten, abgewichen. Mangels entsprechender Feststellungen sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage das Bundesverwaltungsgericht von einer im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung verbesserten Lage im Irak ausgehe.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Die Revision ist zulässig und begründet.

10       Das Bundesverwaltungsgericht stützte - wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - die Aberkennung des subsidiären Schutzes im gegenständlichen Fall auf den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht mehr vorliegen.

11       Die Heranziehung des zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2020/01/0170; 18.3.2020, Ra 2019/20/0590, jeweils mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. VwGH 30.4.2020, Ra 2019/19/0309, mwN).

12       Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich sind (vgl. dazu etwa VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0586, mwN).

13       Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner rechtlichen Beurteilung bei der Prüfung des Wegfalls jener Umstände im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, die zur Schutzgewährung geführt hatten, von einem Vergleich zwischen dem Zeitpunkt der Zuerkennung und jenem der Aberkennung ausgegangen und hat damit die Rechtslage verkannt. Es hat nämlich völlig unbeachtet gelassen, dass dem Revisionswerber nur sechs Wochen vor der behördlichen Aberkennung des subsidiären Schutzstatus die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gewährt worden war. Nach dieser Gesetzesstelle kommt eine Verlängerung aber nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag weiter vorliegen (vgl. VwGH 6.10.2020, Ra 2019/19/0401, mwN).

14       Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigt somit, dass das Bundesverwaltungsgericht von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, die Änderung der Umstände ausschließlich im Vergleich mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Juli 2017, mit dem dem Revisionswerber der Status des subsidiärer Schutzberechtigten zuerkannt worden war, beurteilen zu müssen, während der (vom Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich festgestellten, aber aktenkundig) zuletzt erfolgten Verlängerung der Gültigkeit der befristeten Aufenthaltsberechtigung am 8. Oktober 2018 zu Unrecht keine Beachtung geschenkt worden ist.

15       Schon dies führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. zu einem gleichgelagerten Fall VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0567, mwN), sodass auf das übrige Vorbringen in der Revision nicht mehr einzugehen war.

16       Sohin war das angefochtene Erkenntnis - zur Gänze, weil die Beschwerdeabweisung betreffend die übrigen von der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtlich abhängenden Aussprüche ihre Grundlage verliert - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

17       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200413.L00

Im RIS seit

16.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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