TE Vwgh Beschluss 2021/2/3 Ra 2019/06/0119

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Veröffentlicht am 03.02.2021
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Index

L85005 Straßen Salzburg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
LStG Slbg 1972 §27
LStG Slbg 1972 §41 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache der Gemeindevertretung der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 18. April 2019, 405-2/106/1/23-2019, betreffend Feststellung der Verkehrsbedeutung einer Straße gemäß § 41 Abs. 1 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (mitbeteiligte Partei: Öffentliche Interessentenweggenossenschaft „H“, vertreten durch die Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz Salzburger Landesstraßengesetz 1972, LGBl. Nr. 119/1972 in der vorliegend maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 58/2005 (in der Folge: LStG. 1972) hat die Straßenrechtsbehörde auf Antrag festzustellen, ob einer Straße oder einem Straßenteil eine Verkehrsbedeutung zukommt, die der einer Gemeindestraße (§ 27 leg. cit.) oder einer öffentlichen Interessentenstraße (§ 31 Abs. 1 leg. cit.) entspricht.

5        Gemäß § 27 LStG. 1972 vermitteln die Gemeindestraßen den öffentlichen Verkehr größerer Siedlungen in einer Gemeinde untereinander und einer Gemeinde mit den Nachbargemeinden.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Salzburg (in der Folge: LVwG) in Stattgebung einer Beschwerde der Mitbeteiligten gemäß § 41 LStG. 1972 fest, dass einem näher beschriebenen Teilabschnitt des H.-Weges in der KG S. die Verkehrsbedeutung zukomme, die der einer Gemeindestraße nach § 27 leg. cit. entspreche, und sprach gleichzeitig aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

7        Begründend führte das LVwG hierzu nach Einholung eines raumordnungsfachlichen sowie eines verkehrstechnischen Gutachtens, einer Auskunft des Tourismusverbandes der Gemeinde S., und nach Durchführung eines Lokalaugenscheines zusammengefasst aus, die mitbeteiligte Partei habe mit Schriftsatz vom 17. November 2015 bei der Straßenrechtsbehörde einen Antrag auf Feststellung gemäß § 41 leg. cit. eingebracht, dass der in Rede stehenden Straße in einem näher bezeichneten Bereich aus näher angeführten Gründen die Verkehrsbedeutung zukomme, die einer Gemeindestraße entspreche. Nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde durch die mitbeteiligte Partei habe das LVwG mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2017 die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde festgestellt und dieser aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen 8 Wochen unter Zugrundelegung der in den Entscheidungsgründen festgelegten Rechtsanschauung des LVwG zu erlassen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2017 sei der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Feststellung, dass dem H.-Weg im näher bezeichneten Bereich die Verkehrsbedeutung zukomme, die einer Gemeindestraße entspreche, abgewiesen worden.

8        Im Weiteren führte das LVwG in seiner Entscheidungsbegründung aus, derzeit handle es sich bei der verfahrensgegenständlichen Straße um eine öffentliche Interessentenstraße gemäß § 31 LStG. 1972, wobei die Erklärung zu einer solchen mit Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde S. vom 18. August 1980 erfolgt sei. Der durch das in Rede stehende Straßenstück aufgeschlossene Siedlungsbereich stelle den nördlichen Teil des zentralen Hauptortes der Gemeinde S. dar und sei als größere Siedlung zu bezeichnen. Aufgrund der gewidmeten Bauflächen könne von einer geschlossenen Ansiedlung gesprochen werden, da die örtliche Zusammengehörigkeit der Bauwerke leicht erkennbar sei. Die Straße besitze eine wesentliche Bedeutung im Gesamtstraßennetz für den öffentlichen Verkehr und werde aus Sicht der örtlichen Raumplanung teilweise als wichtige Verkehrsfläche der Gemeinde ausgewiesen; weitere ca. 8.600 m² unbebautes Bauland seien in diesem Bereich gewidmet und über die verfahrensgegenständliche Straßenanlage aufgeschlossen. Dem in Rede stehenden Abschnitt des H.-Weges komme daher eine Verkehrsbedeutung zu, die der einer Gemeindestraße im Sinne des § 27 LStG. 1972 entspreche. Da der Gesetzgeber im LStG. 1972 keine Definition einer „größeren“ (Verweis auf § 27 leg. cit.) oder „kleineren“ (Verweis auf § 31 leg.cit.) Siedlung festgelegt habe, sei es nötig, unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles eine entsprechende Auslegung vorzunehmen. Entsprechend der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 23. Juni 2009, 2007/06/0299, könne bei der Auslegung des Begriffes „größere Siedlung“ in § 27 LStG. 1972 auf die Definition dieses Begriffes im Landesgesetz vom 8. Juli 1981 über die Errichtung eines Fonds zur Erhaltung des ländlichen Straßennetzes im Lande Salzburg („Ländliches Straßennetz-Erhaltungsfonds-Gesetz“) zurückgegriffen werden. Vorliegend seien weiters auch die durch die verfahrensgegenständliche Weganlage aufgeschlossenen Gastgewerbebetriebe und Beherbergungsbetriebe und der durch diese Betriebe verursachte Verkehr durch Gäste, Angestellte und Lieferanten entsprechend zu berücksichtigen. Darüber hinaus sehe es das LVwG gegenständlich als zweckmäßig an, die in Rede stehende Frage auf Grundlage der durchgeführten Strukturanalyse im eingeholten raumplanerischen Gutachten sowie der über einen zusammenhängenden Zeitraum von etwa 7 Monaten durchgeführten Erhebung der tatsächlichen Verkehrsmengen zu beantworten (wird näher ausgeführt). Über den verfahrensgegenständlichen Straßenabschnitt würden insgesamt 43 großteils bebaute Grundstücke aufgeschlossen; darunter befänden sich insgesamt 19 Objekte mit Hauptwohnsitz, 20 ohne Hauptwohnsitz, 11 Beherbergungsbetriebe mit insgesamt 434 Gästebetten mit jährlich über 30.000 Nächtigungen sowie 4 Gastronomielokale. Auf dem Straßenstück finde ein durchschnittlicher täglicher Verkehr von insgesamt 501 Fahrzeugen mit einem Schwerverkehrsanteil von ca. 12 % statt. In einer Gesamtbetrachtung komme das LVwG daher zum Ergebnis, dass der verfahrensgegenständliche Wegabschnitt die Verkehrsbedeutung einer Gemeindestraße besitze, weshalb dem Antrag der mitbeteiligten Partei stattzugeben sei.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde, in der diese zur Begründung der Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, gegenständlich sei ausschließlich strittig, ob der in § 27 LStG. 1972 verwendete Begriff „größere Siedlung“ iSd Ländliches Straßennetz-Erhaltungsfonds-Gesetz zu interpretieren sei. Im Erkenntnis vom 23. Juni 2009, 2007/06/0299, habe der Verwaltungsgerichtshof dargetan, dass bei der Auslegung des genannten Begriffes im LStG. 1972 dessen Definition in der genannten Vorschrift herangezogen werden könne. Diese Interpretation dürfe nicht mit weiteren, nicht normierten tatbestandlichen Voraussetzungen „angereichert“ werden. Die Frage, ob Beherbergungs- und/oder gastgewerbliche Betriebe bei der Interpretation der „größeren Siedlung“ in § 27 LStG. 1972 zu berücksichtigen seien oder nicht, sei in dieser Gesetzesbestimmung ebenso wenig abgebildet, wie der tatsächlich stattfindende und im LVwG-Verfahren erfasste Fahrzeugverkehr. Das LVwG habe daher die wesentliche Rechtsfrage falsch beurteilt und es liege ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

10       Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11       Die Frage, ob einer Straße oder einem Straßenteil eine Verkehrsbedeutung zukommt, die der einer Gemeindestraße entspricht, ist eine solche des Einzelfalles und unterliegt somit - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Falles berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 29.5.2020, Ro 2020/05/0014, 31.8.2020, Ro 2020/05/0021, 17.12.2019, Ra 2019/06/0175, 21.11.2019, Ra 2019/10/0177 oder auch 25.9.2019, Ra 2019/05/0117, jeweils mwN).

12       Derartiges wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht dargestellt und ist angesichts der Ergebnisse des umfangreichen durch das LVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens auch nicht ersichtlich. Wenn die amtsrevisionswerbende Partei zur Begründung der Zulässigkeit der Revision ins Treffen führt, das LVwG habe die wesentliche Rechtsfrage falsch beurteilt und es liege ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weil die Interpretation von § 27 LStG. 1972 im Erkenntnis vom 23. Juni 2009, 2007/06/0299 nicht mit weiteren, nicht normierten tatbestandlichen Voraussetzungen „angereichert“ werden dürfe, so übersieht sie, dass das LVwG im vorliegenden Verfahren nach § 41 LStG. 1972 nicht allein die Bedeutung des Begriffes „größere Siedlung“ in § 27 leg. cit. auszulegen, sondern darüber hinaus zu beurteilen hatte, ob dem in Rede stehenden Straßenabschnitt eine Verkehrsbedeutung zukommt, die jener einer Gemeindestraße entspricht. Auch im Verfahren, welches zu dem von der amtsrevisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 2009, 2007/06/0299, führte, war zur Beurteilung der Frage der Verkehrsbedeutung ein verkehrstechnisches Gutachten zur Ermittlung der Verkehrsbelastung auf dem dort in Frage stehenden Weg eingeholt worden; während das dortige Ermittlungsverfahren eine Verkehrsbelastung von 51 bzw. 57 Kraftfahrzeugen pro Werktag ergeben hatte und der Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage dessen mit näherer Begründung die Beurteilung nicht zu verwerfen vermochte, es liege dort keine Verkehrsbedeutung vor, die der einer Gemeindestraße entspreche, ist im Revisionsfall - von der amtsrevisionswerbenden Partei unbestritten - von einem durchschnittlichen täglichen Verkehr von insgesamt 501 Fahrzeugen auf dem verfahrensgegenständlichen Straßenabschnitt auszugehen. Von einer unzulässigen „Anreicherung“ der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 LStG. 1972 durch den erfassten Fahrzeugverkehr kann daher, da es nicht allein auf die Auslegung des § 27, sondern auf die Beurteilung nach § 41 leg. cit. ankommt, keine Rede sein, und liegt nach dem Gesagten diesbezüglich auch keine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Dass und aus welchem Grund einem durchschnittlichen Fahrzeugverkehr von 501 Fahrzeugen pro Tag nicht die Verkehrsbedeutung einer Gemeindestraße zukomme, legt die Revision nicht dar.

13       Wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen darüber hinaus damit argumentiert wird, es liege eine Abweichung vom genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Grund vor, weil das LVwG die am gegenständlichen Straßenstück liegenden Beherbergungs- und/oder gastgewerblichen Betriebe bei der Interpretation der „größeren Siedlung“ in § 27 LStG. 1972 (mit Verweis auf § 6 Abs. 2 des Ländliches Straßennetz-Erhaltungsfonds-Gesetzes) nicht berücksichtigen hätte dürfen, ist dem zu entgegnen, dass schon insofern eine Abweichung von der genannten Rechtsprechung nicht vorliegen kann, als der Verwaltungsgerichtshof eine solche Konstellation im dortigen Fall nicht zu beurteilen hatte, sondern es dort bloß um die Unterscheidung zwischen ständig bewohnten und nicht ständig bewohnten Bauten bzw. unbebauten Liegenschaften ging. Aus welchem Grund die am hier verfahrensgegenständlichen Straßenstück gelegenen Beherbergungsbetriebe - mit nach dem unbestrittenen Ermittlungsergebnis des LVwG insgesamt 434 Gästebetten und jährlich über 30.000 Nächtigungen - nicht als ständig bewohnte Bauten im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung in die Beurteilung einzubeziehen sein sollten (oder nicht mit Orientierungsnummern versehen seien), legt die amtsrevisionswerbende Partei nicht dar; ebenso wenig zeigt sie auf, nach welcher Norm es im gegenständlichen Zusammenhang, in welchem im Ergebnis die Frage der tatsächlichen Verkehrsbedeutung einer Straße bzw. eines Straßenstückes im Vordergrund steht, zu der hier erforderlichen Beurteilung der „ständigen Bewohnung von Bauten“ alleine auf eine Hauptwohnsitzmeldung ankäme.

14       Insgesamt ist daher angesichts der Ergebnisse des vorliegenden umfangreichen Ermittlungsverfahrens und der ausführlichen und jedenfalls nicht unvertretbaren Begründung durch das LVwG, sowie des wie dargestellt nicht bestehenden Widerspruches zum Erkenntnis vom 23. Juni 2009, 2007/06/0299, ein korrigierendes Eingreifen des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich (vgl. etwa nochmals VwGH 29.5.2020, Ro 2020/05/0014, 31.8.2020, Ro 2020/05/0021).

15       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019060119.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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