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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A K, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2020, W259 2209534-1/21E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 29. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er u.a. damit begründete, aufgrund seiner Konversion zum Christentum im Iran mit dem Tod bedroht zu sein.
2 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag vollinhaltlich ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Das BVwG stellte - zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall von Bedeutung - fest, der Revisionswerber habe nicht aus innerer Überzeugung den christlichen Glauben angenommen. Er habe im Falle seiner Rückkehr in den Iran keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten, nur weil er in Österreich christlich getauft worden sei und christliche Gotteshäuser besucht habe. Beweiswürdigend hielt das BVwG etwa fest, der Revisionswerber habe sich in der mündlichen Verhandlung zwar allgemein über das Christentum informiert gezeigt, dennoch sei das Wissen über das Christentum als gering zu werten. Auf die Frage, welche Themen im einjährigen Unterricht durch den Pfarrer, der den Revisionswerber getauft habe, besprochen worden seien, habe der Revisionswerber nur allgemein antworten können. Der Revisionswerber habe nicht den Eindruck vermittelt, dass er sich aus innerer Motivation und Überzeugung dem Christentum zugewandt habe. Bereits die oberflächliche und emotionslose Schilderung der ersten Kontaktaufnahme mit Kirchenvertretern in Österreich vermittle den Eindruck, dass sich der Revisionswerber nicht aktiv um den Kontakt zu einer Kirche und um die Taufe bemüht habe, sondern lediglich seine iranischen Freunde in einer größeren Gruppe begleitet habe. Auch die Schilderung des letzten Gottesdienstbesuches - der Revisionswerber habe zu den Inhalten der Predigt keinerlei persönlichen oder religiösen Bezug herstellen können - habe den Eindruck erweckt, der Revisionswerber besuche die Gottesdienste lediglich, um nicht allein zu sein. Das BVwG hielt weiters etwa fest, der Revisionswerber habe kein „Bekehrungserlebnis“ im Zuge seiner behaupteten Hinwendung zur neuen Religion nennen können; die Antwort auf die Frage, was ihn am Christentum so fasziniere, sei oberflächlich geblieben. Das BVwG setzte sich überdies mit der Aussage des als Zeugen einvernommenen Pfarrers, der den Revisionswerber unterrichtet und getauft hatte, eingehend auseinander.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Beweiswürdigung des BVwG zur Annahme einer Scheinkonversion des Revisionswerbers sei unvertretbar. Das BVwG habe die Zeugenaussage des Gemeindepfarrers nicht hinreichend gewürdigt und hätte überdies weitere Zeugen - etwa den Taufpaten des Revisionswerbers sowie weitere Mitglieder der Pfarrgemeinde - einvernehmen müssen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision wendet sich in der Zulassungsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG zur Frage der Konversion. Diesbezüglich läge nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtslage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Beweiswürdigung ist somit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit des verwaltungsgerichtlichen Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350, mwN).
10 Im vorliegenden Fall ging das BVwG von einer Scheinkonversion des Revisionswerbers aus, aufgrund derer keine asylrelevante Verfolgung zu erwarten sei. Soweit sich die Revision gegen diese asylrechtliche Beurteilung der behaupteten Konversion des Revisionswerbers wendet, ist zunächst festzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung der eine Konversion behauptenden Person ankommt, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Wesentlich ist dabei, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/18/0357, mwN).
11 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. wiederum VwGH 14.9.2020, Ra 2020/18/0357, mwN).
12 Entgegen dem Vorbringen der Revision hat sich das BVwG - nach einer eingehenden Befragung des Revisionswerbers während der mündlichen Verhandlung betreffend seine Konversion zum Christentum - in schlüssiger Weise mit den diesbezüglichen Aussagen des Revisionswerbers beweiswürdigend auseinandergesetzt. Auch der Vorwurf der Revision, das BVwG hätte die Aussagen des als Zeugen einvernommenen Pfarrers „vollständig außer Acht gelassen“, trifft keineswegs zu. Das BVwG gelangte insgesamt in nicht unvertretbarer Weise zum Ergebnis, dass dem Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung aufgrund der von ihm vorgebrachten Religionsausübung drohe, zumal nicht davon auszugehen sei, dass er wegen dieser in das Blickfeld iranischer Behörden gelangen würde, und keine innere Glaubenshinwendung des Revisionswerbers zum Christentum stattgefunden habe (vgl. zum Prüfungsmaßstab der Beweiswürdigung etwa VwGH 23.10.2020, Ra 2020/18/0404, mwN).
13 Soweit die Revision vorbringt, das BVwG hätte „bei Zweifeln an der inneren Glaubensänderung“ weitere Zeugen, etwa den Taufpaten des Revisionswerbers sowie weitere Mitglieder der Pfarrgemeinde, einvernehmen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass darauf gerichtete Beweisanträge nicht gestellt wurden. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0338, mwN). Dies zeigt die Revision nicht auf, zumal sie nicht darzulegen vermag, weshalb es unter Würdigung der bereits vorgelegenen Beweisergebnisse für das BVwG im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 erforderlich erscheinen musste, weitere Beweismittel von Amts wegen beizuschaffen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180430.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021