TE Vwgh Beschluss 2021/2/5 Ra 2020/21/0540

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Veröffentlicht am 05.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S Z, vertreten durch Burger Rest Rechtsanwälte in 1080 Wien, Wickenburggasse 3/16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2020, I422 2233236-1/15E, betreffend Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein 1982 in seinem Herkunftsland geborener serbischer Staatsangehöriger, reiste im Alter von rund acht Jahren nach Österreich ein, wo er erstmals von 27. Juli 1990 bis 13. Februar 1991 melderechtlich erfasst war und sich sodann seit 18. Juli 1991 durchgehend - zunächst rechtmäßig - aufhielt.

2        Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. März 2007 wurde gegen den Revisionswerber im Hinblick auf mehrere strafgerichtliche Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dessen Dauer mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. August 2013 auf sechs Jahre herabgesetzt wurde. Der Revisionswerber verblieb ungeachtet dieses Aufenthaltsverbots in Österreich und wurde erneut straffällig.

3        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ daraufhin mit Bescheid vom 17. Juni 2020 gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, verbunden mit dem Ausspruch, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, und der Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei; unter einem wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt, demgemäß nach § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und schließlich gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot verhängt.

4        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Mit Teilerkenntnis vom 28. Juli 2020 behob das Bundesverwaltungsgericht den Spruchpunkt betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 11. November 2020 wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Übrigen mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt wurde.

5        Das Bundesverwaltungsgericht stellte zwölf strafgerichtliche Verurteilungen des Revisionswerbers fest: Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 12. Oktober 2001, bedingte Freiheitsstrafe von zwei Monaten wegen schweren Diebstahls; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Oktober 2003, bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen schwerer Körperverletzung; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. April 2004, teilbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen versuchten schweren Einbruchsdiebstahls als Mitglied einer kriminellen Vereinigung sowie wegen Freiheitsentziehung; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Jänner 2006, unbedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten wegen versuchten schweren Einbruchsdiebstahls, Urkundenunterdrückung und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. Mai 2011, teilbedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten wegen Sachbeschädigung, schwerer Körperverletzung und Körperverletzung; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 2011, unbedingte Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Diebstahls und Sachbeschädigung; Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 19. Juni 2013, bedingte Freiheitsstrafe von zwei Monaten wegen Waffenbesitzes trotz aufrechten Waffenverbots; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. März 2014, unbedingte Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen Körperverletzung; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Juni 2014, unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen Körperverletzung, absichtlich schwerer Körperverletzung und unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 2018, unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen teils versuchten Einbruchsdiebstahls; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. März 2019, unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung; Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Februar 2020, unbedingte Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen Hehlerei.

6        Das Bundesverwaltungsgericht stellte außerdem fest, dass der Revisionswerber in Österreich die Pflichtschule sowie die Berufsschule für Kfz-Mechaniker und Karosseure abgeschlossen habe; die Ausbildung zum Kfz-Techniker habe er nicht abgeschlossen. Er sei zwischen 2001 und 2017 in insgesamt 29 Beschäftigungsverhältnissen für jeweils wenige Wochen bzw. Monate gestanden und habe dazwischen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen. Er sei ledig und kinderlos und lebe in keiner Lebensgemeinschaft. In Österreich lebten seine Eltern und sein Bruder. Seine Großmutter väterlicherseits lebe nach wie vor in Serbien. Für die Zeit nach der Haft, die er derzeit verbüße, seien ihm ein Einzeltherapieplatz bei einer Psychotherapeutin sowie eine Beschäftigung als Kfz-Elektriker zugesichert worden.

7        In rechtlicher Hinsicht kam das Bundesverwaltungsgericht bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich überwiege. Der Revisionswerber halte sich zwar schon sehr lange in Österreich auf, sei hier regelmäßig erwerbstätig gewesen und verfüge über eine Einstellungszusage; dem stehe jedoch die massive strafrechtliche Delinquenz des Revisionswerbers gegenüber. Auffallend sei in diesem Zusammenhang nicht nur die kontinuierliche Steigerung der Intensität des strafbaren Verhaltens, sondern auch dessen Vielschichtigkeit. Dabei komme gerade der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und der Bekämpfung der Schlepperei aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dem Revisionswerber fielen zudem auch gravierende Verstöße gegen die öffentliche Ordnung im Bereich des Fremdenrechts zur Last, sei er doch nach Rechtskraft des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbots unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Demgegenüber verfüge er nach wie vor über Bindungen an seinen Herkunftsstaat, in dem er die ersten prägenden Jahre verbracht und die ersten beiden Klassen der Grundschule besucht habe. Es werde ihm auf Grund seiner Sprachkenntnisse und seiner Erwerbsfähigkeit möglich sein, in Serbien eine Existenz aufzubauen.

8        Bei der für das Einreiseverbot vorzunehmenden Gefährdungsprognose stützte sich das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls auf die mehrfache massive Straffälligkeit des Revisionswerbers und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG sei erfüllt, weil der Revisionswerber zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten und überdies mehrfach wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verurteilt worden sei. Ein positiver Gesinnungswandel könne dem Revisionswerber noch nicht attestiert werden, weil er sich gegenwärtig in Strafhaft befinde. Die vom BFA verhängte Dauer des Einreiseverbots sei angemessen. Aus der bisherigen Wirkungslosigkeit sämtlicher fremden- und strafrechtlicher Sanktionen zeige sich, dass der Revisionswerber offenbar unwillig sei, sich der österreichischen Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Ein Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren sei daher notwendig, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen.

9        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12       Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Revisionswerber vor, dass die Unterlassung von Ermittlungen betreffend das Privatleben des Revisionswerbers einen Verfahrensmangel begründe. Das Bundesverwaltungsgericht habe „jegliche Erhebungen“ unterlassen und sich „stattdessen auf die Aussagen des Revisionswerbers und dessen Mutter in der Einvernahme“ zurückgezogen. Der Revisionswerber verfüge über zahlreiche Integrationsmerkmale (Aufenthalt im Bundesgebiet seit 27 Jahren, Deutschkenntnisse auf Muttersprachenniveau, freundschaftliche und familiäre Kontakte, überwiegend selbsterhaltungsfähig). Zu seiner in Serbien lebenden Großmutter habe und wolle er keinen Kontakt. Aufgrund der kulturbedingten Mentalität des Vaters und dessen chauvinistischer Einstellung sei der Revisionswerber auf einen falschen Weg gelangt, von welchem er sich nunmehr losreißen wolle; eine neuerliche Kontaktaufnahme zu seinem in Österreich lebenden Vater und dessen Mutter in Serbien wäre daher nicht förderlich. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher zum Schluss kommen müssen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung „zu verneinen“ gewesen wäre.

13       Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände wurden vom Bundesverwaltungsgericht, das sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft hatte, ohnedies berücksichtigt. Dass es angesichts der über viele Jahre wiederholten massiven Straffälligkeit des Revisionswerbers dennoch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines zehnjähriges Einreiseverbots als geboten ansah, war zumindest nicht unvertretbar (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit einer Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, mwN)

14       Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 5. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210540.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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