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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M A T in K, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/2/1.1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. August 2020, G302 2178146-1/34E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 29. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, im Jahr 2006 von schiitischen Milizen für drei Monate entführt und misshandelt worden zu sein.
2 Mit Bescheid vom 25. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG stellte - soweit für das Revisionsverfahren relevant - fest, der Revisionswerber habe keine aktuelle asylrelevante Verfolgung darlegen können. Er sei nach seiner Entführung im Jahr 2007 nach Syrien verzogen, jedoch mehrfach wieder in den Irak zurückgereist und habe dort auch gearbeitet. Der Revisionswerber habe den Irak aufgrund der „allgemeinen Lage“ verlassen.
5 Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das BVwG aus, das Vorbringen zur Verfolgung durch schiitische Milizen sei unplausibel. Es sei angesichts des Protokolls der Einvernahme vor dem BFA nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber keine Gelegenheit gehabt hätte, sein Vorbringen ausreichend darzulegen. Auch habe er im Verfahren vor dem BFA bestätigt, all seine Gründe vorgebracht zu haben. Der Revisionswerber habe vor dem BFA zu seiner behaupteten Entführung angegeben, seine Entführer aufgrund ihrer Vermummung und der nächtlichen Stunde nicht erkannt zu haben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass er diese dann im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG mehr als zwei Jahre später habe benennen können. Der Revisionswerber habe auch nicht nachvollziehbar darlegen können, warum er von Mossul, wo er sich von seiner Entführung erholt habe, wieder nach Basra, dem Ort der behaupteten Entführung, zurückgekehrt sei. So habe er dazu einerseits angegeben, aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung von Mossul nach Basra zurückgegangen zu sein, und andererseits, dass die Amerikaner überall nach Verbrechern gesucht hätten und er aus diesem Grund nach Basra zurückgekehrt sei. Hätte sich der Revisionswerber tatsächlich vor schiitischen Milizen gefürchtet, hätte er bereits zu diesem Zeitpunkt ausreisen müssen. Auch habe der Revisionswerber erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet, entführt worden zu sein, weil man ihn für einen Anhänger Saddam Husseins gehalten habe. Dies stelle eine Steigerung des Vorbringens dar. Zudem habe der Revisionswerber dieses Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung relativiert. Jedenfalls sei das Vorbringen, schiitische Milizen würden den Revisionswerber suchen, auch angesichts der Lösegeldzahlung durch die Familie und der anschließenden Freilassung nicht nachzuvollziehen. Das Motiv dieser Entführung im Jahr 2006 sei krimineller Natur gewesen. Zu seinem Pass habe eine Anfragebeantwortung ergeben, dass dieser jedenfalls in Bagdad ausgestellt worden sei, da immer der Ausstellungsort eingetragen werde. Wäre der Pass tatsächlich in Syrien ausgestellt worden, wäre auch als Ausstellungsort die irakische Botschaft in Damaskus eingetragen gewesen und nicht Bagdad. Der Aufenthalt in Syrien sei in einem Schreiben von UNHCR bestätigt worden, die Registrierung am 8. April 2015 auf inaktiv gesetzt worden. Die mehrmalige Rückkehr in den Irak ergebe sich aus den Stempeln in seinem Reisepass. Eine aktuelle Verfolgung durch schiitische Milizen habe sich somit nicht ergeben und eine aktuelle asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden können.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Dieses habe eine ganzheitliche Würdigung des Vorbringens des Revisionswerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, seiner persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens unterlassen, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten erfordert hätte. Der Revisionswerber habe die fluchtauslösenden Ereignisse im Kern stets gleichlautend geschildert. Bei den vermeintlichen Widersprüchen bzw. kleinen Ungereimtheiten handle es sich lediglich um Details, die keinesfalls geeignet seien, dem gesamten Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/19/0170, mwN).
11 Das BVwG hat sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, wie oben dargestellt, beweiswürdigend auseinandergesetzt und ist auch unter Berücksichtigung der, entgegen dem Revisionsvorbringen hinreichend aktuellen, Länderinformationsquellen, insbesondere dem Länderinformationsblatt zum Irak vom 17. März 2020, zum Ergebnis gelangt, dass die - teilweise nicht nachvollziehbaren und widersprüchlichen - Angaben des Revisionswerbers, insbesondere hinsichtlich der Aktualität der Verfolgungsgefahr, nicht plausibel seien.
12 Die Revision vermag mit den dargelegten, allgemein gehaltenen Ausführungen nicht darzutun, dass das BVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 5. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190444.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021