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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2020, Zl. W191 2135778-1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M S in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 24. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass ihn die Taliban zwangsrekrutieren hätten wollen.
2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. August 2016 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde statt, erkannte dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu, stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes zukomme und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten aus, der Mitbeteiligte habe glaubhaft gemacht, dass ihn die Taliban für ihren Kampf hätten rekrutieren wollen. Dem Mitbeteiligten stehe keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, zumal er landesweit gefunden werden könne und die staatlichen Einrichtungen nicht hinreichend imstande wären, ihn vor dieser Verfolgung zu schützen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob das BFA die vorliegende Amtsrevision. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück-, in eventu die Abweisung der Amtsrevision beantragte.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Amtsrevision ist im Hinblick auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigte Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem weitgehend identen Sachverhalt hinsichtlich unzureichender Feststellungen zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative zulässig; sie ist auch begründet.
8 Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten jenen, die der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21. Mai 2019, Ra 2019/19/0069 (betreffend Rekrutierungsversuche durch den Islamischen Staat), und vom 6. April 2020, Ra 2019/01/0443 (betreffend - wie hier - Rekrutierungsversuche durch die Taliban), entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die jeweiligen Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.
9 In diesem Zusammenhang wird weiters darauf hingewiesen, dass das vom BVwG als glaubwürdig erachtete Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten bereits mehrere Jahre zurückliegt. Daher wäre für die Frage der Verfolgungsgefahr im gesamten Herkunftsstaat konkret zu prüfen, ob der Mitbeteiligte im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit und nicht mit einer entfernten Möglichkeit mit Verfolgungshandlungen im gesamten Staatsgebiet Afghanistans rechnen müsse (zur Aktualität einer asylrelevanten Verfolgung vgl. VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, Rn. 31, mwN).
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Wien, am 5. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010378.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021