Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §13aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Vitecek, in der Revisionssache der I S, vertreten durch die Münzker & Riehs Rechtsanwälte OG in 2120 Wolkersdorf, Schlossplatz 3/Top 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. September 2020, LVwG-AV-864/001-2020, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. September 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich - unter Bestätigung des Bescheids der belangten Behörde (im Folgenden nur: Behörde) vom 2. Juli 2020 - den am 18. Oktober 2019 eingebrachten Antrag der Revisionswerberin, einer ukrainischen Staatsangehörigen, auf neuerliche Verlängerung ihrer - erstmals für die Zeit vom 20. November 2017 bis zum 19. November 2018 erteilten und sodann für die Zeit vom 20. November 2018 bis zum 19. November 2019 verlängerten - Aufenthaltsbewilligung für Studenten gemäß § 64 Abs. 2 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
2.2. Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Revisionswerberin habe für das maßgebliche vorangegangene Studienjahr 2018/2019 keinen hinreichenden Studienerfolg im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG nachgewiesen, zumal sie Prüfungen im Ausmaß von lediglich sechs ECTS-Punkten bzw. drei Semesterwochenstunden positiv absolviert habe. Das Studienjahr 2019/2020 sei noch nicht verstrichen, sodass die mit Bescheid der Universität Wien vom 15. Juli 2020 erfolgte Anerkennung von Prüfungen aus in der Ukraine absolvierten Universitätsstudien im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten außerhalb des hier maßgeblichen Beurteilungszeitraums liege. Für die zeitliche Zuordnung einer anerkannten Prüfung sei auf das Datum der Anerkennung abzustellen, zumal diese als Prüfungsantritt und positive Beurteilung in dem Studium gelte, für das die Anerkennung erfolge.
Wie das Verwaltungsgericht weiter ausführte, seien auch keine der Einflusssphäre der Revisionswerberin entzogenen, unabwendbaren und unvorhersehbaren Hinderungsgründe im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG gegeben. Dass die Revisionswerberin die Anerkennung von Prüfungen erst am 10. Juli 2020 beantragt habe, weil sie von der diesbezüglichen Möglichkeit nicht früher Kenntnis gehabt habe, stelle keinen beachtlichen Hinderungsgrund dar, hätte sie sich doch entsprechend erkundigen müssen. Was die Einschränkungen bei der Absolvierung des Studiums durch die Covid-19-Pandemie anbelange, so beträfen auch diese nicht das für den Studienerfolg maßgebliche Studienjahr 2018/2019.
2.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende - außerordentliche Revision.
Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass es an ihr gelegen wäre, sich über die mögliche Anerkennung von Prüfungen zu erkundigen. Tatsächlich treffe sie aber keine solche Obliegenheit, vielmehr sehe § 13a AVG eine Manuduktionspflicht vor, die hier außer Acht gelassen worden sei. Wäre die Revisionswerberin nämlich auf die Relevanz ihrer in der Ukraine absolvierten Universitätsstudien hingewiesen worden, hätte sie rechtzeitig einen Antrag auf Anerkennung von Prüfungen gestellt und den erforderlichen Studienerfolg nachweisen können.
3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin freilich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.
4.1. Ein Verfahrensmangel kann nur dann zur Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung führen, wenn er sich auf diese auswirken konnte und daher wesentlich war (vgl. OGH RIS-Justiz RS0116273). Voraussetzung ist somit, dass die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einer anderen für den Rechtsmittelwerber günstigeren Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 19.12.2006, 2004/03/0222; 21.10.2004, 2003/11/0251). Die Mängelrüge bedarf deshalb einer Darstellung der Relevanz des Verfahrensmangels im soeben aufgezeigten Sinn (vgl. VwGH 23.5.2018, Ra 2018/22/0074). Diese stellt auch eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision dar (vgl. VwGH 2.9.2020, Ra 2016/08/0006).
4.2. Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt jedenfalls keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht. Selbst unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben (vgl. VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0013; 27.3.2018, Ra 2018/06/0007).
4.3. Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG bezieht sich auch nur auf anhängige Verfahren und umfasst von vornherein keine Rechtshandlungen außerhalb des betreffenden Verfahrens. Die Erörterung über künftige mögliche Rechtsfolgen in einem weiteren Verfahren geht daher weit über die gebotene Manuduktion hinaus (vgl. in dem Sinn VwGH 22.12.2010, 2007/08/0067; 15.11.2007, 2007/12/0050).
5.1. Die Revisionswerberin macht - im Ergebnis - geltend, die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht habe sie unter Verletzung der Manuduktionspflicht nicht auf die Relevanz der in der Ukraine absolvierten Studien für den gemäß § 64 Abs. 2 NAG zu erbringenden Studienerfolgsnachweis hingewiesen, andernfalls hätte sie rechtzeitig die Anerkennung von Prüfungen beantragen und den Studienerfolg nachweisen können.
5.2. Ein Verfahrensmangel kann - nach der bereits aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 4.1.) - nur dann zur Aufhebung einer bekämpften Entscheidung führen, wenn er sich auf diese auswirken konnte, indem die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei einem mängelfreien Verfahren zu einem für den Rechtsmittelwerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
6.1. Der gegenständliche Verlängerungsantrag wurde am 18. Oktober 2019 eingebracht und mit Bescheid der Behörde vom 2. Juli 2020 abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. September 2020 als unbegründet abgewiesen.
Davon ausgehend fand das gesamte behördliche und verwaltungsgerichtliche Verfahren - von der Antragstellung bis zur hier angefochtenen Entscheidung - innerhalb des Studienjahrs 2019/2020 statt.
6.2. Für den gemäß § 64 Abs. 2 NAG nachzuweisenden Studienerfolg kommt es auf die absolvierten Prüfungen in jenem Studienjahr an, das dem Gültigkeitsende des zu verlängernden Aufenthaltstitels vorangegangen ist, es sei denn, dass auf Grund der Verfahrensdauer inzwischen ein weiteres - diesfalls maßgebliches - Studienjahr verstrichen wäre (vgl. VwGH 31.1.2020, Ra 2017/22/0108; 13.6.2019, Ra 2018/22/0293).
Vorliegend verfügte die Revisionswerberin über eine zuletzt bis zum 19. November 2019 verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Der Studienerfolg war daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte - für das vorangegangene Studienjahr 2018/2019 nachzuweisen, zumal während der Dauer des Verfahrens auch kein weiteres Studienjahr abgelaufen ist.
6.3. Wie schon gesagt, fand das gegenständliche Verlängerungsverfahren zur Gänze innerhalb des Studienjahrs 2019/2020 statt. Selbst wenn daher die Revisionswerberin im gegenständlichen Verfahren ehestmöglich zur Erwirkung der Anerkennung von Prüfungen aus den schon absolvierten Studien angeleitet worden wäre, hätte der diesbezügliche Bescheid nicht früher als im Studienjahr 2019/2020 ergehen können. Die anerkannten Prüfungen wären daher - nach dem Zeitpunkt ihrer Anerkennung (vgl. VwGH 19.2.2014, 2013/22/0177; siehe auch § 78 Abs. 7 Universitätsgesetz 2002, wonach die Anerkennung als Prüfungsantritt und positive Beurteilung in dem Studium gilt, für das die Prüfung anerkannt wird) - jedenfalls nicht dem hier maßgeblichen Studienjahr 2018/2019 zuzurechnen (gewesen).
Im Hinblick darauf ist jedoch der behauptete Verfahrensmangel für den Verfahrensausgang ohne Auswirkung bzw. nicht wesentlich, fehlt ihm doch von vornherein die Eignung, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht bei seiner Vermeidung zu einer anderen für die Revisionswerberin günstigeren Entscheidung hätte gelangen können.
7. Der behauptete Verfahrensmangel ist aber auch deshalb zu verneinen, weil - nach der schon dargestellten Rechtsprechung (Punkt 4.2.) - die Manuduktionspflicht keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht erfordert und - selbst unvertretene - Verfahrensparteien nur zu Verfahrenshandlungen anzuleiten sind, nicht aber in materieller Hinsicht dahingehend zu beraten sind, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben.
Vorliegend wäre eine Manuduktion der Revisionswerberin dahingehend, dass sie den Erfolgsnachweis nicht nur durch rezente Prüfungserfolge im maßgeblichen Studienjahr, sondern auch durch die mögliche Anerkennung von Prüfungen aus früher absolvierten Studien erbringen könne, als eine solche materiell-rechtliche Beratung und Anleitung zu erachten, zu der die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nicht verhalten war.
8. Sollte die Revisionswerberin allenfalls der Meinung sein, die Behörde hätte sie auf die mögliche Anerkennung von Prüfungen aus früher absolvierten Studien bereits im vorangegangenen (erstmaligen) Verlängerungsverfahren hinweisen müssen, kann dem ebensowenig gefolgt werden.
Die Manuduktionspflicht bezieht sich - nach der bereits angeführten Rechtsprechung (Punkt 4.3.) - nur auf anhängige Verfahren und umfasst von vornherein keine Rechtshandlungen außerhalb des betreffenden Verfahrens. Eine vorauseilende Erörterung allfälliger künftiger in einem weiteren Verfahren auftretender Rechtsfragen (wie hier der möglichen Erbringung des Erfolgsnachweises durch Anerkennung von Prüfungen aus früher abgelegten Studien in einem künftigen Verlängerungsverfahren) war davon jedenfalls nicht umfasst.
9. Insgesamt wird daher in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit etwa VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0008) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 8. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020220251.L00Im RIS seit
27.04.2021Zuletzt aktualisiert am
27.04.2021