TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2020/19/0018

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/19/0019
Ra 2020/19/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. des V L, 2. der E L, und 3. der E L, alle in W und alle vertreten durch Mag. Hubert Hohenberger, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Brauhausstraße 9A/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2019, Zlen. 1. W247 2216381-1/11E, 2. W247 2216382-1/11E und 3. W247 2216384-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen Drittrevisionswerberin. Alle sind Staatsangehörige der Ukraine, stammen aus Donezk und stellten am 11. Oktober 2018 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachten sie vor, der Erstrevisionswerber habe bei einem Unternehmen in der selbsternannten „Volksrepublik Donezk“ gearbeitet, sein Gehalt aber aus der Ukraine bezogen. Ein Teil seines Gehalts sei automatisch einbehalten und der ukrainischen Armee überwiesen worden. In Donezk würde der Erstrevisionswerber daher als Verräter angesehen. Von einem beim Verteidigungsministerium in Donezk tätigen Bekannten habe der Erstrevisionswerber erfahren, dass er verhaftet werden solle. In die Ukraine könne der Erstrevisionswerber nicht gehen, weil er dort als Separatist gelten würde. Die Zweit- und Drittrevisionswerberin brachten keine eigenen Fluchtgründe vor.

2        Mit Bescheid vom 22. Februar 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung zulässig sei. Außerdem erkannte es den Beschwerden gegen diese Bescheide die aufschiebende Wirkung ab.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das BVwG kam in seiner Begründung zum Ergebnis, dass sich das Fluchtvorbringen der revisionswerbenden Parteien als nicht glaubhaft erweise. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihnen in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe. Eine Rückkehr nach Donezk sei auf Grund der dortigen volatilen Sicherheitslage nicht möglich, jedoch stehe den revisionswerbenden Parteien eine zumutbare und sicher erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative in Kiew offen. Der Erlass der Rückkehrentscheidung stelle keine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben der revisionswerbenden Parteien dar, weil das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Revisionswerber deren persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würde.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision stützt sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung insbesondere darauf, dass das BVwG veraltete Länderberichte herangezogen und insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre sowie seine Ermittlungspflicht verletzt hätte. Zudem entspreche das angefochtene Erkenntnis nicht den Ansprüchen des Verwaltungsgerichtshofs an die Begründung und den Aufbau von Entscheidungen, weshalb den revisionswerbenden Parteien keine wirksame Rechtsverfolgung offenstehe.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2018/19/0559, mwN).

9        Die Revision verweist in diesem Zusammenhang auf einen UNHCR-Bericht über die Situation in der Ukraine vom 16. August bis 15. November 2018, wonach in dieser Zeit Fälle dokumentiert worden seien, in denen Personen vom staatlichen Geheimdienst der Ukraine unter dem Vorwurf der Terrorismusfinanzierung wegen der Bezahlung von Steuern und Abgaben in der Volksrepublik Donezk festgenommen worden seien.

10       Damit zeigt die Revision nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG betreffend das Nichtvorliegen der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung insgesamt unvertretbar im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre (vgl. zum diesbezüglichen Maßstab etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0310, mwN). Die Revision verkennt mit ihrem Vorbringen, dass sich der zitierte Bericht auf eine Verfolgung durch den ukrainischen Geheimdienst infolge Steuerzahlungen in Donezk bezieht, der Erstrevisionswerber jedoch eine Verfolgung durch das Verteidigungsministerium in Donezk wegen seiner Steuerzahlungen in der Ukraine vorgebracht hatte. Der Revision gelingt es somit nicht, die Relevanz des vorgebrachten Verfahrensfehlers aufzuzeigen.

11       Soweit die Revision behauptet, das BVwG sei von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aufgestellten Mindestanforderungen an Begründung und den Aufbau von Erkenntnissen abgewichen, lässt sie jede Konkretisierung vermissen, worin die Verletzung der Begründungspflicht bestünde bzw. inwiefern das BVwG hier von der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Die Revision zeigt somit schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190018.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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