TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2020/11/0225

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
68/02 Sonstiges Sozialrecht

Norm

BBG 1990 §40
BBG 1990 §41
BBG 1990 §45
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Mag. Dr. I K in W, vertreten durch Dr. Johannes Schuster und Mag. Florian Plöckinger, Rechtsanwälte (GesbR) in 1020 Wien, Praterstern 2/1. DG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2020, Zl. W238 2225245-1/19E, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, indem es den Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2019 bestätigte, den Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß den §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab.

Gleichzeitig sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        In der Begründung gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Leiden der Revisionswerberin nur einen Gesamtgrad der Behinderung von 40% und somit nicht die gemäß § 40 Abs. 1 BBG für die Ausstellung des Behindertenpasses erforderlichen 50% erreiche.

3        Dem liegt die Feststellung des Verwaltungsgerichts zugrunde, die Revisionswerberin leide (soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung) an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, an einer rezidivierenden depressiven Störung sowie an einer angeborenen Gliedmaßenabnormität sowohl der rechten als auch der linken Hand. Während an der linken Hand der Daumen und der Zeigefinger fehlten (die vorhandenen drei Finger zeigten keine maßgeblichen Einschränkungen und ermöglichten die Greif- und Haltefunktion), seien an der rechten Hand einige der fünf vorhandenen Finger verkürzt (beim Zeige- und Mittelfinger fehlten die Endglieder, beim Ringfinger fehle das End- und das Mittelglied; die Funktion der Finger sei nicht maßgeblich eingeschränkt, die Greif- und Haltefunktion sei gegeben).

4        Hinsichtlich des Ausmaßes der Leiden der Revisionswerberin und der wechselseitigen Leidensbeeinflussung sei ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt und im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung ergänzt worden. Der Sachverständige habe den Grad der Behinderung der einzelnen Leiden anhand der entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl. II Nr. 251/2012 dargelegt und die Lungenerkrankung der Revisionswerberin als führendes Leiden mit einem Behinderungsgrad von 30% (Positionsnummer 06.06.02 der genannten Anlage der Verordnung) eingestuft. Der Gesamtgrad der Behinderung ergebe sich gemäß § 3 der Einschätzungsverordnung und (näher zitierter) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Wege der Addition des Behinderungsgrades der anderen Leiden, sondern danach, inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigender Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt sei.

5        Dementsprechend erhöhe die Gliedmaßenabnormität der linken Hand (die [isoliert betrachtet] gemäß Positionsnummer 02.06.29 einen Grad der Behinderung von 30% aufweise) den Gesamtgrad der Behinderung auf insgesamt 40%. Demgegenüber seien die Veränderungen an der rechten Hand und das psychische Leiden nicht zusätzlich graderhöhend (wird näher begründet).

6        In den Sachverständigengutachten sei insbesondere auch schlüssig dargelegt worden, dass die in Rede stehende Gliedmaßenabnormität der beiden Hände der Revisionswerberin - entgegen ihrem Beschwerdevorbringen - nicht unter die Positionsnummer 02.06.33 („Verlust von drei Fingern“) oder die Positionsnummern 02.06.36 ff („Verlust von vier Fingern“) falle, weil der Revisionswerberin (insgesamt) zwei Finger fehlten, wohingegen bei den anderen Fingern nicht von einem kompletten Verlust auszugehen sei (das Fehlen von Fingergliedern werde nämlich im Unterschied zum Verlust ganzer Finger in der Einschätzungsverordnung gesondert geregelt; vgl. die Ausführungen vor der Positionsnummer 02.06.27 der Anlage).

7        Die Revisionswerberin sei dem genannten Gutachten auch nicht durch ein Gegengutachten entgegengetreten, das Verwaltungsgericht habe in der durchgeführten Verhandlung überdies einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin gewinnen können.

8        Zusammengefasst sei daher der Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Erreichens eines Gesamtgrades der Behinderung von 50% abzuweisen gewesen.

9        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

13       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).

14       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „durch das rechtswidrige Nichtbeachten der Anlage der Einstufungsverordnung“ ab, weil es die in der Einschätzungsverordnung vorgesehenen Positionsnummern betreffend den „Verlust von 3 oder 4 Fingern mit Einschluss des Daumens“ nicht als verwirklicht angesehen habe.

15       Abgesehen davon, dass damit schon mangels konkreter Benennung jener hg. Rechtsprechung, von der das Verwaltungsgericht behauptetermaßen abgewichen sei, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. obzitierten Kriterien nicht konkret aufgezeigt wird, weicht die Revisionswerberin mit diesem Vorbringen vom festgestellten Sachverhalt ab, wonach bei ihr ein „Verlust von [zumindest] drei Fingern“ (d.h. nicht bloß Fingergliedern) iSd. Einschätzungsverordnung nicht gegeben sei.

16       Ebensowenig wird das weitere Zulässigkeitsvorbringen, der Gesamtgrad der Behinderung sei in Abweichung von der hg. Judikatur unrichtig ermittelt worden (weil sich „die Frage“ stelle, weshalb „einhändige Tätigkeiten, welche bei Schäden auch an der zweiten Hand erschwert sind“, nicht durch einen höheren Gesamtgrad der Behinderung abgebildet werden), in Bezug auf die vermeintlich abweichende Rechtsprechung präzisiert.

17       Da das Zulässigkeitsvorbringen der Revision somit nicht den dargestellten Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG entspricht, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110225.L00

Im RIS seit

16.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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