TE Vwgh Beschluss 2021/2/10 Ra 2021/18/0019

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Veröffentlicht am 10.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H A, vertreten durch Dr. Thomas Trentinaglia, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Kirchgasse 5, gegen das am 9. Juli 2020 mündlich verkündete und am 2. Oktober 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G304 2194633-1/19E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 26. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Rahmen der Erstbefragung zusammengefasst damit begründete, in seinem Heimatland vom „Islamischen Staat“ bedroht worden zu sein. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der Revisionswerber sodann an, von seinen Cousins, die einer schiitischen Miliz angehörten, aufgrund von Streitigkeiten um sein Elternhaus bedroht worden zu sein. Nach seiner Ausreise habe er erfahren, dass nicht diese Cousins, sondern zwei Brüder des Revisionswerbers samt ihrer Familien im Haus lebten.

2        Mit Bescheid vom 6. April 2018 wies das BFA diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass der Revisionswerber seine Fluchtgründe aufgrund widersprüchlicher, gesteigerter und nicht nachvollziehbarer Angaben nicht habe glaubhaft machen können.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 24. November 2020, E 4036/2020-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5        In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht, die sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet.

6        Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Wenn sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft. Eine solche liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0177, mwN).

11       Dass die Beweiswürdigung des BVwG mit einem derart gravierenden Mangel behaftet wäre, zeigt die Revision nicht auf. Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden, ausführlichen Beweiswürdigung mit den einzelnen Aspekten des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers in nicht unschlüssiger Weise auseinandergesetzt. Das BVwG erachtete das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers dabei für nicht glaubwürdig und stützte sich auf diverse Widersprüchlichkeiten und die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Angaben des Revisionswerbers sowie auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens. Seine Erwägungen gründete es dabei auch auf den in der mündlichen Verhandlung entstandenen, persönlichen Eindruck vom Revisionswerber. Inhaltlich führte das BVwG unter anderem aus, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Cousins den Revisionswerber, nachdem er der Forderung, ihnen das Haus seines Vaters zu überlassen, nachgekommen sei, überhaupt noch verfolgen bzw. bedrohen sollten. Das Haus scheine noch dazu gar nicht mehr von Interesse für die Cousins zu sein, nachdem nunmehr die Brüder des Revisionswerbers nach dessen eigenen Angaben dort wohnten. Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, noch verfolgt zu werden, jedoch nicht dargelegt, woher er von dieser (aktuellen) Verfolgung wisse. Zudem habe der Revisionswerber ausgeführt, dass er seit 2016 keinen Kontakt mehr mit seinen Familienangehörigen im Irak habe, im Gegensatz dazu aber vor dem BFA im Jahr 2018 angegeben, regelmäßig in Kontakt mit seiner Familie (u.a. seiner Schwester) zu sein. Schließlich würdigte das BVwG unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Erstbefragung auch, dass der Revisionswerber in der Erstbefragung ein komplett anderes Fluchtvorbringen erstattet habe. Im Ergebnis kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber keine Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr durch seine Cousins glaubhaft habe machen können, sowie dass es ihm möglich gewesen wäre, sich anderswo im Irak niederzulassen.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180019.L00

Im RIS seit

07.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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