TE Vwgh Beschluss 2021/2/10 Ra 2021/18/0011

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Veröffentlicht am 10.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M N, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2020, W123 2196188-1/31E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein der Volksgruppe der Paschtunen zugehöriger Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14. Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er aufgrund seiner Weigerung, Drohbriefe für die Taliban zu schreiben, sowie dem Vorwurf, für die Regierung zu spionieren, von den Taliban verfolgt werde, die zuvor bereits seinen Vater und andere Familienangehörige getötet hätten.

2        Mit Bescheid vom 20. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan fest, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dass aufgrund zahlreicher im Einzelnen dargestellter Ungereimtheiten das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht glaubhaft sei. Selbst bei Wahrunterstellung stehe ihm jedoch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offen.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2020, E 2562/2020-8, ablehnte und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 22. Oktober 2020, E 2562/2020-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5        Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, dass das BVwG eine Verfolgung des Revisionswerbers aufgrund seiner vorgebrachten drei bis vier Monate währenden Tätigkeit als Lehrer nicht unter Heranziehung näher genannter Länderberichte geprüft habe.

6        Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision moniert, das BVwG habe außer Acht gelassen, dass der Revisionswerber nach seinem Vorbringen in seinem Heimatdorf auch für circa drei bis vier Monate als (u.a. Englisch-)Lehrer tätig gewesen sei. Bei einer Vorsprache bei den Taliban sei ihm von einem Talibanführer, der angab, seinen Vater getötet zu haben, nicht nur seinerseits Spionage für die Regierung vorgeworfen, sondern auch das Unterrichten verboten worden. Ungeachtet dessen habe das BVwG diesen Umstand jedoch nicht bzw. nicht unter Zugrundelegung der diesbezüglichen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (im Folgenden: UNHCR-Richtlinien) bzw. der EASO-Richtlinien für Afghanistan (Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019, im Folgenden: EASO-Leitfaden) berücksichtigt.

11       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision Verfahrensmängel geltend gemacht werden, reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel - in konkreter Weise - darzulegen (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0295, mwN).

12       Dies gelingt der Revision jedoch nicht.

13       Der Revisionswerber machte nämlich in Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen nur pauschale Angaben zu Vorkommnissen in Bezug auf seine Tätigkeit als Lehrer und führte im Wesentlichen ins Treffen, dass nach seinem Vater auch ihm von den Taliban vorgeworfen worden sei, für die Regierung zu spionieren und Informationen weitergegeben zu haben, und er deswegen bedroht worden sei.

14       Mit diesem Vorbringen des Revisionswerbers setzte sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis auch umfassend auseinander, sah nachvollziehbar keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen und kam vertretbar zu dem Ergebnis, dass das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht glaubhaft sei.

15       Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 16.9.2020, Ra 2020/18/0360, mwN).

16       Dass - wie die Revision anzunehmen scheint - jede Person, die in Afghanistan in der Vergangenheit (auch nur kurzfristig) als Lehrkraft tätig war, einer landesweiten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei, ergibt sich zudem weder aus den UNHCR-Richtlinien, noch aus dem EASO-Leitfaden.

17       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180011.L00

Im RIS seit

07.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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