TE Vwgh Beschluss 2021/2/11 Ra 2021/20/0017

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Veröffentlicht am 11.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M Z in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2019, W158 1433923-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 27. Dezember 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 8. März 2013 ab und erließ gegen den Revisionswerber eine Ausweisung nach Afghanistan.

3        Mit Erkenntnis vom 14. April 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheids betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, gab der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten statt, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung und behob die Ausweisung ersatzlos.

4        Mit Bescheid vom 26. Juli 2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen und sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Zudem legte die Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Das Bundesverwaltungsgericht traf unter anderem Feststellungen zum monatlichen Einkommen des Revisionswerbers und stellte fest, dass seine Muttersprache Dari sei, dass er mit Afghanen in einer Wohngemeinschaft lebe, bereits zuvor „mehrere Jahre mit Afghanen zusammen“ gelebt habe und „die meiste Freizeit mit seinen Mitbewohnern“ verbringe. Er unterhalte sich mit ihnen auf Dari und feiere mit ihnen traditionelle afghanische Feste, etwa das afghanische Neujahr. Er sei mit den afghanischen kulturellen und traditionellen Gepflogenheiten vertraut. Im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung schloss das Bundesverwaltungsgericht daraus, dass der Revisionswerber „im Bundesgebiet durch das Zusammenleben mit Afghanen nunmehr auch mit den afghanischen kulturellen Gepflogenheiten vertraut“ sei und „eine Landessprache Afghanistans beherrsch[e]“, was zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht der Fall gewesen sei. Weiters hielt es fest, dass der Revisionswerber durch seine Tätigkeit in Österreich über ein Einkommen und daher nunmehr auch über die nötigen finanziellen Mittel für die Ansiedlung in einer fremden Stadt verfüge.

7        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 26. November 2020, E 4077/2019-11, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8        Gegen das oben genannte Erkenntnis richtet sich die daraufhin eingebrachte (außerordentliche) Revision.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat nicht mit den UNHCR-Richtlinien zur Beurteilung internationaler Schutzbedürftigkeit von Asylwerbern aus Afghanistan vom 30. August 2018 sowie den EASO-Richtlinien für Afghanistan vom Juni 2018 auseinandergesetzt und keine fallbezogenen Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in den zuvor genannten Städten getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich insbesondere nicht mit der in den EASO-Richtlinien besonders hervorgehobenen Kategorie der alleinstehenden Männer, die „entweder außerhalb Afghanistans geboren“ seien oder „lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt“ hätten, auseinandergesetzt. Für diese Kategorie wiesen die genannten Richtlinien darauf hin, dass die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ohne Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerks unzumutbar sein könne, und dass in einem solchen Fall unter anderem auf Gesichtspunkte wie die Kenntnisse von lokalen Gegebenheiten und den sozio-ökonomischen Hintergrund des Antragstellers Bedacht zu nehmen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich demgegenüber mit der persönlichen Situation des Revisionswerbers sowie der Möglichkeit einer Rückkehr nach Afghanistan für „Iran-Afghanen“, die entweder außerhalb von Afghanistan geboren worden seien oder lange Zeit außerhalb von Afghanistan gelebt hätten, nicht auseinandergesetzt und habe in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber „keine einzige Sekunde“ seines Lebens in Afghanistan gelebt habe, in Afghanistan über kein soziales Netzwerk verfüge, mit den Gebräuchen, Sitten und Gepflogenheiten Afghanistans in keiner Weise vertraut sei und dass jene Fähigkeiten und Kenntnisse, die er in Österreich erworben habe, in Afghanistan „völlig wertlos wären“.

13       Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision großteils von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen, oben dargestellten Feststellungen.

14       Entfernt sich das Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, wird schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2019/14/0394, mwN).

15       Im Übrigen ist festzuhalten, dass, wenn - wie hier - durch den Vorwurf der Unterlassung der Berücksichtigung aktueller Länderberichte Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/20/0384, mwN). Mit ihrem pauschalen und den relevanten Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (etwa zur finanziellen Lage des Revisionswerbers) nicht entgegentretenden Vorbringen, die persönliche Situation des Revisionswerbers, als ein mit afghanischen Bräuchen nicht vertrauter „Iran-Afghane“, lasse die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative als nicht zumutbar erscheinen, gelingt es der Revision nicht, die Relevanz darzutun.

16       Soweit sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung (unter Anführung der - hier nicht einschlägigen - Bestimmung des § 24 Abs. 4 VwGVG) gegen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung wendet, wird nicht dargestellt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes, nach denen gemäß dem hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden darf, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, abgewichen wäre (vgl. zu den Voraussetzungen nach dieser Bestimmung VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung den Revisionswerber daran gehindert hätte, dem Bundesverwaltungsgericht sämtliche dem Nachweis seiner Integration dienende Unterlagen vorzulegen oder weitere Integrationsbemühungen bereits in seiner Beschwerde vorzubringen.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 11. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200017.L00

Im RIS seit

16.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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