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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M M in W, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 1/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. September 2020, I411 2126464-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, der sich von März 2010 bis Februar 2012 rechtmäßig in Österreich aufhielt, stellte am 28. September 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit dem Bescheid vom 13. April 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ägypten fest und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis - mit einer hier nicht wesentlichen Maßgabe - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es - zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall relevant - nach näherer Beweiswürdigung im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe den von ihm behaupteten Fluchtgrund nicht glaubhaft machen können und die öffentlichen Interessen überwögen das Interesse des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts richtet, ist der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/20/0384, mwN).
7 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt und ist anhand näher dargelegter, nicht als unschlüssig anzusehender Überlegungen (etwa betreffend die vage gehaltenen, detailarmen Antworten des Revisionswerbers hinsichtlich seiner behaupteten Mitgliedschaft bei der Muslimbruderschaft sowie das gesteigerte, unplausibel erscheinende Vorbringen hinsichtlich eines „Botschaftsganges“ des Revisionswerbers im Jahr 2013) zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes vermag der im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Umstand, dass sich der Revisionswerber zum Zeitpunkt des Militärputsches nicht in Ägypten befunden habe und er somit keine Fluchtgeschichte im klassischen Sinn aufweise, nicht in relevanter Weise entgegenzutreten.
8 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 14.12.2020, Ra 2020/20/0408 bis 0411, mwN).
9 Soweit der Revisionswerber auf die zentrale Bedeutung seines fast zwölfjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet verweist, übersieht er, dass das persönliche Interesse zwar grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, die bloße Aufenthaltsdauer jedoch nicht allein maßgeblich ist, sondern vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/20/0093, mwN).
10 Das Bundesverwaltungsgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der Revisionswerber weder über familiäre Anknüpfungspunkte oder anderweitige enge soziale Kontakte im Bundesgebiet noch über maßgebliche Deutschkenntnisse oder eine absolvierte Deutschprüfung verfüge, keine ehrenamtlichen Tätigkeiten oder aktive Vereinsmitgliedschaften vorweise sowie seit Februar 2013 keiner erlaubten Erwerbstätigkeit mehr nachgehe und nicht selbsterhaltungsfähig sei. Das Bundesverwaltungsgericht führte unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung aus, dass dem Revisionswerber die lange Verfahrensdauer zwar nicht angelastet werden könne, dessen Integrationsbemühungen jedoch nicht darauf schließen ließen, dass dieser die im Bundesgebiet verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hätte, um sich zu integrieren.
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat demnach im Rahmen der Interessenabwägung auf die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände Bedacht genommen. Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass die - auch auf den im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützte - Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die persönlichen Interessen des Revisionswerbers ungeachtet des mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes das öffentliche Interesse nicht überwögen, mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit belastet wäre.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200375.L00Im RIS seit
16.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021