TE Vwgh Beschluss 2021/2/12 Ra 2020/04/0034

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Veröffentlicht am 12.02.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §66 Abs4
GewO 1994 §1 Abs2
GewO 1994 §366 Abs1 Z1
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz in 8011 Graz, Europaplatz 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. Jänner 2020, Zl. LVwG 30.25-30/2020-2, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: P K in G, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz (Amtsrevisionswerber) vom 14. August 2019, dem Mitbeteiligten zugestellt am 2. Dezember 2019, wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, „es als unbeschränkt haftender Gesellschafter der X - Y KG, mit Sitz in G, und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ zu verantworten, dass die KG zumindest von 01.01.2017 bis 13.08.2018, ca. 13 Dienstnehmer an die Fahrschule Y (lt. GKK Auszug) und somit an den Inhaber Herrn N. N., überlassen“ zu haben; dadurch habe „die KG das reglementierte Gewerbe mit dem Wortlaut ‚Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 94 Z 72 GewO 1994‘ ausgeübt ohne die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.“ Der Mitbeteiligte habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 94 Z 72 GewO 1994 iVm § 9 Abs. 1 VStG begangen und es werde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

2        Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, hob das Straferkenntnis auf, stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, ungeachtet des Umstandes, dass der Amtsrevisionswerber einen Tatort für das dem Mitbeteiligten vorgehaltene Tätigkeitsdelikt nicht explizit angeführt habe, habe die Verwaltungsstrafbehörde bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nach § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 fallbezogen nicht ausreichend auf die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs. 2 GewO 1994 Bezug genommen. Zur Verwirklichung des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 genüge es nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt werde, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten sei. Zudem müssten auch die Merkmale einer Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs. 2 GewO 1994 erfüllt sein. Vorliegend nehme weder die Strafverfügung vom 7. März 2019 noch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. April 2019 auf die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs. 2 GewO 1994 Bezug. Es sei auch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses eine Bezugnahme auf diese Merkmale nicht erfolgt. Lediglich in der Begründung des am 2. Dezember 2019 erlassenen Straferkenntnisses gehe der Amtsrevisionswerber von einer Gewinnabsicht der X - Y KG aus. Selbst wenn man die Regelmäßigkeit der Tätigkeit aus dem behördlicherseits angezogenen Tatzeitraum zu erschließen vermöge, hätte es zur konkreten Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat, neben dem Anführen des Arbeitsortes der überlassenen Arbeitnehmer auch der Bezugnahme auf das Merkmal der Selbstständigkeit und der Gewinnabsicht bedurft, um eine konkrete Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu gewährleisten. Daher sei dem strengen Konkretisierungsgebot nach § 44a Z 1 VStG nicht entsprochen worden. Eine Konkretisierung der dem Mitbeteiligten vom Amtsrevisionswerber vorgehaltenen Tat im Zuge des Beschwerdeverfahrens würde dazu führen, dass vorliegend die Tat durch das Verwaltungsgericht in unzulässiger Weise ausgewechselt und dem Mitbeteiligten erstmals vorgehalten werden würde. Der Beschwerde sei daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

4        Die Begründung des Zulässigkeitsausspruchs beschränkt sich auf die Wiedergabe des Wortlauts des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht wäre im Hinblick auf näher dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verpflichtet gewesen, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, statt das angefochtene Straferkenntnis zu beheben. Soweit das Verwaltungsgericht im Spruch die Erwähnung der Kriterien der Gewerblichkeit gemäß § 1 Abs. 2 GewO 1994 des vorgeworfenen Tuns vermisse, jedoch zugestehe, dass diese Kriterien sich aus der Begründung des Straferkenntnisses entnehmen ließen, wäre eine Konkretisierung des Spruchs durch das Verwaltungsgericht zulässig und geboten gewesen. Dies hätte keinen unzulässigen Austausch des Tatvorwurfs bedeutet. Dem Mitbeteiligten sei eine konsenslose gewerbliche Überlassung von 13 Arbeitskräften über einen bestimmten Zeitraum unter Zitierung der maßgeblichen und einschlägigen Rechtsvorschriften vorgeworfen worden. In diesem Rahmen und auf Basis eines unveränderten Sachverhalts hätte das Verwaltungsgericht den Spruch konkretisieren können, ohne die Sache zu verlassen. Die Gefahr einer Doppelbestrafung sei nicht zu erkennen. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung behandle Fälle, in denen die Rechtsmittelinstanz gegen das Konkretisierungsverbot verstoßen habe. Das Verwaltungsgericht habe die in diesen Entscheidungen innewohnende Direktive verkannt, einen als mangelhaft erachteten Spruch zu präzisieren.

9        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es gemäß § 44a Z 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Die Einhaltung des § 44a Z 1 und 2 VStG dient nach der Rechtsprechung dazu, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl. VwGH 17.2.2016, Ra 2016/04/0006, mwN). Welche Tatbestandsmerkmale die Tatumschreibung demnach zu enthalten hat, ist vom betreffenden Tatbestand des zur Anwendung gelangenden Materiengesetzes und den jeweiligen Begleitumständen abhängig (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0053, 0054, Rn. 5, mwN).

10       Gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, und nicht Z 10 oder § 367 Z 8 anzuwenden sind.

11       Nach § 94 Z 72 GewO 1994 ist die Überlassung von Arbeitskräften ein reglementiertes Gewerbe.

12       Gemäß § 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit dann gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Nach Abs. 3 liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

13       Der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 enthält unter anderem das Tatbestandselement, dass jemand „ein Gewerbe ausübt“. Zur Verwirklichung des genannten Tatbestandes genügt es jedoch noch nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten ist, sondern es müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 vorliegen (vgl. VwGH 15.9.1999, 99/04/0110).

14       Um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, hätte es daher im Spruch des Straferkenntnisses einer Darstellung jenes konkreten Verhaltens der X - Y KG, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter der Mitbeteiligte ist, bedurft, durch das nach Meinung des Amtsrevisionswerbers das Gewerbe der „Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 94 Z 72 GewO 1994“ unter Bedachtnahme auf die im § 1 Abs. 2 GewO 1994 normierten Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit einer Tätigkeit ausgeübt wurde. Der spruchgemäße Vorwurf, Dienstnehmer an eine näher bestimmte Fahrschule überlassen zu haben, allein indiziert noch nicht die Erfüllung der angeführten Tatbestandsmerkmale einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994. Dieser Tatumschreibung lässt sich keine ausreichende Bezugnahme auf die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 entnehmen. Es fehlt insbesondere ein hinlänglicher Ansatzpunkt dafür, dass die Tätigkeit „in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist“ (vgl. VwGH 29.1.1991, 90/04/0126; 10.9.1991, 91/04/0098; 8.10.1996, 96/04/0081; 22.4.1997, 97/04/0009; 15.9.1999, 99/04/0110). Der Spruch des Straferkenntnisses verstößt somit gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG.

15       Nach ständiger Rechtsprechung ist es grundsätzlich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines Verwaltungsgerichts - wie auch der Berufungsbehörde vor der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit - einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. u.a. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036, Rn. 8, mwN).

16       Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

17       Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 1 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG hat sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente, insbesondere auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzenden Verwaltungsvorschrift iSd § 44a VStG zu beziehen (vgl. etwa VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0048, Rn. 13; 5.12.2017, Ra 2017/02/0186-0195, Rn. 21, mwN).

18       Vorliegend nimmt weder die Strafverfügung vom 7. März 2019 noch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. April 2019 auf die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs. 2 GewO 1994 Bezug. Soweit erstmals in der Begründung des Straferkenntnisses von einer Gewinnabsicht der X - Y KG ausgegangen wird, liegt das erst am 2. Dezember 2019 erlassene Straferkenntnis ausgehend vom Tatzeitraum 1. Oktober 2017 bis 13. August 2018 bereits außerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 1 VStG.

19       Das Verwaltungsgericht war somit bereits mangels einer rechtzeitig innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzten, alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltenden Verfolgungshandlung nicht zu einer Ergänzung des gemäß § 44a Z 1 VStG unzureichenden Spruchs des erstbehördlichen Straferkenntnisses berechtigt.

20       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020040034.L00

Im RIS seit

20.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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