Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §56Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H in G, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 27. Mai 2020, LVwG 32.23-791/2020-7, betreffend Antrag auf Ratenzahlung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Oktober 2015 wurde über den Revisionswerber wegen der Übertretung des § 37 Abs. 1 FSG iVm. § 1 Abs. 3 FSG gemäß § 37 Abs. 1 FSG iVm. § 37 Abs. 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verhängt.
2 Nach Mahnungen, der bescheidmäßigen Feststellung der Haftunfähigkeit des Revisionswerbers für bestimmte Zeiträume und der Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe stellte der Revisionswerber mit Schreiben vom 5. November 2019 einen Antrag auf Bewilligung der Bezahlung der offenen Strafen in monatlichen Raten zu je € 150,--. Begründend führte er aus, es möge ihm bekannt gegeben werden, welche einzelnen Strafen genau aushafteten; er sei aufgrund seiner Vermögenslosigkeit und seiner monatlichen Pension nicht in der Lage, die offenen Strafen auf einmal zu bezahlen. Eine Ratenzahlung sei ihm jedoch möglich.
3 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde gemäß § 54a, 54b VStG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, es gebe einen Zahlungsrückstand von insgesamt € 9.163,--, weshalb die monatliche Ratenzahlung von € 150,-- zu gering sei. Der Großteil der rechtskräftigen Strafen gehe auf die Jahre 2015 - 2017 zurück, der Revisionswerber habe Zeit genug gehabt, die aushaftenden Strafen zu bezahlen.
4 Im Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde trägt dieser Bescheid das Datum „28.11.2019“ sowie die Zahlen „VStV/915301245648/2015, 915301106202/2015, 915301680603/2015, 91530773388/2015, 917300273299/2017“.
5 Der Revisionswerber erhob - nach Abweisung seines am 30. Dezember 2019 gestellten Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) - mit Schriftsatz vom 16. März 2020 Beschwerde „gegen den Bescheid Teilzahlung vom 27.11.2019“.
6 Mit Beschluss des LVwG wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde „vom 28.11.2019 ... gegenständlich VStV/915301245648/2015“ gemäß § 50 iVm. § 31 VwGVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
7 Begründend führte das LVwG aus, mit dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde sei das Ansuchen des Revisionswerbers vom 5. November 2019 um Ratenzahlung abgewiesen worden. Beschwerde werde gegen einen Teilzahlungsbescheid vom „27.11.2019“ erhoben. Die belangte Behörde habe mit der Beschwerdevorlage einen Bescheid vom „28.11.2019“ vorgelegt, mit dem diverse Ansuchen auf Teilzahlung abgewiesen worden seien.
8 Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, er habe nie einen Bescheid vom „28.11.2019“ zugestellt erhalten, sondern ausschließlich einen Bescheid vom „27.11.2019“. Aufgrund einer Nachfrage bei der belangten Behörde habe sich ergeben, dass „aufgrund eines Systemfehlers“ nur der „Bescheid vom 27.11.2020 (gemeint wohl: 2019)“, welcher zwar alle Aktenzahlen beinhaltet habe, dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers übermittelt worden sei. Der nunmehr auch im Akt der belangten Behörde befindliche Bescheid, datiert mit „28.11.2019“ betreffend das Straferkenntnis vom 1. Oktober 2015, sei dem Rechtsvertreter bzw. dem Revisionswerber selbst nie zugestellt worden. Da somit kein Bescheid vorliege, der mit Beschwerde habe bekämpft werden können, sei die Beschwerde zurückzuweisen gewesen.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig per Post erhobene außerordentliche Revision.
10 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen das Gesetz, wonach gegen einen zugestellten Bescheid eine Beschwerde möglich sei, als zulässig und begründet.
13 Die belangte Behörde hat einen Bescheid erlassen, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf Ratenzahlung abgewiesen wurde. Dem Revisionswerber wurde - zu Handen seines Rechtsvertreters - ein Schriftstück mit dem Datum „27.11.2019“ zugestellt, wie der Rechtsvertreter durch dessen Vorlage in der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG nachgewiesen hat. Das Schriftstück - auf dem das Eingangsdatum in der Kanzlei des Rechtsvertreters gestempelt und die zu beachtenden Fristen händisch eingetragen sind - ist im Verwaltungsakt des LVwG enthalten. Es bezeichnet sich selbst als „Bescheid Teilzahlung“, weist die GZ „VStV/915301106202/2015, 915301245648/2015 915301680603/2015, 91530773388/2015, 917300273299/2017“ auf, enthält einen Spruch, eine Begründung, eine Rechtsmittelbelehrung, den Namen des Sachbearbeiters, den Hinweis auf die elektronische Fertigung einer Person für den Landespolizeidirektor sowie eine Amtssignatur.
14 Es handelt sich daher um einen Bescheid mit dem Datum „27.11.2019“, der dem Revisionswerber zu Handen seines Rechtsvertreters zugestellt, mithin erlassen worden ist.
15 Gemäß § 7 VwGVG kann gegen einen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben werden.
16 Der Revisionswerber hat gegen den ihm zugestellten Bescheid vom „27.11.2019“, mit dem sein Antrag auf Teilzahlung abgewiesen worden ist, Beschwerde erhoben.
17 Der Revisionswerber hat nicht gegen einen Bescheid vom „28.11.2019“ Beschwerde erhoben; wie das LVwG selbst ausführt, ist ihm kein Bescheid vom 28. November 2019 zugestellt worden, weshalb ein solcher Bescheid - mag er auch in den Akten der belangten Behörde enthalten sein - mangels Zustellung nicht existent geworden ist.
18 Anders verhält es sich jedoch mit dem Bescheid vom „27.11.2019“: Dieser wurde dem Revisionswerber zugestellt, er ist daher existent geworden und konnte mit Beschwerde bekämpft werden.
19 Die Zurückweisung der Beschwerde, die sich explizit gegen den zugestellten Bescheid vom „27.11.2019“ gerichtet hat, erweist sich daher als rechtswidrig (vgl. VwGH 21.1.2014, 2010/04/0078).
20 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. Februar 2021
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020147.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
30.03.2021