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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision der Mag. I M in J, vertreten durch die Dr. Ragossnig & Partner Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IX/37, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. August 2019, LVwG 49.31-823/2017-77, betreffend Jubiläumszuwendung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 sprach die belangte Behörde über Antrag der Revisionswerberin aus, dass ihr eine Jubiläumszuwendung gemäß § 20c Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG 1956) in Verbindung mit § 106 Abs. 1 Z 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (LDG 1984) aus Anlass der Vollendung eines Besoldungsdienstalters von 40 Jahren für treue Dienste nicht gewährt werde.
2 Dabei wurde davon ausgegangen, die Revisionswerberin habe die Tatbestandsvoraussetzung „treue Dienste“ nicht erfüllt. Zusammengefasst gelangte die Dienstbehörde zu dem Ergebnis, einerseits sei die Revisionswerberin wegen mehrerer Dienstpflichtverletzungen rechtskräftig zu Disziplinarstrafen (zwei Geldbußen sowie Verweise) verurteilt worden, andererseits zeuge ihr gesamtes dienstliches Verhalten von einer fortgesetzten Nachlässigkeit und Pflichtvergessenheit, wobei es auch über Jahre hinweg zu Ungesetzlichkeiten gekommen sei (wenn auch nicht immer in einem disziplinarrechtlich relevanten Ausmaß).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung von sieben mündlichen Verhandlungen ab. Es traf dabei ausführliche Feststellungen zur Person und beruflichen Laufbahn der Revisionswerberin, zu den gegen sie geführten Disziplinarverfahren (einschließlich der Ergebnisse) zu sonstigen Verfehlungen der Revisionswerberin außerhalb disziplinärer Vorwürfe, zu zwei betreffend die Revisionswerberin erfolgten Leistungsfeststellungen und zum Nichtvorliegen besonderer Verdienstlichkeit der Revisionswerberin auf Grundlage der Durchführung bestimmter Projekte.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Landesverwaltungsgericht aus, gemäß § 20c GehG könne aus Anlass der Vollendung einer Dienstzeit von 40 Jahren für treue Dienste eine Jubiläumszuwendung im Ausmaß des Vierfachen des Monatsbezuges, der der besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten in dem Monat entspreche, in den das Dienstjubiläum falle, gewährt werden. Neben der Vollendung der Dienstzeit verlange das Gesetz als weitere Voraussetzung die Leistung treuer Dienste. Die Voraussetzung der Verwirklichung der Dienstzeit von 40 Jahren sei unstrittigerweise erfüllt, strittig sei hingegen das Vorliegen der zweiten Voraussetzung, nämlich die Leistung „treuer Dienste“, die von der Dienstbehörde verneint worden sei. Unter Darstellung der historischen Interpretation des Begriffs der „treuen“ Dienste und umfangreicher Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - auch zu Einzelfällen - überprüfte das Landesverwaltungsgericht die Ermessensentscheidung der Dienstbehörde.
5 Zu den Disziplinarvergehen führte das Landesverwaltungsgericht unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, für die Dienstbehörde sei im Rahmen des Verfahrens über die Jubiläumszuwendung die Verletzung der Dienstpflichten durch den Beamten im Falle, dass dieser mit Disziplinarerkenntnis - rechtskräftig - einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt worden sei, bindend festgestellt. § 121 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) bzw. § 90 Abs. 1 LDG 1984, die normierten, dass eine Dienstpflichtverletzung zu keinem über eine Disziplinarstrafe hinausgehenden dienstrechtlichen Nachteil führen dürfe, verhindere nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass im Verfahren betreffend eine Jubiläumszuwendung disziplinäres Fehlverhalten berücksichtigt werden dürfe (Hinweis auf VwGH 28.1.2004, 99/12/0071; 25.5.2007, 2006/12/0147; 28.1.2013, 2012/12/0093).
6 Weiters wurde unter Berufung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, Verhaltensweisen, die nicht zu einer disziplinären Verfolgung führten, seien nicht in jedem Fall als „treue Dienste“ zu beurteilen. Ob ein Verhalten der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung der Erbringung „treuer Dienste“ entgegen stehe, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes anhand unterschiedlicher Kriterien zu beurteilen, so z.B. anhand der Dauer und der Beanstandungswürdigkeit des Fehlverhaltens (Hinweis etwa aufVwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0087), der Schwere des Fehlverhaltens (Hinweis auf VwGH 25.5.2007, 2006/12/0147), des durch das Fehlverhalten eingetretenen Schadens und der Art und Höhe der ausgesprochenen Disziplinarstrafe (VwGH 28.1.2013, 2012/12/0044) sowie der Häufigkeit der (disziplinären) Verurteilungen (VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0087). Zusammengefasst wurde unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weiters ausgeführt, auch eine strafrechtliche Verurteilung bzw. ein einer strafrechtlichen Verurteilung oder einer Entlassung gleichwertiges Fehlverhalten sei nicht Voraussetzung, um vom Nichtvorliegen „treuer Dienste“ auszugehen.
7 Im vorliegenden Fall sei die Revisionswerberin mit Disziplinarerkenntnissen rechtskräftig zu zwei Geldbußen (in Höhe von € 1.500,-- und € 750,--) und fünf Verweisen verurteilt worden, weiters seien zwei Ermahnungen ausgesprochen worden. Die disziplinären Verurteilungen zu Geldbußen seien in den Jahren 2012 und 2014, die Verweise 2012 und 2013 und die Ermahnungen 1998 und 2007 erfolgt. Damit sei für die Dienstbehörde im Rahmen des Verfahrens über die Jubiläumszuwendung die Verletzung der Dienstpflichten durch die Revisionswerberin in diesen Fällen bindend festgestellt (Hinweis etwa auf VwGH 18.12.2014, Ra 2014/12/0009).
8 Gegenständlich liege ein rechtskräftig festgestelltes Fehlverhalten zwar fortgesetzt vor, das zugrundeliegende Fehlverhalten habe sich aber nicht über einen längeren Zeitraum erstreckt, sondern sich immer auf einzelne Vorfälle bezogen. Vor allem eine inhaltliche Betrachtung der Dienstverfehlungen zeige jedoch, dass die Würgesimulation, das Anhalten einer Gabel an den Hals eines Schülers sowie das Bemalen der Nasen von Schülern mit einem Punkt einen Eingriff in die körperliche Integrität von Schülern darstelle und damit die zu respektierende Grenze gegenüber den Schülern nicht eingehalten worden sei. Der Umfang der Treuepflicht sei maßgeblich unter Berücksichtigung der dienstlichen Position sowie der jeweiligen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche zu bestimmen. Wie bereits in den Disziplinarerkenntnissen ausgeführt, wäre die Revisionswerberin gerade als Lehrerin zu einer besonderen Achtung und Wertschätzung und einem korrekten Umgang gegenüber Schülern verpflichtet gewesen und hätte deren körperliche Integrität zu schützen gehabt. Diese Verfehlungen hätten - wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt habe - den Kernbereich der Dienstpflichten einer Lehrerin betroffen.
9 Umfangreich wurde weiters Fehlverhalten der Revisionswerberin durch Ausübung von Druck auf Schüler und Verbreiten von Angst gegenüber Schülern, durch nicht wertschätzende Kommunikation mit Eltern, fehlende Teamfähigkeit und Kooperation mit Kollegen trotz versuchter Anwendung verschiedenster Konfliktlösungsmechanismen zur Darstellung gebracht.
10 Abschließend wurde ausgeführt, das Landesverwaltungsgericht verkenne nicht, dass es auch Befürworter des Unterrichtsstils der Revisionswerberin gebe, die vor allem für sie eingetreten seien, um die Versetzung in die Lehrerreserve zu verhindern bzw. um ihre Bewerbung als Bezirksschulinspektorin zu befürworten. Auch der ehemalige Kollege und nunmehrige Direktor der Neuen Mittelschule P habe bei seiner Einvernahme betont, dass der seinerzeitige Konflikt und der Mobbingvorwurf mittlerweile beigelegt seien und er die Arbeit der Revisionswerberin sehr schätze.
11 Das Landesverwaltungsgericht gelange jedoch insgesamt zu dem Schluss, dass der Gesamteindruck hinsichtlich der Dienstverrichtung der Revisionswerberin in den letzten 40 Jahren schon allein aufgrund der disziplinären und außerdisziplinären Dienstverfehlungen der Qualifikation als „treue Dienste“ entgegenstehe.
12 Auch hinsichtlich des Erfordernisses der Leistungserbringung seien Mängel gegeben. So sei der Arbeitserfolg der Revisionswerberin mit rechtskräftigem Bescheid der Leistungsfeststellungsoberkommission vom 29. Oktober 2012 herabgestuft und festgestellt worden, dass die Revisionswerberin im Schuljahr 2010/2011 lediglich den zu erwartenden Arbeitserfolg aufgewiesen habe. Die Beurteilung, wonach die Revisionswerberin den zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen erheblich überschritten habe, sei auf keinen Fall mehr aufrecht zu erhalten gewesen. An diesen rechtskräftigen Bescheid der damaligen Berufungsinstanz sei das Landesverwaltungsgericht gebunden. Da bis dato keine neuerliche Leistungsfeststellung erfolgt sei, sei die getroffene Leistungsfeststellung gemäß § 66 Abs. 7 LDG 1984 nach wie vor aufrecht.
13 Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass sich die Revisionswerberin einen Bonus durch „übertreue Dienste“ erarbeitet habe, von welchem die geringen disziplinären Verfehlungen der letzten Dienstjahre abzuziehen seien und daher im Endergebnis eine positive Bilanz der 40-jährigen Dienstzeit im Sinne „treuer Dienste“ verbleibe, könne das Landesverwaltungsgericht nicht folgen. Selbst unter der Annahme, die Revisionswerberin hätte eine überdurchschnittliche Verdienstlichkeit durch die zahlreichen von ihr durchgeführten Projekte aufzuweisen, überwögen die Schwere und die Häufung der Verfehlungen der Revisionswerberin sowie die Herabstufung der Leistungsfeststellung durch die Leistungsfeststellungsoberkommission. Es sei daher davon auszugehen, dass das Ermessen durch die belangte Behörde im Sinne des Gesetzes ausgeübt worden sei.
14 Die Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit dessen Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3826/2019-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
15 Die Revisionswerberin brachte daraufhin die vorliegende außerordentliche Revision ein.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, die in den „einzelnen Disziplinarverfahren erfolgten Feststellungen/Ergebnisse/Verurteilungen seien in rechtswidriger Form“ im angefochtenen Erkenntnis einer Doppelverwertung unterzogen wurden, wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt. Weshalb die Berücksichtigung von Disziplinarvergehen bei der Entscheidung über die Gebührlichkeit einer Jubiläumszuwendung dem „Doppelverwertungsverbot“, das dem (Verwaltungs)Strafrecht zugrunde liegt, widersprechen sollte, wird nicht näher dargelegt.
20 Auch mit den weiters geltend gemachten Verfahrensmängeln wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark ist davon ausgegangen, dass die Dienstbehörde bei Verneinung des Vorliegens „treuer Dienste“ der Revisionswerberin im Sinne des § 20c Abs. 1 GehG von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Dies ist schon im Hinblick auf die neun in den Jahren 1998 bis 2014 unstrittig erfolgten disziplinären Verurteilungen nicht als unvertretbar anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 16.3.2005, 2003/12/0189, 20.10.2014, Ra 2014/12/0012, mwN).
21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020120013.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021