TE Vwgh Beschluss 2021/2/15 Ra 2019/11/0116

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Veröffentlicht am 15.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/02 Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
FSG 1997 §25 Abs1
FSG 1997 §25 Abs3
FSG 1997 §7 Abs3 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 22. Mai 2019, Zl. LVwG-411-19/2019-R10, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: H G, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde (nunmehr: Revisionswerberin) vom 4. März 2019 wurde die Lenkberechtigung des Mitbeteiligten für die Dauer von sechs Monaten (gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides) gemäß (u.a.) § 26 Abs. 2a iVm. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG entzogen und einer dagegen allfällig erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2        Der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach durchgeführter Verhandlung insoweit Folge, als es die Entziehung der Lenkberechtigung im Wesentlichen auf § 7 Abs. 3 Z 5 iVm. § 25 Abs. 1 und 3 FSG stützte und die Dauer der Entziehung mit drei Monaten (gerechnet ab Zustellung des Bescheides der Revisionswerberin) festsetzte.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens (zusammengefasst) festgestellt, der Mitbeteiligte habe (nach der Aktenlage: am Nachmittag des 6. Oktober 2018) in W. ein Motorrad gelenkt und anfänglich nicht bemerkt, dass er sich auf einem Fahrradweg befinde. Er sei „mit sehr geringer Geschwindigkeit, etwas schneller als Schrittgeschwindigkeit“ unterwegs gewesen, als er beim Vorbeifahren an einem Mädchen samt Fahrrad und deren Großmutter einen dahinter stehenden Buben übersehen und dessen Wade mit dem Vorderrad seines Motorrades „berührte“. Der Bub sei dadurch zu Boden gefallen und im Grünstreifen zu sitzen gekommen. Der Mitbeteiligte habe sein Motorrad angehalten, einige Worte zum Buben gesagt („Bist du noch ganz gehörig“) und sei dann mit dem Motorrad weitergefahren. Der Bub habe danach mit seinem Fahrrad weiterfahren können, im Krankenhaus habe man bei ihm eine Wadenbeinprellung festgestellt.

4        Nach mehrseitiger Beweiswürdigung und Darstellung der maßgebenden Rechtslage gelangte das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, der Mitbeteiligte habe es unterlassen, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt worden sei, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen. Er habe daher eine Tatsache iSd. § 7 Abs. 3 Z 5 FSG verwirklicht, die (unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit gemäß § 7 Abs. 4 FSG) zu seiner Verkehrsunzuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten und daher zur entsprechenden Entziehung seiner Lenkberechtigung führe.

5        Anders als die Revisionswerberin im genannten Bescheid vom 4. März 2019 angenommen habe, liege gegenständlich keine Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG vor (sodass § 26 Abs. 2a FSG und die dort vorgesehene Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten nicht zur Anwendung gelange). Die Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG setze nämlich voraus, dass der Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat, sodass es nicht darauf ankomme, ob im Konkreten andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden seien (Hinweis auf VwGH 23.3.2004, 2002/11/0135).

6        Zwar stelle das Befahren des Fahrradweges objektiv eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer dar und sei der Mitbeteiligte in der irrigen Annahme, dass nichts passiert sei, weitergefahren. Es sei aber zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte, als er den Fahrradweg erkannt habe, mit sehr langsamer Geschwindigkeit weitergefahren sei. Auch sei eine „besondere Rücksichtslosigkeit“ iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG dem Verhalten des Mitbeteiligten (Weiterfahren) deshalb nicht zu entnehmen, weil es sich nur um eine leichte Berührung des Buben gehandelt habe, sodass dieser noch fähig gewesen sei, selbst mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG gestützte Amtsrevision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

11       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen den Beschluss VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).

12       Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, die Revisionswerberin sei zur Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden (die an sie ergangene Ladung habe nur das Beschwerdeverfahren des Mitbeteiligten in der unter einem verhandelten Verwaltungsstrafsache betroffen) wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG schon mangels erforderlicher Darstellung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 7.11.2019, Ra 2019/11/0170 mwN).

13       Mit dem weiteren Vorbringen, es fehlten beweiswürdigende Erwägungen des Verwaltungsgerichts, „obwohl die Feststellungen teilweise im offensichtlichen Widerspruch“ zu jenen im genannten Bescheid vom 4. März 2019 stünden, wird schon mangels Präzisierung der vermeintlich widersprüchlichen Feststellungen ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt.

14       Auch das im weiteren Zulässigkeitsvorbringen behauptete Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird nicht im Sinne der dargestellten Anforderungen dahin präzisiert, welche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof bislang unbeantwortet geblieben sei; vielmehr erfolgt bloß eine Bezugnahme auf das von der „Revisionsgegnerin“ (gemeint ist offenbar das Verwaltungsgericht) zitierte Erkenntnis VwGH 23.3.2004, 2002/11/0135.

15       Mit „dieser ... zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes“ stünden, so das Zulässigkeitsvorbringen weiter, die Ausführungen des angefochtenen Erkenntnisses im Widerspruch, weil darin die „Revisionsgegnerin ... den Eindruck“ vermittle, „das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse und/oder der besonderen Rücksichtslosigkeit“ sei gegenständlich bereits aufgrund der nur geringen Verletzungsfolgen auszuschließen.

16       Damit wird ein Widerspruch zum zitierten hg. Erkenntnis 2002/11/0135 schon deshalb nicht aufgezeigt, weil diesem ein sog. Geschwindigkeitsexzess (fallbezogen: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 50 km/h) zugrunde lag, der aufgrund der örtlichen Gegebenheiten geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse iSd. § 7 Abs. 3 Z 3 FSG herbeizuführen. Die Revision zeigt nicht auf, weshalb dieser Sachverhalt jenem des vorliegenden Revisionsfalles gleichen sollte, hat doch der Mitbeteiligte das Kraftfahrzeug nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit „sehr geringer“ Fahrgeschwindigkeit gelenkt.

17       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110116.L00

Im RIS seit

31.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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