TE Vwgh Beschluss 1997/5/15 97/15/0034

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Veröffentlicht am 15.05.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;

Norm

VwGG §23;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §61;
ZPO §64 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und Hofrat Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über den Antrag der H in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 12. April 1995, Zl. B 1-6/95, betreffend Finanzvergehen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/15/0087, stellte der Verwaltungsgerichtshof das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG ein, weil die Beschwerdeführerin der am 4. September 1995 an sie ergangenen Aufforderung, die Mängel der eingebrachten Beschwerde zu beheben, nicht fristgerecht (innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen) nachgekommen sei.

Mit dem am 13. Februar 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren nunmehrigen Verfahrenshelfer Dr. A., ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung des aufgetragenen ergänzenden Schriftsatzes zu bewilligen. Mit diesem Antrag verband die Beschwerdeführerin eine als Mängelbehebung gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zu wertende Neufassung der Beschwerde.

Der Wiedereinsetzungsantrag wird damit begründet, daß mit Umbestellungsdekret vom 4. Juli 1996 anstelle von Dr. Walter S. wegen Interessenkollision Dr. A. vom Ausschuß der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer zum Verfahrenshilfeanwalt der Beschwerdeführerin bestellt worden sei. In weiterer Folge habe sich Dr. A. mit Schreiben vom 10. Juli 1996 mit Dr. S. in Verbindung gesetzt und ersucht, "etwaig in seiner Kanzlei befindliche Unterlagen zu übermitteln". Ebenfalls mit Schreiben vom 10. Juli 1996 habe der Verfahrenshelfer die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihm etwaige Unterlagen zu übersenden. Mit Telefonat vom 11. Juli 1996 habe die Kanzlei Dr. S. mitgeteilt, daß sie über keinerlei Unterlagen verfüge. Im Zuge dieses Gespräches sei von seiten der Kanzlei Dr. S. nicht erwähnt worden, daß bereits zuvor verschiedene Verfahrenshelfer bestellt gewesen seien bzw. habe der nunmehrige Vertreter der Beschwerdeführerin darüber keinerlei Informationen gehabt. Von der Beschwerdeführerin sei mitgeteilt worden, daß sie über keinerlei Unterlagen verfüge. Als Beweis für dieses Vorbringen ist dem Wiedereinsetzungsantrag u.a. eine eidesstattliche Erklärung vom 13. Februar 1997 angeschlossen (in dieser Erklärung bestätigt Frau Andrea L. - offensichtlich eine Mitarbeiterin der Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdevertreters -, daß ihr die "Kanzlei Dr. S." am 11. Juli 1996 im Zuge eines Telefonates mitgeteilt habe, daß diese keinerlei Unterlagen mehr über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde besitze; im Zuge des Telefongesprächs sei auch von seiten der Kanzlei Dr. S. nicht erwähnt worden, daß zuvor ein anderer Rechtsanwalt als Verfahrenshilfeanwalt bestellt gewesen sei und bei diesem möglicherweise noch Unterlagen vorhanden seien).

Da - so die weiteren Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag - "telefonisch sohin nicht zu klären war", daß bereits zuvor Unterlagen seitens des Verwaltungsgerichtshofes übersandt worden seien, habe der Verfahrenshelfer erwartet, vom Verwaltungsgerichtshof Unterlagen übermittelt zu erhalten. Da dies nicht geschehen sei, habe er sich telefonisch (Datumsangaben über dieses Telefongespräch werden im Wiedereinsetzungsantrag nicht gemacht) mit dem "Verwaltungsgerichtshof" in Verbindung gesetzt, wobei die in der Geschäftsstelle zuständige Beamtin Frau R. ihm mitgeteilt habe, daß ein Mängelbehebungsauftrag an die Beschwerdeführerin geschickt worden sei. Als bei dieser nach Rücksprache kein derartiger Auftrag habe vorgefunden werden können, habe sich der Verfahrenshelfer neuerlich mit dem Verwaltungsgerichtshof in Verbindung gesetzt (nach einem dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen Aktenvermerk fand diese Rücksprache am 13. November 1996 statt), wobei Frau R. nunmehr bekanntgegeben habe, daß sie bei nochmaliger Nachschau festgestellt habe, daß seinerzeit Dr. St. zum Verfahrenshilfeanwalt bestellt worden und diesem die gesamten Unterlagen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 15. November 1996 habe der nunmehrige Verfahrenshelfer Dr. St. aufgefordert, etwaige Unterlagen zu übermitteln. Letzterer habe mit Schreiben vom 20. November 1996 mitgeteilt, daß sich in seinem Akt keinerlei Unterlagen befänden. Mit Schriftsatz vom 25. November 1996 habe der Verfahrenshelfer den Verwaltungsgerichtshof ersucht, ihm darüber Mitteilung zu machen, wem seinerzeit die Unterlagen zugestellt worden seien bzw. diesbezüglich den Rückschein in Kopie zu übermitteln. Mit dem Einstellungsbeschluß vom 18. Dezember 1996 (eingelangt am 3. Februar 1997) sei vom Verwaltungsgerichtshof gleichzeitig die Kopie des erbetenen Rückscheines übermittelt worden. Nach neuerlicher Urgenz bei Dr. St. mit Telefax vom 5. Februar 1997 habe dieser nunmehr mit Schreiben vom 6. Februar 1997 (eingelangt am 7. Februar 1997) die gegenständlichen Unterlagen, wie insbesondere die ursprüngliche Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1995, übermittelt. Da der Verfahrenshelfer bis zum 7. Februar 1997 über keinerlei Unterlagen - so insbesondere den Mängelbehebungsauftrag vom 4. September 1995 - verfügt und auch keinerlei Kenntnis darüber gehabt habe, daß noch weitere Verfahrenshelfer in der gegenständlichen Rechtssache bestellt gewesen seien und eine derart oftmalige Umbestellung unüblich sei, sei es ihm "in keinster Weise möglich" gewesen, die Mängelbehebung fristgerecht vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin habe somit durch ein unvorhergesehenes Ereignis die vom Verwaltungsgerichtshof gestellte Frist versäumt. Diesbezüglich könne auch der Beschwerdeführerin und ihrem nunmehrigen Verfahrenshelfer kein Verschulden oder keine Versäumnis vorgeworfen werden, da es vor Erhalt des Ergänzungsauftrages bzw. der ursprünglichen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht möglich gewesen sei, dem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes zu entsprechen. Bis zum Erhalt dieser Unterlagen sei daher dem Erfüllen des Mängelbehebungsauftrages ein Hindernis entgegengestanden. Es hätte dabei auch keinerlei Unterschied gemacht, wenn sich der nunmehr bestellte Verfahrenshelfer bereits unmittelbar nach seiner Bestellung mit 4. Juli 1996 bei der Kammer vorsorglich dahingehend informiert hätte, ob vor Dr. S. bereits andere Vertreter bestellt gewesen seien und auch diese hinsichtlich etwaiger Unterlagen "angeschrieben hätte". Dies, weil seitens jenes Vertreters, welchem vom Verwaltungsgerichtshof die entsprechenden Unterlagen übermittelt worden waren, nämlich Dr. St., noch im November des Vorjahres behauptet worden sei, nicht über die entsprechenden Unterlagen zu verfügen. Erst nach Übermittlung des entsprechenden Rückscheines seien die Unterlagen dem nunmehrigen Verfahrenshelfer zugesandt worden. Hätte dieser bereits unmittelbar nach seiner Bestellung im Juli 1996 Dr. St. hinsichtlich etwaiger Unterlagen kontaktiert, wäre dessen Rückäußerung wohl ident mit dem Schreiben vom 15. November 1996 ausgefallen. Dies hätte schließlich neuerlich dazu geführt, daß der nunmehrige Verfahrenshelfer "zu Recht davon ausgegangen wäre, daß offensichtlich keiner der vor ihm bestellten Vertreter seitens des Verwaltungsgerichtshofes die entsprechenden Unterlagen zugemittelt erhalten hat, sodaß dieser neuerlich auf die Übermittlung dieser Unterlagen seitens des Verwaltungsgerichtshofes zugewartet hätte". Das nicht fristgerechte Befolgen des Mängelbehebungsauftrages finde seine Begründung sohin nicht in einem Untätigsein des letztendlich bestellten Verfahrenshelfers oder der Beschwerdeführerin, sondern lediglich in dem Umstand, daß vor Erhalt des entsprechenden Rückscheines die zwingend zur Einbringung dieser Beschwerde erforderlichen Unterlagen nicht hätten beigebracht werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist. Das gilt im Hinblick auf § 64 Abs. 1 Z. 3 ZPO (§ 61 Abs. 1 VwGG) auch für einen Verfahrenshelfer (vgl. beispielsweise den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1996,

Zlen. 95/08/0309, 0314).

Im Fall der Umbestellung eines Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe beginnt die Beschwerdefrist oder die Frist zur Behebung von Mängeln im Sinn des § 34 Abs. 2 VwGG mit der Zustellung des Umbestellungsbeschlusses des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer durch diese an den neu bestellten Rechtsanwalt neu zu laufen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0010).

Bei der Umbestellung eines Verfahrenshelfers obliegt es dem bestellt gewesenen Vertreter einer Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, alle für die Rechtsangelegenheit bedeutsamen Schriftstücke - insbesondere auch einen ihm zugestellten fristgebundenen Mängelbehebungsauftrag - an den neu bestellten Verfahrenshelfer weiterzuleiten. Jeder neu bestellte Verfahrenshelfer, dem mit dem Umbestellungsbeschluß nicht sämtliche Unterlagen zugekommen sein sollten, hat sich sofort Kenntnis über die von ihm vorzunehmenden Verfahrenshandlungen zu verschaffen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 11. September 1996, Zlen. 96/20/0443, 95/20/0527, sowie auch vom 25. September 1996,

Zlen. 96/01/0476, 0477), wozu auch eine Akteneinsichtnahme beim Verwaltungsgerichtshof unerläßliche Voraussetzung sein kann. Die Verfahrenshilfe genießende Partei ist verpflichtet, sich unverzüglich mit jedem neu bestellten Verfahrenshelfer in Verbindung zu setzen und ihm alle ihre Rechtsangelegenheit betreffenden Schriftstücke zur Verfügung zu stellen.

Im vorliegenden Fall ist - dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge - davon auszugehen, daß der dem damaligen Verfahrenshelfer Dr. St. nachweislich zugestellte Mängelbehebungsauftrag von diesem nicht anläßlich der Umbestellung an den neu bestellten Verfahrenshelfer weitergeleitet worden ist. Auch die die Verfahrenshilfe genießende antragstellende Partei, welcher der Mängelbehebungsauftrag seinerzeit ebenfalls im Wege der Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt worden war, entsprach ihrer Pflicht, dem neu bestellten Verfahrenshelfer alle ihre Rechtsangelegenheit betreffenden Schriftstücke zur Verfügung zu stellen (siehe hiezu auch den Hinweis hierauf in dem die Verfahrenshilfe bewilligenden hg. Beschluß vom 4. September 1995), offenbar nicht bzw. verabsäumte es allenfalls, die Sendung beim Postamt zu beheben. Der nunmehrige Verfahrenshelfer Dr. H. hat sich hingegen nur durch die Antragstellerin und den unmittelbaren Vorgänger in seiner Funktion über den Stand des Verfahrens informieren lassen, aber eine - wie der vorliegende Fall zeigt - erforderliche Akteneinsichtnahme beim Verwaltungsgerichtshof unterlassen, wodurch er, falls die Mängelbehebungsfrist nicht schon vor seiner Bestellung ungenutzt verstrichen war, ebenfalls zur Fristversäumnis beigetragen hat.

Da die angeführten Pflichtverletzungen mit der zuletzt erwähnten Einschränkung für die Fristversäumnis auch kausal waren und allesamt der Antragstellerin zuzurechnen sind, kann eine Erörterung der Frage, welche Unterlassung letztendlich für die Fristversäumnis ausschlaggebend war, für Zwecke des gegenständlichen Verfahrens dahingestellt bleiben.

Entscheidungswesentlich ist nämlich gegenständlich nur, daß auf Grund des geschilderten Sachverhaltes auf ein Verschulden der Antragstellerin selbst bzw. ein ihr zuzurechnendes Verschulden, welches nicht bloß als minderer Grad des Versehens iS des § 46 Abs. 1 VwGG angesehen werden kann, geschlossen werden muß. Bei diesem Sachverhalt konnte aber dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge gegeben werden. Die Behebung der der ursprünglichen Beschwerde anhaftenden Mängel erweist sich unter diesen Umständen als verspätet.

Schlagworte

FristMängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997150034.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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