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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesminister für Inneres vom 27. November 1996, Zl. 4.348.523/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und am 18. Dezember 1995 in das Bundesgebiet eingereist. Am 20. Dezember 1995 beantragte er Asyl. Das Bundesasylamt wies seinen Asylantrag mit Bescheid vom 6. Jänner 1996 ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1996 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Verfahren erster Instanz nicht eine einzige konkrete, gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgungshandlung behauptet. Der Umstand, daß sein Bruder am 15. April 1987 tot aufgefunden worden sei und der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vermutet habe, daß sein Bruder überfallen worden sein dürfte, sei für das Asylverfahren keinesfalls relevant. Nach der vom Beschwerdeführer gegebenen Interpretation sei der Tod seines Bruders auf ein "rein kriminelles Delikt" zurückzuführen. Nicht unter die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe sei der Umstand zu subsumieren, daß der Beschwerdeführer keine staatliche Anstellung gefunden habe. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, mit einem Arbeitsverbot belegt worden zu sein; ebensowenig, daß ihm dadurch die Lebensgrundlage entzogen worden sei. Aus seiner Einvernahme ergebe sich, daß er nach Ableistung seines Militärdienstes Ende 1991 bis zu seiner Ausreise (im Jahr 1995) als selbständiger Gebrauchtwarenhändler tätig gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Benachteiligungen bzw. Beschimpfungen wegen seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben reichten für sich allein nicht aus, eine asylrelevante Verfolgung darzutun. Die Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert würden, träfen alle Angehörigen dieser Minderheiten in gleichem Maße. Soweit der Beschwerdeführer angab, im Jahr 1993 angehalten worden zu sein, sei dies im Rahmen der Strafrechtspflege erfolgt und er sei nach genauer Befragung wieder enthaftet worden. Die angegebenen Schußattentate habe der Beschwerdeführer selbst auf kriminelle Banden als Täter zurückgeführt. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang angegeben, daß die Polizei eingeschritten sei; aus der angeführten Festnahme seien dem Beschwerdeführer keine weitergehenden Nachteile erwachsen. Die weiters angegebene Festnahme im Jahr 1995 sei im Rahmen eines Verkehrsunfalles erfolgt, sodaß auch diese nicht in einen Zusammenhang mit Konventionsgründen zu bringen sei. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß er im Jänner 1995 zum Militärdienst hätte antreten müssen und dazu nicht bereit gewesen sei. Desertion und Wehrdienstverweigerung sei aber auch "in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern" mit Strafe bedroht. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß die "Flucht" vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen auch strengen) Bestrafung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstelle. Aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak komme es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung vom Militärdienst oder seiner Verweigerung habe somit nicht den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung und dergleichen) zu treffen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, daß er wegen eines in der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Grundes im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenziertere Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten hätte. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Einholung allgemeiner Berichte über die Situation in seinem Heimatland sei nicht geeignet, konkrete, gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft zu machen.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Frage, ob das Ermittlungsverfahren in erster Instanz mangelhaft war, ist von der Berufungsbehörde anhand des Berufungsvorbringens und der Akten des erstinstanzlichen Verfahrens zu beurteilen. Der Beschwerdeführer macht zwar in der vorliegenden Beschwerde allgemein geltend, die Behörden erster und zweiter Instanz seien nicht ausreichend auf sein Vorbringen eingegangen, jedoch führt er weder aus, welche seiner Auffassung nach asylrelevanten Angaben von ihm bereits in der erstinstanzlichen Vernehmung gemacht und nicht berücksichtigt worden seien, noch wird aufgezeigt, auf welche Berufungsargumente, die bei ihrer Berücksichtigung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis geführt hätten, die belangte Behörde zu Unrecht nicht Bedacht genommen habe. In der Beschwerde wird somit kein konkreter Sachverhalt behauptet, den die belangte Behörde aufgrund von ergänzenden Befragungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hätte ermitteln lassen müssen. Da somit aus dem Blickwinkel des Beschwerdevorbringens ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht erkennbar ist, aufgrund dessen gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde zutreffend die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 angewendet hat.
Im angefochtenen Bescheid gelangte die belangte Behörde dabei zu den vorstehend angeführten Ergebnissen, daß der Tod des Bruders des Beschwerdeführers im Jahr 1987 seine Ursache in einem kriminellen Delikt gehabt habe, der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise als selbständiger Gebrauchtwarenhändler gearbeitet habe, die vom Beschwerdeführer behaupteten Benachteiligungen bzw. Beschimpfungen wegen seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben nicht über das - asylrechtlich noch nicht relevante - allgemeine Ausmaß hinausgegangen sei, sowie die Festnahmen des Beschwerdeführers in den Jahren 1993 und 1995 nicht im Zusammenhang mit Konventionsgründen gestanden seien. Diesen Schlußfolgerungen tritt der Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde konkret nicht entgegen. In der Beschwerde wird lediglich geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer den Beitritt zur "Baath-Partei" verweigert habe und die belangte Behörde nicht ermittelt hätte, ob er dadurch sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben bei Antritt des Militärdienstes im Jänner 1996 eine "Schlechterstellung" hätte befürchten müssen. Der Beschwerdeführer macht allerdings nicht geltend, daß er wegen der Weigerung, der im Irak maßgeblichen Regierungspartei beizutreten, oder aber wegen seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben zum Militärdienst einberufen worden sei. Die wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung muß ihre Grundlage in objektiv nachvollziehbaren Umständen haben; diese läßt jedoch die Beschwerde vermissen.
In der Beschwerde wird der Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß der Beschwerdeführer von Ende 1991 bis zum Verlassen seiner Heimat im Jahr 1995 als selbständiger Gebrauchtwarenhändler tätig gewesen sei, nicht entgegengetreten. Daß der Beschwerdeführer aus Gründen der Konvention Verfolgungshandlungen durch die staatlichen Behörden ausgesetzt gewesen wäre oder aber ihm solche angedroht worden wären, wird nicht konkret behauptet und mit keinem substantiellen Tatsachenvorbringen belegt. Da nicht nachvollziehbar dargestellt wird, daß die vom Beschwerdeführer nicht näher beschriebenen "Diskriminierungen" wegen seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben eine asylerhebliche Intensität erreichten, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Einberufung des Beschwerdeführers zum Militärdienst bzw. die Furcht des Beschwerdeführers wegen der ihm aus der Wehrdienstverweigerung drohenden Bestrafung als nicht geeignet ansah, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu begründen. Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch vorbringt, die belangte Behörde habe es unterlassen, die beantragten Gutachten des UNHCR zur konkreten Gefahr für "Familienangehörige politisch Verfolgter im Irak" einzuholen, wird die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, zumal die Beschwerde der Auffassung der belangten Behörde, daß der Tod des Bruders des Beschwerdeführers im Jahr 1987 nicht auf asylrelevante Umstände zurückzuführen sei, nicht entgegentritt. Daß der Beschwerdeführer deshalb bis zu seiner Ausreise im Jahr 1995 einer Verfolgungshandlung ausgesetzt gewesen wäre, wird ebenfalls nicht behauptet.
Die Beschwerde war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997200051.X00Im RIS seit
20.11.2000