Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Mag. A, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1995, Zl. 4.285.886/7-III/13/95, betreffend Zurückweisung von Anträgen in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 18. Oktober 1989 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 31. Oktober 1989 Asyl. Mit Bescheid vom 1. März 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling.
Im Verfahren über die am 18. April 1990 erhobene Berufung gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer zuletzt mit Schreiben vom 30. August 1990 eine Urkunde vor, wobei er im Briefkopf seine bisherige Anschrift in A, S-Straße 2, anführte.
Am 10. März 1993 wurde bei der belangten Behörde ein Aktenvermerk folgenden Inhalts angelegt:
"AV: Laut Auskunft GA-A ist AW am 1.10.91 nach unbekannt wohin verzogen."
Mit Bescheid der belangten Behörde vom selben Tag wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 "abgewiesen". Begründend führte die belangte Behörde - nach einem Hinweis darauf, daß das Verfahren nach dem Asylgesetz 1991 zu Ende zu führen sei - aus:
"Aufgrund der Tatsache, daß Sie nach Erhebung der Berufung ohne Bekanntgabe einer Abgabestelle - eine Anfrage beim Meldeamt ergab, daß Sie am 1.10.1991 unbekannt wohin - verzogen sind, treffen bei Ihnen die Voraussetzungen gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 zu."
Dieser Bescheid wurde - entsprechend der Zustellverfügung des Genehmigenden - am 19. März 1993 gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 (in Verbindung mit § 8 Zustellgesetz) ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der belangten Behörde hinterlegt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Oktober 1995 machte der Beschwerdeführer, nun unter Angabe einer Zustelladresse in T, geltend, es sei weder die "Abweisung (richtig: Zurückweisung)" seines Asylantrages zu Recht erfolgt noch die diesbezügliche Erledigung ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Behörde habe nämlich "alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle einer Partei des Verwaltungsverfahrens auszuschöpfen". Demgegenüber basiere die Vorgangsweise der belangten Behörde "lediglich" auf dem Aktenvermerk vom 10. März 1993. Die Behauptung, es sei eine Meldeauskunft eingeholt worden, entspreche daher, wie dem Akt "in eindeutiger Art und Weise zu entnehmen" sei, "nicht den Tatsachen". Eine "tatsächlich durchgeführte Anfrage bei der zuständigen Meldebehörde des Gemeindeamtes A" würde nämlich ergeben haben, "daß der Einschreiter ordnungsgemäß abgemeldet wurde nach L, D-Straße 46". Weiters habe er bei der ordnungsgemäßen Anmeldung in L (zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt) angegeben, von wo er zugezogen sei, und es sei "amtlicherseits eine Verständigung über die erfolgte Anmeldung von der Bundespolizeidirektion L an das Marktgemeindeamt A" erfolgt. Darüber hinaus handle es sich "bei der der Behörde bekannten Adresse S-Straße (gemeint: in A) um ein nach den Bestimmungen des Asylgesetzes bestehendes Wohnheim" und der Beschwerdeführer habe "sehr wohl den dort zuständigen Personen" mitgeteilt, "wohin er seinen Wohnsitz und Aufenthaltsort verlegen werde, sodaß der Einschreiter zu Recht davon ausgehen konnte, daß er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist".
Was die Zustellung der Erledigung vom 10. März 1993 anlange, so fehle auch die erforderliche Anordnung nach § 23 Abs. 1 Zustellgesetz: "Eine derartige Anordnung der zuständigen Behörde liegt nicht vor, sondern wurde diese vom Bundesministerium für Inneres mit 10.3.1993 durchgeführt, nicht jedoch von der tatsächlich zuständigen Behörde, nämlich dem Bundesminister für Inneres. Es liegt daher auch diesbezüglich ein erheblicher Verfahrensfehler vor." Darüber hinaus seien - in nicht näher bezeichneter Hinsicht - "bei der Zustellung die Bestimmungen des § 23 Abs. 3 Zustellgesetz ebenfalls nicht eingehalten" worden.
Da die Erledigung vom 10. März 1993 nicht als zugestellt gelten könne, sei "daher das Asylverfahren nach wie vor anhängig und wird daher beantragt, dieses fortzusetzen und den Einschreiter neuerlich zu seinen Asylgründen einzuvernehmen. In eventu, für den Fall, daß die erkennende Behörde von der Existenz des Bescheides ausgeht, wird beantragt, die Rechtskraft des oben zitierten Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 10. 3. 1993 aufzuheben und diesen neuerlich an den nun ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter des Einschreiters rechtswirksam zuzustellen".
Nach dem Einlangen dieses Schriftsatzes ersuchte die belangte Behörde das Gemeindeamt A um eine Kopie des den Beschwerdeführer betreffenden Meldezettels. Nach dem Inhalt dieses Meldezettels, der der belangten Behörde im Wege der Fernkopie übermittelt wurde, war der Beschwerdeführer am 1. Oktober 1991 mit der Angabe, er sei nach "unbekannt" verzogen, abgemeldet worden.
Am 13. Dezember 1995 wurde bei der belangten Behörde folgender Aktenvermerk angelegt:
"Tel. Rücksprache mit der (ehemaligen) Bundesbetreuungsstelle A, Frau O ergibt, daß, wenn Asylwerber eine private Adresse hinterlassen hatten, diese im Zuge der polizeilichen Abmeldung dem Gemeindeamt A übermittelt wurde."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde in drei getrennten Spruchpunkten die Anträge des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des Verfahrens, auf Aufhebung der Rechtskraft des Bescheides vom 10. März 1993 und auf neuerliche Zustellung desselben zurück. Begründend führte sie aus, die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 sei mängelfrei und rechtmäßig gewesen. Auf dem "bei dem für Ihre Abmeldung zuständigen Marktgemeindeamt A verbliebenen Meldezettel" sei ersichtlich, daß bei der Abmeldung des Beschwerdeführers - entgegen seinen Antragsbehauptungen - keine neue Adresse bekanntgegeben worden sei. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers habe er auch bei der Bundesbetreuungsstelle A "offenbar" keine neue Adresse bekanntgegeben, weil eine solche "laut telefonischer Rückfrage bei der damals zuständigen Stelle" dem Gemeindeamt A "im Zuge der polizeilichen Abmeldung mitgeteilt worden wäre". Eine Ermittlung der neuen Meldeadresse des Beschwerdeführers im Inland hätte daher - mangels Einrichtung eines bundesweiten zentralen Melderegisters, "flächendeckender einzelner Meldeanfragen an über 2000 abstrakt zuständige Meldebehörden" bedurft. Der Hinterlegungsvorgang selbst habe der Zustellverfügung des approbationsbefugten Bediensteten entsprochen und sei mängelfrei gewesen. Der beantragten Fortsetzung des Verfahrens stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom 10. März 1993 entgegen.
Mit dem Antrag auf "Aufhebung der Rechtskraft" des Bescheides scheine der Beschwerdeführer auf eine Ausübung der der Behörde gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG zukommenden Rechte abzustellen, worauf jedoch niemand Anspruch habe. Der Antrag auf neuerliche Zustellung des Bescheides vom 10. März 1993 sei aus den schon dargestellten, die Wirksamkeit der Hinterlegung gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 betreffenden Gründen zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Der Beschwerdeführer hält an der Ansicht fest, die 1993 vorgenommene Hinterlegung des Bescheides vom 10. März 1993 habe nicht dessen Zustellung bewirkt. Er führt dazu aus:
"Wie der Verwaltungsgerichtshof judiziert hat
(VwGH 15.11.1994, 94/19/0599), entbindet § 19 (3) Asylgesetz 1992 die Behörde keineswegs von der Verpflichtung des Versuches der Ausforschung der Abgabestelle. Hätte die Behörde diesen Versuch unternommen, so hätte sie problemlos feststellen können, daß ich nach L verzogen bin. Die Behörde hätte dies insbesondere durch die Einholung einer Meldeauskunft beim Gemeindeamt A oder durch Nachfrage an meiner früheren Adresse in A, wo ich Informationen über meine neue Adresse hinterlassen habe, ermitteln können.
Dies alles habe ich schon in meinem Antrag vom 17.10.1995 eingehend erläutert. In diesem Antrag habe ich überdies mehrfache Beweisanbote gemacht. Die belangte Behörde ist auf diese Beweisanbote nicht eingegangen. Insbesondere hat sie - entgegen meinen Beweisanboten - offenkundig nicht an meiner früheren Adresse in A nachgefragt. Hätte die belangte Behörde auf Grundlage meines Antrages vom 17.10.1995 die dort dargelegten Umstände in einem gehörigen Ermittlungsverfahren erhoben, so hätte sie die von mir vorgebrachten Tatsachen als richtig erkennen müssen.
In weiterer Folge hätte die belangte Behörde auch erkennen müssen, daß schon im Jahre 1993 diese Informationen vorgelegen hatten und daher die Abgabestelle damals hätte einfach ermittelt werden können. Dadurch, daß die Behörde dies unterlassen hat, hat sie ihr Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt und einen Verfahrensfehler begangen, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen."
Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer darüber hinweg, daß die vermißten Erhebungen - Einholung einer Meldeauskunft vom Gemeindeamt A und Anfrage an der früheren Adresse des Beschwerdeführers in dieser Gemeinde - in der im angefochtenen Bescheid dargestellten Form durchgeführt wurden. Die den Antragsbehauptungen des Beschwerdeführers widersprechenden Ergebnisse dieser Erhebungen wurden ihm vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides zwar nicht vorgehalten, doch versäumt es der Beschwerdeführer, indem er sich mit ihnen - trotz ihrer Erwähnung im angefochtenen Bescheid - in der Beschwerde nicht auseinandersetzt, eine Verletzung des Parteiengehörs geltend zu machen und darzulegen, inwiefern ihn ein Vorhalt der Ermittlungsergebnisse zu einem für den Ausgang des Verfahrens allenfalls maßgeblichen Vorbringen veranlaßt hätte. Geht man von den dargestellten Ermittlungsergebnissen aus, so ist aber nicht zu erkennen, daß die Abgabestelle des Beschwerdeführers für die belangte Behörde nach dem 1. Oktober 1991 noch "ohne Schwierigkeiten" (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz) feststellbar war. Seiner Pflicht, die Änderung der bisherigen Abgabestelle der Behörde mitzuteilen, war der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 war der Bescheid vom 10. März 1993 daher ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der belangten Behörde zu hinterlegen. Etwas anderes - etwa die Annahme über § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ("ohne Schwierigkeiten") hinausgehender Ermittlungspflichten - ist auch dem im Antrag vom 17. Oktober 1995 zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, B 1219/93 u.a., und dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1994, Zl. 94/19/0599, nicht entnehmbar.
Daß der Hinterlegungsvorgang nicht den Vorschriften des § 23 Zustellgesetz entsprochen hätte und auch deshalb unwirksam gewesen sei, macht die Beschwerde nicht mehr geltend. Nach dem Inhalt der Zustellverfügung und der angelegten Aktenvermerke trifft es auch nicht zu.
Entsprach die Hinterlegung des Bescheides vom 10. März 1993 dem Gesetz, so war der Antrag auf Fortsetzung des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zurückzuweisen. Durch den Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer daher nicht in seinen Rechten verletzt.
2. Daß der Beschwerdeführer unter diesen Umständen Anspruch auf eine "Aufhebung der Rechtskraft" und auf "neuerliche Zustellung" des Bescheides vom 10. März 1993 gehabt haben könnte, wird in der Beschwerde - mit Recht - nicht geltend gemacht. Ausführungen zu den Spruchpunkten II und III des angefochtenen Bescheides fehlen zur Gänze, weshalb sich eine nähere Auseinandersetzung mit der Zurückweisung der Eventualanträge vom 17. Oktober 1995, auf die sich diese Spruchpunkte beziehen, erübrigt (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 245).
3. Der Beschwerdeführer führt jedoch aus, sein Schriftsatz vom 17. Oktober 1995 sei als "neuerlicher Antrag auf Asyl" zu werten gewesen und die belangte Behörde hätte ihn, statt ihn zurückzuweisen, gegebenenfalls nach § 6 AVG an die zuständige (gemeint: erstinstanzliche) Behörde weiterzuleiten gehabt. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer darauf, daß die "Abweisung" seines Asylantrages gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 als Zurückweisung zu deuten gewesen sei.
Letzteres trifft - nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, B 1219/93 u.a., dem sich der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt angeschlossen hat - zu. Für den Beschwerdeführer ist daraus aber nichts zu gewinnen, weil der Ansicht, der Schriftsatz vom 17. Oktober 1995 habe einen neuen Asylantrag enthalten, nicht gefolgt werden kann. Diesem Schriftsatz lag schon die Rechtsansicht zugrunde, die Abweisung aus dem von der belangten Behörde im Bescheid vom 10. März 1993 herangezogenen Grund sei "richtig" eine Zurückweisung, wobei - hinsichtlich der Voraussetzungen für eine derartige Entscheidung - auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, B 1219/93 u.a., Bezug genommen wurde. Der Schriftsatz enthielt auch (rechtlich verfehlte) Eventualanträge "für den Fall, daß die erkennende Behörde von der Existenz des Bescheides ausgeht". Der Hauptantrag auf "Fortsetzung des Verfahrens" war unter diesen Umständen auf den Asylantrag vom 31. Oktober 1989 und nur auf diesen zu beziehen. Ihn auch als neuen Asylantrag zu werten, kam schon im Hinblick auf die (andersartigen) Eventualanträge für den Fall der wirksamen Erlassung des Bescheides vom 10. März 1993 nicht in Frage.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996200387.X00Im RIS seit
20.11.2000