TE OGH 2021/2/4 5Ob233/20f

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Veröffentlicht am 04.02.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, gegen die beklagten Parteien 1. C*****gmbH, 2. D*****, beide vertreten durch Zorn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen 11.280 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. August 2020, GZ 50 R 76/20s-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. Februar 2020, GZ 8 C 429/19y-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 946,51 EUR (darin 157,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die aus einer Stundensatzvereinbarung abgeleitete Honorarforderung des Klägers für die Vertretung der Erstbeklagten in einem Honorarprozess gegen ihren vormaligen Rechtsfreund sowie die Überprüfung eines weiteren – noch nicht eingeklagten – Honoraranspruchs dieses Rechtsanwalts auf seine Berechtigung, insbesondere im Hinblick auf von den Beklagten behauptete Gegenforderungen.

[2]       Das Erstgericht gab der Klage statt.

[3]       Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Kläger gebühre für unsachliche oder unzweckmäßige Leistungen kein Honorar, er habe aber bewiesen, dass die von ihm erbrachten Leistungen notwendig und zweckmäßig gewesen seien. Bei Vereinbarung eines Zeithonorars komme es auf den Erfolg des Klägers nicht an.

[4]       Die Revision ließ es über Abänderungsantrag der Beklagten nachträglich mit der Begründung zu, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Oberste Gerichtshof zu einer abweichenden Beurteilung dieser besonderen Konstellation und zum Ergebnis einer im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung gelangen könnte.

Rechtliche Beurteilung

[5]       Die von den Beklagten dagegen erhobene und vom Kläger beantwortete Revision ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6]       1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0111729) darf sich die nach § 508 Abs 3 ZPO erforderliche Prüfung der Stichhältigkeit eines Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO nicht in einer Scheinbegründung erschöpfen, sodass sich das Berufungsgericht bei seiner Prüfung mit den Antragsargumenten sachlich – wenngleich kurz – auseinanderzusetzen hat. Es darf einem solchen Antrag nur stattgeben, wenn es ihn für stichhältig hält (RS0112166; RS0111729). Dem entspricht die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts nicht, das sogar ausdrücklich erklärt, die im Abänderungsantrag dargestellte Auffassung der Beklagten nicht zu teilen. Der bloße Hinweis darauf, es sei nicht ausgeschlossen, dass der Oberste Gerichtshof zu einer anderen Beurteilung kommen könnte, reicht schon deshalb nicht aus, weil dann – ginge man von dieser Auffassung des Berufungsgerichts aus – jeder Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO Erfolg haben müsste (vgl RS0111729 [T1]).

[7]       2. Die Beklagten behaupten eine Abweichung des Berufungsgerichts von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung 8 Ob 92/14h, wonach eine nachträgliche gerichtliche Angemessenheits-prüfung im Fall eines vereinbarten Stundensatzes zulässig und geboten sei. Das Berufungsgericht halte unzutreffend die Rechtsfrage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der verrechneten Leistungen für eine vom Erstgericht entschiedene Tatsachenfrage. Diese Argumentation zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[8]       3.1. Nach ständiger Judikatur (RS0118891) ist die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Nur wenn die Auslegung durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung sein sollte, kann die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur im Einzelfall zulässig sein (RS0118891 [T5]).

[9]       3.2. Während nach gesicherter Rechtsprechung (RS0111996) die Feststellung der den Sachverhalt bildenden Tatsachen einschließlich aller Schlussfolgerungen zur Tatfrage gehört, ist die Anwendung der entsprechenden Rechtsnorm samt der für ihre Anwendung notwendigerweise vorausgesetzten Erfahrungssätze (einschließlich der Denkgesetze) und allgemeiner Rechtsbegriffe sowie sämtliche rechtliche Schlussfolgerungen aus dem festgestellten Sachverhalt Rechtsfrage. Soweit der Gesetzgeber das konkrete tatsächliche Element so weit in die Rechtsnorm eingebaut hat, dass die Tatfrage nicht nur Beurteilungsobjekt der Rechtsnorm ist, sondern in diese selbst eingeht und ihr Anwendbarkeit verleiht, liegt eine gemischte Frage vor. Wertungen und Schlussfolgerungen bauen zwar auf Tatsachen auf, sind selbst aber grundsätzlich nicht Gegenstand des Beweisverfahrens und daher keine Tat-, sondern revisible Rechtsfragen (RS0111996 [T3]). Sofern nicht eine krasse, im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung vorliegt, betreffen aber derartige Wertungen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl 4 Ob 67/14b).

[10]     3.3. Letztlich wirft auch die Prüfung der Angemessenheit des Anwaltshonorars im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn es sich nicht um eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der zweiten Instanz handelt (7 Ob 259/10d; 8 Ob 92/14h). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

[11]     4.1. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (8 Ob 92/14h; 1 Ob 60/17f; 3 Ob 30/19m) ist bei einer Stundensatzvereinbarung die Angemessenheit des verrechneten Zeitaufwands – wenn strittig – zu kontrollieren. Die Ermittlung des angemessenen Rechtsanwaltshonorars ist daher Rechtsfrage. Deren Beantwortung bedarf aber auch einer entsprechenden Tatsachengrundlage, so etwa – im auch hier gegebenen Fall der Stundensatzvereinbarung – konkreter Feststellungen zum tatsächlichen Zeitaufwand, zur Zweckentsprechung der Leistung des Rechtsanwalts im Hinblick auf das ihm erteilte Mandat und zur Üblichkeit des tatsächlichen Aufwands zur Erreichung dieses Zwecks. Der 8. Senat verlangte in der Entscheidung 8 Ob 92/14h (unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des BGH IX ZR 18/09 Rn 85; IX ZR 37/10 Rn 22) auch die Prüfung, ob nachgewiesene Stunden der Arbeitszeit nicht nur üblich sind, sondern auch in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit stehen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Arbeitsweise von Rechtsanwälten individuell unterschiedlich gestaltet. An diesen Grundsätzen – die auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen hat – ist festzuhalten.

[12]     4.2. Hier stellte das Erstgericht fest, dass der Kläger im Rahmen des ihm erteilten Mandats die Erstbeklagte in einem näher bezeichneten Verfahren wegen Honorarforderungen von insgesamt 30.012,21 EUR vertreten und mögliche Einwendungen und Gegenforderungen gegen diese Klageforderung prüfen sollte, außerdem auch weitere Honorarforderungen der vormaligen Rechtsanwälte der Beklagten in Höhe von 325.207,56 EUR, deren Einklagung in Aussicht gestellt worden war. Das Ergebnis sollte er für Vergleichsgespräche aufbereiten. Nach den Feststellungen kam der Kläger dem Auftrag sorgfältig nach. Die Stoffsammlung und Sichtung war sehr aufwändig, weil er Informationen vom Zweitbeklagten und dessen Berater oft erst auf mehrmalige Urgenz in unsortierter und sich wiederholender Form erhielt. Festgestellt wurde auch, dass der Kläger im Rahmen des Auftrags die in der Leistungsaufstellung vom 27. Juni 2019 (./B – die dem Ersturteil zwar tatsächlich nicht angeschlossen war, deren Inhalt aber unstrittig ist) angeführten Leistungen erbrachte, die sinnvoll und notwendig gewesen seien. Konkretisierend finden sich Feststellungen dazu (disloziert) auch im Rahmen der Beweiswürdigung des Erstgerichts, wonach die Mailbox des Klägers aufgrund seines Ersuchens um Unterlagen vom Zweitbeklagten „zugemüllt“ wurde, viele Unterlagen inhaltlich wertlos waren und dies einen sehr hohen Arbeitsaufwand zur Vorbereitung des beauftragten vorbereitenden Schriftsatzes und zur Erarbeitung der Prozess-
und Vergleichstaktik zur Folge hatte. Zum Aufwand für die notwendigen Urgenzen verwies das Erstgericht auf konkret genannte Urkunden, deren Richtigkeit die Beklagten nicht bestritten haben. Grund für die Nichterstellung des vorbereitenden Schriftsatzes war nicht die mangelnde Zahlung weiterer Akonti, sondern fehlende Informationen der Beklagten. Eine mangelhafte Vorbereitung des Klägers auf die Besprechung am 6. 6. 2019 stellte das Erstgericht nicht fest. Die von den Beklagten behauptete eigenmächtige Ausweitung der Tätigkeit des Klägers schloss das Erstgericht ebenso aus wie seine Ineffizienz und generell mangelnde Vorbereitung. All dies sind Feststellungen, die eine tatsächliche Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit in rechtlicher Hinsicht bieten konnten. Eine gesetzesgemäß ausgeführte Beweisrüge lag – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte – diesbezüglich nicht vor.

[13]     4.3. Wenn das Berufungsgericht nun den Gesamtkontext dieser Feststellungen dahin auslegte, dass Gegenstand des Auftrags nicht nur die Erstellung eines vorbereitenden Schriftsatzes im Honorarprozess war, sondern auch die (umfassende) rechtliche Überprüfung weiterer Honorarforderungen von 325.207,56 EUR sowie die Erarbeitung einer Prozessstrategie und einer Grundlage für Vergleichsgespräche, ist dies nicht zu beanstanden. Nicht korrekturbedürftig ist auch, dass die im Einzelnen aus Beilage ./B hervorgehenden Leistungen des Klägers nicht nur erbracht wurden, sondern auch der Bedeutung der Causa (immerhin standen Honorarforderungen von mehr als 350.000 EUR im Raum!) entsprachen. Daraus in rechtlicher Sicht abzuleiten, das eingeklagte Stundensatzhonorar sei auch im Hinblick auf das Ausmaß der aufgewendeten Zeit als angemessen anzusehen, begegnet keinen Bedenken im Einzelfall. Dass der aus Beilage ./B hervorgehende Aufwand etwa auf eine mangelhafte interne Struktur in der Kanzlei des Klägers (vgl hiezu etwa 8 Ob 92/14h) oder seine besonders ineffiziente und dem übertragenen Mandat nicht entsprechende Arbeitsweise zurückzuführen wäre, steht nicht fest. Eine im Interesse der Rechtssicherheit im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen in Bezug auf die Angemessenheit des eingeklagten Anwaltshonorars liegt nicht vor.

[14]     5. Damit war die Revision zurückzuweisen.

[15]     6. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen waren. Allerdings steht ihm nur der einfache Einheitssatz nach § 23 Abs 3 RATG zu.

Textnummer

E130820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00233.20F.0204.000

Im RIS seit

05.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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