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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. März 1995, Zl. 4.331.830/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 13. Jänner 1992 in das Bundesgebiet ein. Am 20. Jänner 1992 beantragte er die Asylgewährung und wurde dazu am 17. März 1992 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland niederschriftlich befragt.
Dabei gab er an, Kurde zu sein, in den Jahren 1980 bis 1985 die Grundschule und von 1985 bis 1988 die Hauptschule besucht zu haben; in den Jahren 1988 bis 1992 habe er als Gelegenheitsarbeiter in Aksaray mit einem monatlichen Einkommen von ca. 300.000 Lira gelebt.
Zu seinen Fluchtgründen gab er folgendes an:
"Ich bin türkischer Staatsbürger und gehöre in meiner Heimat der kurdischen Minderheit an. Ich gehörte keiner politischen Partei an und habe mich auch nicht politisch betätigt.
Auf Grund meines Glaubens - ich bin Alevite - konnte ich in meiner Heimat auf Dauer keine Arbeit finden. Wenn ich Arbeit gefunden hatte und mein Arbeitgeber erfuhr, daß ich Alevite bin, wurde mir das Gehalt gekürzt oder wurde ich sofort entlassen. Außerdem wurde ich von der Bevölkerung, welche überwiegend Sunniten waren, aufgrund meiner Glaubensrichtung zweimal geschlagen. Dies war Anfang 1991 und einmal Ende 1990. Ich wurde dabei geringfügig verletzt. Aufgrund dieser Vorfälle hatte ich Angst, mich zu meinem Glauben zu bekennen und konnte daher meine Religion nicht ausüben.
Zur Erklärung möchte ich angeben, daß sich Aleviten zum Islam bekennen. Gegenüber den Sunniten, welche sich auch zum Islam bekennen, wird von den Aleviten der Koran nicht so streng ausgelegt. Zum Beispiel fasten die Aleviten nur 12 Tage, hingegen die Sunniten 30 Tage. Aus diesem und auch aus weiteren Anschauungsgründen sind die Aleviten bei den Sunniten verrufen und werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit verfolgt und beschimpft. Die Bevölkerung in Askaray besteht größtenteils aus Sunniten.
Ich versuchte auch in Istanbul Arbeit zu bekommen. Da ich aber Kurde bin, wurde mir jedesmal unterstellt, der PKK anzugehören. Dies entsprach und entspricht keinesfalls den Tatsachen. Ich gehörte nie der PKK an. Aus diesem Grunde konnte ich auch in Istanbul keine Arbeit finden.
Aufgrund meiner ethnischen Herkunft (Kurde) war ich in meiner Heimat keinen Verfolgungen durch die Polizei oder durch das Militär ausgesetzt.
Dies sind meine Fluchtgründe."
Von Istanbul aus sei er über Bulgarien und Rumänien und schließlich über Ungarn illegal nach Österreich eingereist.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 6. April 1992 wurde gemäß den §§ 1, 2 und 12 Abs. 2 des Asylgesetzes in der damals geltenden Fassung festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes sei.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er aber keine neuen Fakten vorbrachte, sondern lediglich ausführte, "daß er sich entgegen der im erstinstanzlichen Bescheid vertretenen Ansicht, aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde und daher die Voraussetzungen des Art. I Abschnitt 1 Z. 2 der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge erfülle."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und ausgesprochen, daß ihm Österreich kein Asyl gewähre. Die belangte Behörde sah in den vom Beschwerdeführer geschilderten Schikanen durch die sunnitische Bevölkerungsgruppe das selbständige Vorgehen von Privatpersonen, und somit keine von staatlicher Seite ausgehenden Handlungen, was ungeeignet sei, die Flüchtlingseigenschaft zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinesfalls von einer Entziehung der Lebensgrundlage zu sprechen, was im übrigen auch nicht vom türkischen Staat verursacht oder diesem zurechenbar wäre. Weiters habe der Beschwerdeführer keinerlei Umstände relevieren können, wonach er sich aus Gründen des Asylgesetzes 1991 außerhalb seines Heimatlandes befände, vielmehr erschienen der erkennenden Behörde asylfremde Überlegungen des Beschwerdeführers bezüglich seiner behaupteten Flucht plausibel.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erklärt der Beschwerdeführer, der Bundesminister für Inneres hätte schon auf Grund seines Berufungsvorbringens, wonach der erstinstanzliche Bescheid in keiner Weise auf seine persönliche Situation und sein Vorbringen im Überprüfungsverfahren eingehe, von einer Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ausgehen müssen. Eine Änderung des Sachverhaltes im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 sei insoweit gegeben, als er aus Furcht vor einer Abschiebung in die Türkei bei seiner ersten und bisher auch einzigen Einvernahme durch die Behörden unvollständige bzw. unrichtige Angaben gemacht habe. Darüber hinaus betätige er sich nunmehr (seit 1992) auch in Österreich für die türkische kommunistische Partei. So sei er für die Mitgliederwerbung und für die Beziehungen zu anderen politischen Gruppen verantwortlich. Die türkischen Behörden seien mittels des türkischen Geheimdienstes über seine Tätigkeit informiert und müßte er bei einer Abschiebung in die Türkei mit Gefängnis und Folter rechnen. Der Bundesminister für Inneres hätte sohin eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gehabt und wäre diesfalls die belangte Behörde zu einer abweichenden Sachverhaltsfeststellung gekommen, was zu einem anderen Bescheid hätte führen müssen.
Gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetz 1991 zu Ende zu führen. § 20 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991 sieht vor, daß der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen hat, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundegelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat.
Vom Vorliegen einer dieser Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. kann aber im gegenständlichen Fall nicht die Rede sein. In einer "formelhaften" Bescheidbegründung liegt aber noch keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens. Im übrigen wäre dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren die Möglichkeit zur Ergänzung seines Vorbringens offengestanden, die er jedoch nicht ergriffen hat.
Der erstmals in der Berufung erstattete Hinweis auf politische Verfolgung konnte infolge seiner gänzlichen Unbestimmtheit keine weiteren Ermittlungspflichten der Behörde auslösen. Dieses Berufungsvorbringen stand im Widerspruch zu seinen Aussagen bei seiner Ersteinvernahme. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde nämlich gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Da derartige deutliche Hinweise der Berufung nicht zu entnehmen waren, und auch sonst keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens hervorkam, hat die belangte Behörde zutreffend das Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 1 Asylgesetz ihrer Entscheidung zugrundegelegt.
Weder in der Berufung noch während des Berufungsverfahrens machte der Beschwerdeführer geltend, als Mitarbeiter und Funktionär der türkischen kommunistischen Partei in Österreich in Erscheinung getreten zu sein. Es lag daher für die belangte Behörde auch der Grund des § 20 Abs. 2 3. Fall leg. cit. nicht vor. Das erstmalig in der Beschwerde genannte Agieren des Beschwerdeführers für die türkische kommunistische Partei war daher schon auf Grund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus § 41 VwGG ableitbaren Neuerungsverbotes nicht weiter zu beachten.
Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; vielmehr müssen (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen Aufenthalt im Heimatland des Asylwerbers unerträglich erscheinen lassen. Es müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete bzw. ihm drohende Maßnahmen in der beschriebenen Intensität glaubhaft gemacht werden.
Der Beschwerdeführer brachte bei der Darstellung seiner Fluchtgründe vor allem vor, weder in seiner Heimat, noch in Istanbul auf Grund seiner Religionszugehörigkeit Arbeit gefunden zu haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht der Verlust des Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall der Schwierigkeit bei der Arbeitsplatzsuche. Auch dieser Umstand würde erst dann ausreichen, eine Asylgewährung zu begründen, wenn damit eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage einherginge. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er auf Grund des Verdachtes, der PKK anzugehören, in Istanbul keine Arbeit gefunden habe und auf Grund seiner alevitischen Religionszugehörigkeit auch in seiner Heimat auf Dauer keine oder nur schlechter bezahlte Arbeit finden könne, ist eine derartige ernsthafte Bedrohung seiner Lebensgrundlage aber nicht zu entnehmen. Dies auch deshalb, da er nach seinen eigenen Angaben seit seinem Schulabschluß im Jahre 1988 bis zum Zeitpunkt seiner Flucht im Jahre 1992 als Gelegenheitsarbeiter in seiner Heimat beschäftigt war und er diesbezüglich sogar einen durchschnittlichen Monatslohn angeben konnte. Daher ist nicht auszuschließen, daß er in seiner Heimat - wenn auch nicht unter idealen bzw. gleichen Arbeitsbedingungen wie andere - zumindest wieder Gelegenheitsarbeiten zur Sicherung seiner Lebensgrundlage finden kann.
Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, wenn sie im diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgung erblickte.
Was die Angriffe gegen die Person des Beschwerdeführers Ende 1990 und Anfang 1991 wegen seines religiösen Bekenntnisses durch die Sunniten betrifft, so stellen diese Attacken keine von staatlicher Seite ausgehende Verfolgung dar. Es ist dem Beschwerdeführer zwar zuzugestehen, daß staatliche Hilfe gegen derartige Übergriffe kaum zu erwarten gewesen wäre, doch kommt diesen Attacken der Charakter von Eingriffen, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention qualifiziert werden könnten, nicht zu. Im übrigen würde diesen Vorfällen auch der zeitliche Konnex zur (erst) Anfang 1992 erfolgten Flucht fehlen.
In der Beschwerde wird in der Sachverhaltsschilderung - in gänzlichem Abweichen von den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - vorgebracht, daß dieser infolge seiner Tätigkeit für die TKP von der Polizei wiederholt angehalten und geschlagen worden sei, schließlich der Einberufung keine Folge geleistet habe, worauf auch seine Familie von den Militärbehörden bedroht worden sei. Soweit der Beschwerdeführer aus diesen Schilderungen rechtliche Schlußfolgerungen zu seinen Gunsten zieht, ist er darauf hinzuweisen, daß das aus § 41 VwGG ableitbare Neuerungsverbot einer Berücksichtigung dieses Vorbringens entgegensteht.
Hinsichtlich der Vorgänge bei der Niederschrift am 17. März 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland wird in der Beschwerde vorgebracht, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines jugendlichen Alters bei dieser Einvernahme sehr aufgeregt gewesen sei und auf Grund seiner politischen Tätigkeit für die TKP befürchtet habe, sofort wieder abgeschoben zu werden. Auf Grund dieser Befürchtung habe er auch seine Flucht vor dem Militär der Behörde nicht angegeben.
Dieses Vorbringen erweist sich allerdings schon deshalb als unbeachtlich, da - selbst für den Fall des Zutreffens der geschilderten Situation - es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen wäre, entweder in der Berufung oder aber während des (insgesamt drei Jahre dauernden) Berufungsverfahrens diese Umstände der Behörde mitzuteilen. Dies ist nicht geschehen, weshalb auch diesem Vorbringen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegensteht.
Aus den obgenannten Gründen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200455.X00Im RIS seit
20.11.2000