Gbk 2020/10/29 GBK II/431/20

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung auf Grund des Alters und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses

Text

Senat II der Gleichbehandlungskommission

Anonymisiertes Prüfungsergebnis GBK II/431/20 gem. § 12 GBK/GAW-Gesetz

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) hat über den Antrag von Frau Mag.a A (in Folge: Antragstellerin) wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund des Alter und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG durch B (in Folge als übergeordnete Konzernmutter und Bewerbungsplattformverantwortliche als „Antragsgegnerin“ bezeichnet) bzw. durch das Tochterunternehmen C nach Durchführung eines Aktenverfahrens erkannt:

Eine Diskriminierung der Antragstellerin auf Grund des Alters und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch die beiden AntragsgegnerInnen

l i e g t n i c h t v o r.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin als Projektmanager und Business Analyst und als Junior Software Entwickler für das Tochterunternehmen C beworben habe.

Sie sei Wirtschaftsinformatikerin mit Universitätsabschluss, mit Projektmanagementzertifizierung IPMA Level C, mit Programmierkenntnissen und mit einigen Jahren Berufserfahrung, vor allem im IT-Bereich. Da sie auf Arbeitssuche sei, habe sie nach Jobausschreibungen gesucht. Die B-Gruppe habe sehr viele Jobausschreibungen im IT-Bereich, weshalb sie die Gelegenheit ergriffen und sich für Stellen im IT-Bereich bei der B-Gruppe beworben habe.

Die Bewerbungen seien online erfolgt. Eine Registrierung und das Ausfüllen eines allgemeinen Teiles seien notwendig gewesen. Für alle Unternehmen der B-Gruppe würden die Bewerbungen auf demselben Karriere-Portal erfolgen.

Die Ausschreibungstexte hätten in beiden Fällen bei den Erfordernissen "Deutsch auf Muttersprachniveau“ beinhaltet. Deutsch auf Muttersprachniveau könnten nur Personen beherrschen, die von Geburt an in Österreich leben. Ob es tatsächlich notwendig oder relevant sei, für die Ausübung dieser Tätigkeit, bezweifle sie.

Außerdem fühle sie sich diskriminiert, da sie die deutsche Sprache sehr gut beherrsche, trotzdem diese nicht ihre Muttersprache sei. Aufgrund ihrer Fähigkeiten fühle sie sich für die ausgeschriebenen Positionen gut qualifiziert, weshalb sie sich beworben habe. Trotzdem habe sie immer Absagen von B-Unternehmensgruppe erhalten und zwar immer mit denselben Standardbriefen. Eine Einladung zu einem Interview sei bei keiner der Bewerbungen erfolgt.

Sie behaupte, dass sie die Absagen erhalten habe und nicht in näherer Betracht gezogen worden sei, weil ihre Muttersprache nicht Deutsch sei.

Außerdem vermute sie eine Diskriminierung auf Grund des Alters. Durch die beiliegenden Dokumente könne man das Alter der BewerberInnen feststellen. Sie behaupte, dass die HR-Abteilung der B-Gruppe die BewerberInnen mit höherem Alter (wie z.B. 50+ Bewerberinnen oder 45+Bewerberinnen) aussortiere, was folglich auch der Grund für ihre ständigen Absagen der B-Gruppe sei.

Die in Rede stehende Stellenausschreibung habe gelautet:

Junior Software Entwickler (…)

Deine Aufgaben:

?  Deutsch auf Muttersprachniveau

Das Anschreiben der Antragstellerin an die Antragsgegnerin habe gelautet:

„Bewerbung als Junior Software Entwickler (…)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie suchen einen Junior Software Entwickler (…) zur Customizing Ihres ERP-Systems, zur Business Requirements Engineering und zur Software-Release-Management. Mein Profil erfüllt Ihren Anforderungen und deshalb möchte ich die Gelegenheit ergreifen, mich für diese Stelle zu bewerben.

In… habe ich Wirtschaftsinformatikstudium absolviert. Nach meinem Studienabschluss habe ich beim … und beim … als Beraterin gearbeitet. Aufgrund meiner bisherigen Tätigkeiten als Beraterin bringe ich strukturiertes Denken, strategisches Urteilsvermögen sowie service- und kundenorientiertes Arbeitsverhalten mit.

Nachher war ich als Beraterin im Bereich … selbständig tätig. Aufgrund meiner beruflichen Interesse habe ich Projektmanagement, Controlling Lehrgänge, Programmierkurse und IT-Zertifizierungen absolviert. Vor kurzem war ich als IT-Projektmanagerin und als Business Analystin bei … tätig.

Da ich eine abgeschlossene Wirtschaftsinformatik Studium habe, mehrjährige einschlägige Berufserfahrung in IT-Projekten gesammelt habe sowie über fundierte Entwicklungskenntnisse und Projektmanagement und verfüge, würde ich gerne mein Wissen als Junior Software Entwicklerin in Ihrem Unternehmen einbringen. Darüber hinaus verfüge ich über SQL, Exclipse und Git-Erfahrung sowie über sehr gute Englisch Kenntnisse.

Mit mir gewinnen Sie eine motivierte, selbstständige, ziel- und lösungsorientierte Mitarbeiterin, mit analytisch-konzeptionellen Fähigkeiten und sozial-kommunikativer Kompetenz, die gerne in einem kollegialen Team arbeitet. Auf meine Einsatzbereitschaft können Sie genauso zählen, wie auf meine Bereitschaft neue Erfahrungen zu sammeln und mich weiterzubilden.

Weitere Angaben entnehmen Sie dem beigefügten Lebenslauf. Ich freue mich auf ihre Kontaktaufnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

Das zweite Anschreiben betreffend die Ausschreibung „Projekt Manager und Business Analyst“ sei – abgesehen von der konkreten Stellenbezeichnung – ident gewesen.

In der Stellungnahme der Antragsgegnerin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Antragstellerin behaupte, sie wäre aufgrund ihrer ethnischen Herkunft sowie ihres Alters bei den Bewerbungen für die Positionen als "Projektmanager und Business Analyst" sowie "Junior Software Entwickler" diskriminiert worden. Weder die Stelleninserate noch die Gründe für die Ablehnung der Bewerbungen seien diskriminierend.

Bei der verwendeten Formulierung "Deutsch auf Muttersprachniveau" handle es sich um keine diskriminierende Formulierung. Durch diese Formulierung werde nur ausgedrückt, dass ausgezeichnete Deutschkenntnisse erforderlich seien, nicht jedoch werde damit Deutsch als Muttersprache gefordert.

Entgegen der Behauptung der Antragstellerin werde diese Formulierung auch nur in einem der beiden Stelleninserate verwendet (in dem Stelleninserat für "Junior Software Entwickler"), es handle sich also um eine spezifische Anforderung einer Stelle und nicht um ein generelles Ausschlusskriterium.

Ausgezeichnete Deutschkenntnisse seien eine wesentliche und entscheidende Berufsvoraussetzung für die Position als "Junior Software Entwickler", weil ein Großteil der Arbeit auf Deutsch erfolge und Projekte gemeinsam mit Sachbearbeitern bearbeitet würden, die nur Deutsch sprächen.

Die Ablehnung der Bewerbungen der Antragstellerin seien ausschließlich aufgrund der fehlerhaften Bewerbungsschreiben sowie der fehlenden Kenntnisse und Berufserfahrungen der Antragstellerin erfolgt. Weder das Alter noch die ethnische Herkunft der Antragstellerin seien Gründe für die Ablehnung der Bewerbungen gewesen.

Die Antragstellerin behaupte, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert worden zu sein, weil in den Stelleninseraten für die Position "Projektmanager und Business Analyst" sowie "Junior Software Entwickler" "Deutsch auf Muttersprachenniveau" gefordert worden sei.

Im Stelleninserat für die Position "Projektmanager und Business Analyst" werde keine Anforderung an Sprachkenntnisse angeführt. Die Behauptung der Antragstellerin sei daher eine unzutreffende Verallgemeinerung.

Für die Position als "Junior Software Entwickler" werde Deutsch auf Muttersprachenniveau gefordert. Mit dieser Formulierung werde eindeutig ausgedrückt, dass ausgezeichnete Deutschkenntnisse gefordert seien, nicht jedoch werde Deutsch als Muttersprache gefordert.

Die Gleichbehandlungskommission betrachte das Erfordernis der deutschen Muttersprache bei einem Stelleninserat nicht als diskriminierend, empfehle jedoch Formulierungen wie "einwandfreie Beherrschung der deutschen Sprache" den Vorzug zu geben (vgl. GBK 6. 12.2017, II/336/17; Körber-Risak in Mazal/Risak (Hrsg), Das Arbeitsrecht - System und Praxiskommentar (33. Lfg 2019), Das Gleichbehandlungsgesetz (GIBG) und die Antidiskriminierungsbestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), Rz 181). Mit der verwendeten Formulierung "Deutsch auf Muttersprachenniveau" sei aber dennoch eine Formulierung verwendet worden, die den Anforderungen einer diskriminierungsfreien Stellenausschreibung entspreche, zumal eben nicht Deutsch als Muttersprache, sondern Muttersprachenniveau verlangt werde.

Ausgezeichnete Deutschkenntnisse seien eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung für die Tätigkeit als "Junior Software Entwickler". Für die Tätigkeit seien eine korrekte Rechtschreibung und klare Kommunikation auf Deutsch besonders wichtig, weil ein Großteil der Arbeit ausschließlich auf Deutsch erfolge und Projekte häufig gemeinsam mit Sachbearbeitern bearbeitet würden, die nur Deutsch sprächen.

Die Antragstellerin behaupte unrichtig, dass die Antragsgegnerin Bewerbungen von Bewerbern mit höherem Alter (ab 50 Jahren oder ab 45 Jahren) aussortiere. Diese Behauptung werde entschieden zurückgewiesen. In den letzten Jahren seien mehrfach Bewerberinnen und Bewerber eingestellt worden, die über 50 Jahre alt gewesen seien.

In B seien dies zB 7 Personen im Jahr 2017, 14 Personen im Jahr 2018, 14 Personen im Jahr 2019 und in C zwei Personen im Jahr 2017, zwei Personen im Jahr 2018 sowie eine Person im Jahr 2019 gewesen. Häufig würden explizit Personen mit mehrjähriger Berufserfahrung gesucht.

Das Alter der Bewerberin sei daher kein Grund für die Ablehnung ihrer Bewerbungen gewesen.

Die Antragsgegnerin beschäftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus vielen Nationalitäten. Eine Auswertung habe ergeben, dass in C Personen aus 11 verschiedenen Nationalitäten und in B sogar aus 63 verschiedenen Nationalitäten beschäftigt seien.

Zudem kooperiere C mit der AMS-nahen Organisation Z, über die auch Personen mit ungewöhnlichen Lebensläufen vermittelt werden.

Das Alter oder die ethnische Herkunft seien keine Entscheidungskriterien im Bewerbungsprozess.

Im Bewerbungsprozess werde aber geprüft, ob die Ausschreibungsvoraussetzungen erfüllt seien und ob die Bewerbungsschreiben Fehler enthalten würden. Fehler in den Bewerbungsschreiben seien in einer Gesamtbetrachtung ein Indiz für fehlerhafte Arbeit.

Die Bewerbungen seien aus den folgenden sachlichen Gründen nicht berücksichtigt worden:

Das Bewerbungsschreiben der Antragstellerin habe mehrere Fehler enthalten. Diese Fehler hätten auf eine mangelhafte Beherrschung der deutschen Grammatik und Rechtschreibung sowie auf Mängel der sprachlichen Ausdrucksweise hingewiesen. Auch würden derartige Fehler nicht für die IT-Kompetenzen und die Sorgfalt einer Bewerberin oder eines Bewerbers sprechen, weil sie sich über die Prüfprogramme der gängigen Textverarbeitungen meist leicht finden und bereinigen ließen. Aus allen diesen Gründen könne von einem fehlerhaften Bewerbungsschreiben auf eine ungenaue Arbeitsweise geschlossen werden. Das fehlerhafte Bewerbungsschreiben sei einer der Gründe für die Ablehnung der Bewerbungen gewesen.

Ein weiterer Grund für die Ablehnung sei gewesen, dass die Antragstellerin nicht über Softwareerfahrung im Finanzdienstleistungsbereich verfüge. Softwareerfahrung im Finanzdienstleistungsbereich sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Positionen als "Projektmanager und Business Analyst" sowie "Junior Software Entwickler" ausüben zu können.

Für die Position als "Junior Software Entwickler" sei ein fundiertes Oracle SQL Know-how erforderlich. Nach den Bewerbungsunterlagen der Antragstellerin verfüge diese nicht über derartige Kenntnisse.

Für die Position "Projektmanager und Business Analyst" seien die Tätigkeiten der Antragstellerin in den letzten drei Jahren (Java-Projekte und Coachingtätigkeiten) nicht relevant. Die (sehr kurze) Projektmanagementtätigkeit bei D sei nicht entscheidend, weil der Schwerpunkt bei D auf SAP liege.

Für die Position als "Projektmanager und Business Analyst" werde außerdem jemand gesucht, der/die über fachliche Erfahrung in einschlägigen Projekten verfüge, weil viele fachliche Aufgaben (zB Testing) übernommen werden müssten.

Vom Senat sind anonymisierte Unterlagen von der Antragsgegnerin nachgefordert worden, aus denen die Einstellungen von Personen „50+“ glaubhaft ersichtlich war.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) stu?tzt sein Prüfungsergebnis auf die schriftlichen Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Auch eine Fachexpertin von ZARA wurde antragsgemäß in das Verfahren eingebunden.

Diese hat folgende Stellungnahme abgegeben:

„Grundsätzlich finden wir die Formulierung „Deutsch auf Muttersprachniveau“ nicht ideal gewählt. Der Begriff „Muttersprachniveau“ sollte vermieden werden, da es durch zu einer Abschreckung von Bewerber*innen mit einer anderen Muttersprache kommen kann. Auch, wenn es in diesem konkreten Fall gerade nicht zu einer Abschreckung gekommen ist, ist es dennoch nachvollziehbar, dass eine solche Formulierung dazu führen kann, dass eine Absage leichter als eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit gedeutet wird. Zusätzlich können solche Formulierungen in Stellenausschreibungen auch dazu führen, dass auch auf Arbeitgeber*innen Seite – wenn auch unbewusst – eher an Personen gedacht wird, die Deutsch als Muttersprache haben und es dadurch leichter zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit kommen könnte.

Daher fänden wir es wichtig, wenn in Zukunft von Seiten der B eine Formulierung zur Beschreibung der Deutschkenntnisse gewählt wird, die ohne den Begriff der „Muttersprache“ auskommt. In Frage kommen etwa abstrakte Umschreibungen (verhandlungssicher; Europäischer Referenzrahmen,...).

Grundsätzlich haben wir keine Erfahrung zur Einstellung und den notwendigen Qualifikationen im IT- Bereich. Hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der Absage und der genannten fehlenden Qualifikation können wir uns, aus mangelndem technischen Wissen, nicht positionieren. Aufgrund der uns übermittelten Akten konnten wir nicht eindeutig feststellen, dass eine Diskriminierung vorliegt. Wir können aber auch nicht mit Sicherheit sagen, dass keine Diskriminierung vorliegt, aus dem Akteninhalt alleine ergeben sich für uns jedoch keine eindeutigen Anzeichen für eine Diskriminierung.

Hinsichtlich der beschriebenen Diskriminierung aufgrund des Alters haben wir keine Expertise und geben daher auch keine Stellungnahme ab.“

Von einer Befragung von Auskunftspersonen wurde abgesehen, da die vorliegenden Unterlagen zu einer Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgereicht haben (§ 11 Abs. 4 Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung).

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass das GlBG die GBK nicht zur Prüfung von jeglichen Vorwürfen auf Grund einer subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit oder von Mobbing im Allgemeinen ermächtigt, sondern dass sich die Kognitionsbefugnis der GBK ausschließlich auf die Prüfung von Diskriminierungsvorwürfen im Zusammenhang mit den in § 17 GlBG genannten Gründen beschränkt, wobei dieser Zusammenhang bei Antragseinbringung vom/von der AntragstellerIn glaubhaft zu machen ist.

Für eine solche Glaubhaftmachung genügt nach der Rsp zwar eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei der zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers bzw der Antragstellerin sprechen als dagegen (OGH 9 ObA 144/14p, ARD 6455/14/2015 = Arb 13.203; 9 ObA 177/07f, ZAS 2009/29, 186 [Klicka] = DRdA 2010/11, 137 [Eichinger]; vgl auch Windisch-Graetz, in ZellKomm3 [2018] § 12 GlBG Rz 16). Wird zB eine Bewerbung mit dem Hinweis abgelehnt, man verfüge über keine Sanitäreinrichtungen für männliche Mitarbeiter, liegt ein starkes Indiz für eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vor (OGH 9 ObA 46/04m, ecolex 2004, 420 = ASoK 2005, 26).

Wesentlich ist dabei, dass das GlBG von einem gestuften Beweislastmodell ausgeht (dazu eingehend Weberndorfer, Glaubhaftmachung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, in Ulrich/Rippatha, Glaubhaftmachung von Diskriminierung – Hilfe oder Hemmnis beim Rechtszugang [2018] 35 [72]). Der/die Antragsteller/in ist aufgefordert, das verpönte Merkmal sowie die darauf basierende Benachteiligung zu benennen und mittels ausführlicher Darstellung des Geschehens zu konkretisieren. Der Senat der GBK ist dabei von der Richtigkeit und vom Vorliegen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zu überzeugen mit dem Ziel, die Kausalität einer besonderen Eigenschaft (hier Alter und/oder ethnische Zugehörigkeit) mit einer Benachteiligung so zu verknüpfen, dass der damit befasste Senat der GBK vom Vorliegen einer Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit überzeugt ist. Erst wenn dies gelungen ist, obliegt es dem/der Antragsgegner/in, in einem weiteren Schritt zu beweisen, dass ein anderer als der glaubhaft gemachte Grund für die Ungleichbehandlung maßgeblich war (so überzeugend Weberndorfer, in Ulrich/Rippatha, Glaubhaftmachung von Diskriminierung 72).

Für das Verfahren vor der GBK müssen dabei für eine gesetzeskonforme Glaubhaftmachung einer von einer Person behaupteten Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses bereits ein oder mehrere Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen, die über eine bloße und nicht weiter belegte Vermutung, dass zB das Alter, die ethnische Zugehörigkeit, die Religion oder die Weltanschauung im Auswahlverfahren eine Rolle spielen könnten, hinausgehen; so beispielsweise durch eine auf einen Diskriminierungsgrund des § 17 GlBG gerichtete konkrete Bezugnahme im Bewerbungsgespräch oder im Absageschreiben.

Als keine ausreichende Glaubhaftmachung ist es hingegen anzusehen, wenn ein/e AntragstellerIn versucht, erst aus der Stellungnahme des/der Antragsgegners/in überhaupt das Substrat für das von ihm/ihr behauptete Vorliegen einer Diskriminierung zu gewinnen.

BEGRÜNDUNG

Der Senat II der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

"§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1.  bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses

"§ 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren ist anzumerken, dass gemäß § 26 Abs. 12 GlBG eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 17, 18 oder 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ des behaupteten nach dem GlBG verbotenen Motivs, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/r AntragstellerIn sprechen als dagegen (vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen).

Wenn dem/der AntragstellerIn die Glaubhaftmachung von Umständen, die einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der Nichtbegründung des Arbeitsverhältnisses und dessen/deren Alter bzw. der ethnischen Zugehörigkeit oder der Religion herstellen, gelungen ist, obliegt es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der AntragsgegnerIn glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs. 2 oder 20 GlBG vorliegt.

Der Senat geht bei seiner rechtlichen Prüfung von folgendem Sachverhalt aus, der auf Basis der schriftlichen Stellungnahmen auf Grund der darzulegenden Erwägungen festgestellt wurde:

Die Antragstellerin hat sich unstrittig auf zwei Stellenangebote der Antragsgegnerin beworben und von dieser zwei Absagen erhalten.

Die von der Antragstellerin selbst dem Senat vorgelegten Bewerbungsschreiben wiesen mehrere grammatikalische Fehler auf. Die Antragsgegnerin hat ihre Absagen damit begründet, dass u.a. diese fehlerhaften Bewerbungsschreiben für die Absage an die Antragstellerin (mit)ausschlaggebend gewesen sind.

Zu diesem Punkt ist aus Sicht des Senates festzuhalten, dass eine schriftliche Bewerbung zu einem wesentlichen Teil immer auch eine Gesamtpräsentation der sich bewerbenden Person darstellt, weshalb gerade Rechtschreib- oder Grammatikfehler im Motivationsschreiben bei dem/der prospektiven Arbeitgeber/in selbstredend einen negativen Eindruck des/r Bewerbers/in – speziell im Hinblick auf die von diesem/dieser erwartbaren Arbeitsweise – zu erzeugen vermögen.

Die Antragsgegnerin führt zu Recht ins Treffen, dass Korrekturprogramme üblicherweise Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Ein daraus resultierender Rückschluss auf die erwartbare Arbeitsweise steht allerdings in keinem Zusammenhang mit der Herkunft bzw. der ethnischen Zugehörigkeit einer Person, sondern zielt vielmehr auf spezifische Persönlichkeitsmerkmale wie Sorgfalt und Genauigkeit ab.

Wenn nun ein/e zukünftige/r Arbeitgeber/in für sich – wie hier geschehen – daraus den Rückschluss auf eine mögliche ungenaue Arbeitsweise und mangelnde Sorgfalt zieht, so ist dies eine aus Sicht des Senates nachvollziehbare Interpretation, die – gemessen an der Anforderung an MitarbeiterInnen im technischen Bereich – per se nicht „überzogen“ erscheint.

Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin u.a. auf Grund von Fehlern im Anschreiben nachfolgend nicht mehr in der weiteren Auswahl für die zu besetzende Stelle berücksichtigt worden ist und daher eine Absage erhalten hat, erschien dem Senat daher lebensnah, den Realitäten im Recruitingprozess entsprechend und aus Sicht eines/r künftigen Arbeitsgebers/in im Hinblick auf eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Durchführung von Personalauswahlverfahren auch sachlich gerechtfertigt.

Zur behaupteten Diskriminierung auf Grund des Alters wurde von der Antragstellerin nur ihre dahingehende Vermutung ins Treffen geführt. Die Antragsgegnerin konnte hingegen an Hand der übermittelten anonymisierten Aufstellung über Einstellungen in den letzten Jahren den Verdacht der Antragstellerin, keine Personen „50+“ einzustellen, entkräften, weshalb die –wegen ihrer fehlerhaften Anschreiben erfolgten – Ablehnung nach Meinung des Senates ebenso erfolgt wäre, wenn die Antragstellerin jünger wäre.

Allein der Umstand, dass eine Person ein „fortgeschritteneres“ Lebensalter aufweist, indiziert für sich allein genommen noch nicht den Verdacht möglicher alterdiskriminierender Motive des/r künftigen Arbeitgebers/in, zumal gerade in EDV-nahen Branchen bekanntermaßen seit Jahren akuter Fachkräftemangel herrscht.

Die Darstellung der Antragsgegnerin, dass die Ablehnung der Antragstellerin wegen der ihr auf Grund der Fehler zugeschriebenen ungenauen Arbeitsweise und mangelnder Sorgfalt erfolgt ist, erschien dem Senat daher glaubhafter als die - nur auf Vermutungen basierende - Behauptung der Antragstellerin, dass sie auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit bzw. ihres Alters für beide Stellen abgelehnt worden sei.

In rechtlicher Hinsicht ist dieser Sachverhalt folgendermaßen zu beurteilen:

Das Diskriminierungsverbot des § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG begründet keinen Anspruch auf die Begründung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses, sondern konkretisiert vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die ein anerkanntes Element des arbeitsrechtlichen Schutzprinzips darstellen und bei deren Verletzung als Rechtsfolge Schadenersatzansprüche zugunsten der diskriminierten Person vorgesehen sind. Dieses Diskriminierungsverbot ist dabei extensiv zu interpretieren – alle mit dem Zustandekommen eines Arbeitsvertrages in Zusammenhang stehenden Vorgänge – sind hiervon umfasst.

In einem Verfahren vor einem Senat der Gleichbehandlungskommission soll grundsätzlich nicht das jeweilige Auswahlverfahren wiederholt werden, sondern soll überprüft werden, ob die Entscheidung, die zur Ablehnung eines Bewerbers oder einer Bewerberin geführt hat, transparent, objektiv und sachlich nachvollziehbar war, wenn der/der BewerberIn eine Glaubhaftmachung der Diskriminierung im Sinne des § 26 Abs 12 GlBG gelungen ist.

Nach dieser Bestimmung obliegt es bei einer Glaubhaftmachung durch den/die AntragstellerIn dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes, von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (vgl Windisch-Graetz, in ZellKomm3 § 15 GlBG Rz 1 ff). Nach dem gestuften Beweislastmodell des GlBG obliegt es dem/der AntragstellerIn, den Senat der GBK von der Richtigkeit und vom Vorliegen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zu überzeugen mit dem Ziel, die Kausalität einer besonderen Eigenschaft (hier Alter und/oder ethnische Zugehörigkeit) mit einer Benachteiligung (hier: die mangelnde Anstellung) so zu verknüpfen, dass der damit befasste Senat der GBK vom Vorliegen einer Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit überzeugt ist.

Die Antragstellerin hat selbst angegeben lediglich zu vermuten, dass das von ihr im Antrag an die GBK genannte Kriterium Alter bei der Ablehnung ihrer Bewerbung gespielt haben könnte, konnte dem Senat jedoch außer dieser Vermutung nicht nachvollziehbar darlegen, wie die Absage in irgendeinem Zusammenhang mit ihrem Alter stehen würde, wohingegen die Antragsgegnerin dem Senat durch Unterlagen glaubhaft darlegen konnte, keine altersselektive Einstellungspolitik gegenüber Personen „50+“ zu betreiben.

Die Vermutung einer – mittelbaren - Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit durch das Ausschreibungserfordernis „Deutsch auf Muttersprachniveau“ hat sich für den Senat auf Grund der in den beiden Motivationsschreiben tatsächlich enthaltenen Fehlern und dem daraus gezogenen Schluss der Antragsgegnerin auf eine ungenaue Arbeitsweise und mangelnde Sorgfalt – ein Schluss, der in dieser Form vermutlich auch bei autochthonen ÖsterreicherInnen, die so ein Motivationsschreiben vorlegen, gezogen würde – nicht bestätigt, weshalb das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung der Antragstellerin zu verneinen war.

Nichtsdestotrotz ist hier anzumerken, dass eine derartige Formulierung („Muttersprachniveau“) aus Sicht des Senates jedenfalls zu vermeiden wäre, weil damit eben Personen mit nichtdeutscher Muttersprache bereits im Vorfeld von einer Bewerbung abgehalten werden könnten, was der Intention der Herstellung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt zuwiderläuft. Zu bevorzugen ist hier – immer gemessen an den tatsächlichen Anforderungen der zu besetzenden Position – etwa die Formulierung „sehr gute Deutschkenntnisse“.

Damit war das Vorliegen einer Diskriminierung der Antragstellerin auf Grund des Alters und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses in beiden Fällen zu verneinen.

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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