Entscheidungsdatum
15.01.2021Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §14Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger Ing. Bader über die Beschwerde der Frau Mag. A. B., vertreten durch C. - Erwachsenenvertretung, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 19.10.2020, Zl. ..., in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG), zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 vom 19.10.2020, zur Zahl MA 40- ... wurde
I. die zuletzt mit Bescheid vom 29.01.2020, Zl. MA 40-... zuerkannte Leistung mit 31.10.2020 eingestellt und
II. eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum von 01.11.2020 bis 28.02.2021 zuerkannt.
Nach Wiedergabe der hier maßgebenden rechtlichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) wurde begründend ausgeführt, dass die BF zum wiederholten Male nicht beim AMS gemeldet gewesen sei und auch keine aktuelle Krankmeldung von ihr vorliege. Ihr Anspruch werde im November 2020 und Dezember 2020 um 50% gekürzt.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mittels Schreiben vom 10.11.2020 fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass ihre Arbeitsfähigkeit und Terminfähigkeit nicht gegeben sei und eine akute existentielle Gefährdung durch drohenden Leistungsentfall bestehe.
Mit Schreiben vom 24.11.2020 wurde der bezughabende Akt dem erkennenden Gericht übermittelt.
Hierzu hat das erkennende Gericht erwogen:
Durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Verwaltungsakt in Zusammenhalt mit dem Beschwerdevorbringen ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und ist an der Adresse Wien, D.-gasse gemeldet. Der BF wurde am 29.01.2020 mittels Folgeantrag Leistungen der Wiener Mindestsicherung bis zum 28.02.2021 zuerkannt (Bescheid ...). Nach einer routinemäßigen Leistungsüberprüfung am 16.10.2020 wurde festgestellt, dass Frau B. nicht beim AMS gemeldet ist. Es erging schließlich der nunmehr angefochtene Bescheid, wobei der Beschwerdeführerin die Mindestsicherung für den Zeitraum 01.11.2020 bis 31.12.2020 um 50% gekürzt wurde. Die getätigten Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG abgesehen werden, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollinhaltlich dem Akteninhalt entnehmen lässt und die Beschwerdeführerin trotz entsprechender Belehrung im angefochtenen Bescheid im Beschwerdeschriftsatz nicht die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Auch die belangte Behörde hat von der Beantragung der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
Hierzu folgt in rechtlicher Hinsicht:
Die im gegebenen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten wie folgt:
§ 6. Pflichten der Hilfe suchenden oder empfangenden Personen
Hilfe suchende oder empfangende Personen haben nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
1.
zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen,
2.
an allen Angeboten zur Feststellung von Kompetenzen und Eignungen, zur Steigerung der Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit und zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen,
3.
eigene Mittel vorsorglich und zweckmäßig einzusetzen,
4.
Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist,
5.
zuerkannte Leistungen zweckentsprechend, das heißt zur Abdeckung der Bedarfe für die sie zuerkannt wurden, zu verwenden und
6.
ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen,
7.
ihre Integrationspflichten nach § 6 Abs. 1 IntG zu erfüllen, sofern nicht eine Teilnahme an Integrationsmaßnahmen aufgrund berücksichtigungswürdiger Hindernisse, deren Beseitigung nicht in der Sphäre der verpflichteten Person liegt, unzumutbar oder unmöglich ist,
8.
Aufforderungen zur Teilnahme an Gesprächen im Rahmen der Sozialarbeit und psychosozialen Beratung und Betreuung sowie des Case Managements nachzukommen.
§ 14. Einsatz der Arbeitskraft und Mitwirkung an arbeitsmarktbezogenen sowie die Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit fördernden Maßnahmen
(1) Arbeitsfähige Hilfe suchende und empfangende Personen sind verpflichtet, ihre Arbeitskraft einzusetzen, insbesondere von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen bis Lebensunterhalt und Wohnbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus eigenen Mitteln – unabhängig von Leistungen der Mindestsicherung – gedeckt sind. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Das Vorliegen von Arbeitsfähigkeit (§ 8 AlVG) und Zumutbarkeit (§ 9 AlVG) wird von den zuständigen Stellen, insbesondere jenen für die Gewährung von Arbeitslosengeld, beurteilt.
(2) Arbeitsfähige Hilfe suchende und empfangende Personen sind verpflichtet, sich bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen und an allen Angeboten zur Feststellung von Kompetenzen und Eignungen, zur Steigerung der Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit und zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mitzuwirken. Dazu zählen – abhängig vom Einzelfall – insbesondere:
1.
Kompetenzchecks,
2.
Nach- und Umschulungen,
3.
Beschäftigungsmaßnahmen,
4.
Orientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen,
5.
Beratung, Betreuung und Coaching,
6.
Integrationsmaßnahmen.
§ 15. Kürzung der Leistungen
(1) Wenn eine arbeitsfähige Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt, sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stellt, vermittelte zumutbare Beschäftigung nicht annimmt, an Angeboten zur Feststellung von Kompetenzen und Eignungen, zur Steigerung der Arbeitsfähigkeit oder Vermittelbarkeit und zur Eingliederung in das Erwerbsleben nicht entsprechend mitwirkt oder ihren Pflichten nach § 6 Abs. 1 IntG nicht nachkommt, ist im Rahmen der Bemessung nur der auf diese Person entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts (ausgenommen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes) stufenweise zunächst auf die Dauer eines Monats um 25 vH, bei einer weiteren Verweigerung für die Dauer von zwei Monaten um 50 vH und bei fortgesetzter beharrlicher Weigerung um 100 vH zu kürzen.
Aus dem Beschwerdevorbringen geht eindeutig hervor, dass sich die Beschwerdeführerin gegen die Kürzung des Mindeststandards im Zeitraum 01.06.2019 bis 30.09.2019 wendet.
Im gegenständlichen Fall ist nunmehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WMG vorliegen und deshalb eine Kürzung des Mindeststandards gerechtfertigt ist. Hierbei geht es um die Frage, ob die BF ihre Arbeitskraft gemäß § 14 Abs. 1 WMG zur Verfügung gestellt hat.
Nach einer routinemäßigen Leistungsüberprüfung am 16.10.2020 wurde festgestellt, dass Frau B. nicht beim AMS gemeldet ist. Dies wurde in der Beschwerde gar nicht in Abrede gestellt. Die Beschwerdeführerin ist somit ihrer gesetzlichen Verpflichtung an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen nicht nachgekommen.
Hinsichtlich der Zuerkennung des Mindeststandards ist zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin arbeitsfähig ist und ihre Arbeitskraft im Sinne des § 14 WMG einzusetzen hat. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unterliegen Sachverständigengutachten der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 23.1.2001, Zl. 2000/11/0263). Die Behörde hat darauf zu achten, dass diese vollständig, schlüssig (VwGH 18.1.1994, Zl. 93/07/0009) und widerspruchsfrei (VwGH 20.12.1995, Zl. 90/12/0125) sind.
Gemäß dem ärztlichen Gutachten vom 15.08.2019 ist die Arbeitsfähigkeit der BF am allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben. Nach der vorliegenden äzrtlichen Beurteilung ist die Beschwerdeführerin arbeitsfähig. Die Erstellung eines neuen Gutachtens war nicht geboten, weil das vorliegende ärztliche Gutachten für das erkennende Gericht weder unvollständig, noch unschlüssig oder gar widersprüchlich ist.
Es wurden alle bei den Untersuchungen seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und auch die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt. Demnach ist auch davon auszugehen, dass bei der Beschwerdeführerin Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung des beschriebenen Leistungskalküls besteht.
Die Tatsache, dass das Gutachten vom 15.08.2019 nicht das von der Beschwerdeführerin erwünschte Ergebnis gebracht hat, rechtfertigt nicht die Erstellung eines weiteren Gutachtens durch einen anderen (Fach-)Arzt.
Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen (VwGH 18.06.2014, 2013/09/0172) oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. etwa VwGH 29.04.2014, 2013/04/0164; VwGH 18.02.2010, 2008/07/0087; VwGH 26.02.2016, Ro 2014/03/0004; VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0050).
Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach ihrer Meinung nach die Beurteilung durch die Gutachterin nicht zutreffend sei, ist nicht ausreichend, um die Schlüssigkeit und Richtigkeit des vorliegenden aktuellen ärztlichen Gutachtens, mit denen die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt wurde, zu widerlegen oder gar diesen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Dazu kommt, dass das Gutachten in seinem Aufbau entsprechende Kriterien wie Anamnese, Befunderhebung, Diagnose, ärztliche Beurteilung sowie die Feststellung bezüglich der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin enthält.
Nach den Feststellungen des Gutachtens ist die Beschwerdeführerin nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 14 WMG. Sie ist daher verpflichtet, ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und an arbeitsintegrativen Maßnahmen entsprechend mitzuwirken.
Die für Hilfesuchende bestehende Verpflichtung an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen (nach § 6 WMG) als auch die Verpflichtung, die eigene Arbeitskraft zur Abwendung der Notlage einzusetzen (§ 14 Abs. 1 WMG), ziehen bei Nichteinhaltung die Konsequenz des § 15 Abs. 1 WMG nach sich, wonach der im Rahmen der Bemessung auf die Betroffene entfallende Mindeststandard stufenweise gekürzt werden kann.
Auf Grund des klaren Wortlautes der Bestimmung des § 15 Abs. 1 WMG ist eine Kürzung des Mindeststandards unter den dort normierten Voraussetzungen möglich. Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass die belangte Behörde berechtigt war, die Leistung der Mindestsicherung zu kürzen. Der Beschwerdeführerin wurde die Leistung dem Gesetz entsprechend gekürzt. Die Höhe der Kürzung erfolgte somit im gesetzlichen Rahmen und spricht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien nichts gegen die Kürzung in dieser Höhe.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat sich ergeben, dass die Voraussetzungen gemäß § 15 WMG für die Kürzung der Leistungen für den Zeitraum 01.11.2020 bis 31.12.2020 vorliegen.
Der angefochtene Bescheid erging daher zu Recht und war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Mindestsicherung; Mindeststandard; Leistungen; Kürzung; Arbeitskraft; ErwerbsfähigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.242.028.RP14.73.2021Zuletzt aktualisiert am
02.03.2021