TE Lvwg Erkenntnis 2021/2/3 LVwG-2020/23/0870-7

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Veröffentlicht am 03.02.2021
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Entscheidungsdatum

03.02.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1 **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.04.2020, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.04.2020 wurde dem Beschwerdeführer nachstehende Übertretung zu Last gelegt:

„1.      Datum/Zeit:      16.03.2020, 15:43 Uhr

Ort:    **** Y, Adresse 2, im Park

Sie haben zum angeführten Zeitpunkt im Park bei der Adresse 2 in **** Y einen

öffentlichen Ort betreten und gegenüber anderen Personen, bei welchen es sich auch nicht um Personen, die mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt leben gehandelt hat, dabei den Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten, obwohl zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte aufgrund der VO gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes,

BGBl. Nr. II Nr. 98/2020 i.d.F. BGBl. II Nr. 108/2020 in der Zeit von 16.03.2020 bis 13.04.2020 verboten war. Der Aufenthalt am angeführten Ort war auch nicht durch die unter § 2 dieser VO aufgezählten Ausnahmen gerechtfertigt. Sie konnten keinen Ausnahmegrund nennen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 3 Abs. 3 und § 2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz i.V.m. § 1 der VO gern. § 2 Z1 des COVID- 19 Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

1. €200,00

0 Tage(n) 20 Stunde(n)

0 Minute(n)

§ 3 Abs. 3 COVID-19 Gesetz,

BGBl. I Nr. 12/2020

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 20,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch

mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 220,00“

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte in dieser unter anderem aus, dass eine Regierung nicht über Nacht einfach Gesetze erschaffen dürfe und er diese völlig zurecht in Frage stellen dürfe und erlaube sich weiterhin dagegen vorzugehen, solange bis es eben dort lande, wo es hinmüsse, nämlich vor Gericht. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, dass es seiner Meinung nach in seinem eigenen Land bzw Bundesland oder auch Stadt bzw Gemeinde, wo und wann Sport machen und auf einer Bank sitzen bzw Radfahren, schwimmen, wandern oder vielleicht sogar fliegen könne und er ein freier Bürger in einem freien Land sei.

Nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde mit Erkenntnis vom 24.06.2020 als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob der Beschuldigte eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 26.11.2020, Zl ***, gab der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde Folge und behob die angefochtenen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Die Behebung begründet sich mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der der Bestrafung zu Grunde liegenden Verordnung BGBl II 98/2020 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.7.2020, Zl ***.

II.      Rechtliche Beurteilung:

 

Grundlage für die von der Bezirkshauptmannschaft Y im angefochtenen Straferkenntnis vorgenommene Bestrafung des Beschwerdeführers ist die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des Covid-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14.7.2020, Zl ***, festgestellt, dass diese Verordnung gesetzwidrig war und die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

An diesen Spruch des Verfassungsgerichtshofes ist das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß Art 139 Abs 6 B-VG gebunden. Die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verhaltensweise war daher nicht rechtswidrig. Das angefochtene Straferkenntnis war daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, da – ausgehend von der Aktenlage – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte im gegenständlichen Fall das angefochtene Straferkenntnis zu beheben, da der Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Verordnungsprüfung die VO BGBl II 98/2020 als gesetzwidrig festgestellt hat und diese als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren als Folge der in Art 139 Abs 6 B-VG verankerten Bindungsverpflichtung der Gerichte an Aussprüche des Verfassungsgerichts-gerichtshofes nicht zu erörtern. Dementsprechend wird die ordentliche Revision in Spruch- punkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses für nicht zulässig erklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

COVID-19-Maßnahmengesetz;
anzuwendende Bestimmungen gesetzwidrig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.23.0870.7

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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