TE Vfgh Beschluss 1995/6/29 G292/94

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Veröffentlicht am 29.06.1995
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
PersonenstandsG §72
ABGB §165

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Regelung des Namens des unehelichen Kindes wegen zu eng gefaßten Antragsbegehrens; untrennbarer Zusammenhang zwischen der Regelung des ABGB über die Namensführung und der Regelung des PersonenstandsG über die Weiterführung oder Änderung des bereits erworbenen Namens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. §165 ABGB lautete in der Fassung des Bundesgesetzes über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl. 403/1977:

"Das uneheliche Kind erhält den Geschlechtsnamen der Mutter."

1. Der vorliegende, am 16. Dezember 1994 eingelangte Antrag begehrt die Aufhebung des §165 ABGB. Antragsteller sind eine 1978 verwitwete Mutter und ihre 1993 geborene Tochter. Sie erachten die Vorschrift als unmittelbar für sie anwendbar, streben an, daß die Tochter den Familiennamen der Mutter tragen dürfe, halten aber den Umweg über ein Namensänderungsverfahren (nach dem Namensänderungsgesetz - NÄG) für nicht zumutbar und bringen Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitssatzes, des Verbotes jeglicher Diskriminierung der Frau und des Schutzes des Privat- und Familienlebens vor. Ihren gleichartigen früheren Antrag, allerdings mit dem Begehren, lediglich den Wortteil "Geschlechts" in §165 ABGB aufzuheben, hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Oktober 1994, G258/93, als unzulässig zurückgewiesen, weil eine solche teilweise Aufhebung einem dem Gesetzgeber (des Jahres 1977) nicht zusinnbaren Akt der positiven Gesetzgebung darstelle, im Falle der Verfassungswidrigkeit daher §165 ABGB insgesamt aufgehoben werden müßte und der dies nicht zulassende Antrag daher zu eng sei.

Durch das Namensrechtsänderungsgesetz, BGBl. 25/1995 (ArtI Z8), wurde §165 ABGB inzwischen dahin abgeändert, daß er nunmehr lautet:

"Das uneheliche Kind erhält den Familiennamen der Mutter."

Diese Novelle trat mit 1. Mai 1995 in Kraft (ArtVII Z1).

Mit gleichem Gesetz (ArtIV Z13) wurde §72 Personenstandsgesetz neu gefaßt; er lautet nun:

"Auf Grund einer vor dem 1. Mai 1995 erfolgten Geburt oder geschlossenen Ehe erworbene Rechte und entstandene Pflichten zum Gebrauch des Namens bleiben unberührt."

Die in den weiteren Bestimmungen eröffnete Möglichkeit des Überganges zum neuen Recht ist für das uneheliche Kind nicht vorgesehen.

II. Der Antrag ist unzulässig.

Wie bereits im Beschluß G258/93 vom 11. Oktober 1994 dargelegt, betrifft die gesetzliche Bestimmung des Namens eines Kindes nicht nur dieses selbst, sondern auch seine leiblichen Eltern und berührt deren Rechtssphäre. Die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Namensänderung ist kein gangbarer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §165 ABGB vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, weil nicht gesichert ist, daß sie auf diesem Weg tatsächlich an den Gerichtshof herangetragen werden kann (vgl. G175,176/92 vom 2. Dezember 1993 und G227/92 vom 18. Dezember 1993).

An der Betroffenheit der Antragstellerinnen hat auch das Namensrechtsänderungsgesetz nichts geändert. Ein vor dem 1. Mai 1995 geborenes Kind trägt weiterhin den durch §165 ABGB in der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgeblichen Fassung bestimmten Namen. Die Weiterwirkung des §165 ABGB gründet sich allerdings nunmehr in erster Linie auf §72 Personenstandsgesetz in der Fassung des Namensrechtsänderungsgesetzes.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Umfang der Aufhebung einer rechtswidrigen generellen Norm derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, daß aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung in seiner Bedeutung erfährt. Sollten die gegen §165 ABGB in der Fassung vor dem 1. Mai 1995 vorgetragenen Bedenken zutreffen, würde eine Feststellung, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war, nichts an der Aussage des §72 Personenstandsgesetz ändern, wonach erworbene Rechte und entstandene Pflichten zum Gebrauch eines Namens unberührt bleiben. Der an der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Einbringung ausgerichtete Antrag erweist sich daher in dem nach ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit eines Antrages maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (neuerlich) als zu eng. Er zieht - verständlicherweise - nicht in Betracht, daß es seit dem 1. Mai 1995 nicht mehr um den Erwerb des Namens geht, sondern sich für alle vorher Geborenen nur noch die Frage der Weiterführung oder einer Änderung des bereits erworbenen Namens stellt und daher ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §165 ABGB und §72 Personenstandsgesetz entstanden ist.

Der Antrag ist folglich als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Namensrecht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Personenstandswesen, Zivilrecht, Kindschaftsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G292.1994

Dokumentnummer

JFT_10049371_94G00292_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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