Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
GewO 1994 §13 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des B (Erstbeschwerdeführer) und des A (Zweitbeschwerdeführer), beide vertreten durch C Rechtsanwälte, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 24. August 2020, ***, betreffend Widerruf der Geschäftsführerbestellung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
B ist seit 02.11.2018 Inhaber der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)“ im Standort ***, ***. Zum gewerberechtlichen Geschäftsführer wurde A, geb. ***, bestellt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 24.08.2020, ***, wurde die Bestellung des A zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für die Ausübung des Gewerbes Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk) im Standort ***, *** gemäß §§ 361, 91 Abs. 1, 87 Abs. 1 Z 1, 13 Abs. 1 Z 1 lit. b und Z 2 Gewerbeordnung 1994 widerrufen.
In der Begründung wurde auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes *** vom 19.04.2018, ***, verwiesen, wonach A wegen § 12 3. Fall in Verbindung mit §§ 169 Abs. 1 und 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wovon 16 Monate unter Verhängung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt worden sei. Nach der Eigenart der strafbaren Handlung, nämlich dem Versuch für einen Dritten einen finanziellen Vorteil in Form einer nicht rechtmäßig zustehenden Versicherungsleistung mittels (zumindest beigetragener) Brandstiftung zu erlangen und nach der Persönlichkeit des Verurteilten könne nicht zwingend auf eine derartige Wandlung des Persönlichkeitsbildes geschlossen werden, dass die Begehung gleichartiger Straftaten nicht mehr zu befürchten sei. Somit könne keine positive Prognoseentscheidung abgegeben werden. Gerade bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes seien wegen der besonders hohen Kundenorientierung Anreiz und Gelegenheit gegeben, betrügerische Handlungen zu begehen wie auch die Möglichkeit Dritte, beispielsweise eine Versicherung, auch zukünftig in ihrem Vermögen zu schädigen. Zwar sei positiv zu sehen, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer sich seit der Verurteilung wohlverhalten habe, allerdings lasse sich aus der im Verhältnis zu den Mitangeklagten zwar verhältnismäßig niedrigen Strafe per se jedoch keinesfalls eine Geringfügigkeit des Unrechtsgehaltes der Tat (-beteiligung) ableiten, zumal es offensichtlich seitens des Landesgerichtes sehr wohl als erforderlich angesehen worden sei, zumindest einen Teil der Haftstrafe unbedingt auszusprechen.
Außerdem sei seit der Verurteilung ein Zeitraum von gerade einmal rund eineinhalb Jahren bzw. rund dreieinhalb Jahren seit der Begehung der Tat verstrichen. Die Rechtsprechung lasse beispielsweise selbst bei Verstreichen eines Zeitraumes von elf Jahren seit Begehung der strafbaren Handlungen (gewerbsmäßiger schwerer Versicherungsbetrug) keine Änderung des aus dieser Straftat abzuleitenden Persönlichkeitsbildes zu.
Dagegen haben B (Erstbeschwerdeführer) und A (Zweitbeschwerdeführer), beide vertreten durch C Rechtsanwälte, ***, *** fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersatzlos zu beheben.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass dem gewerberechtlichen Geschäftsführer ein mangelndes Unrechtsbewusstsein nicht vorgeworfen werden könne, weil sich dieser seit März 2017 wohlverhalten habe und auch den Zeitraum der Fußfessel unter Einhaltung der Auflagen absolviert habe. Die Tat sei weder gewerbsmäßig gewesen, noch sei er Ausführender gewesen. Er sei Beteiligter nach § 12 StGB in untergeordneter Position gewesen, sein Beitrag sei somit minimal gewesen. Außerdem sei es beim Versuch geblieben, die Tat sei nicht so umgesetzt bzw. der Sachverhalt nicht so verwirklicht worden, dass es tatsächlich zur Erfüllung des Betrugs gekommen wäre. Für einen Betrug bedürfe es nicht nur der Schädigung eines anderen am Vermögen, sondern wohl auch der Absicht, sich durch diese Tat zu bereichern, was im gegenständlichen Fall nicht gegeben gewesen sei. Der Beschwerdeführer A habe keinen finanziellen Vorteil erlangen wollen und sei nur Vermittler gewesen. Er habe nicht für sich mitgewirkt, sondern für Dritte.
Ein Unrechtsbewusstsein sei mittlerweile sehr wohl vorhanden. Dass ein Teil der Strafe unbedingt ausgesprochen worden sei, hänge damit zusammen, dass kein Geständnis abgelegt worden sei. Es werde aber oft übersehen, dass es in diesen Kreisen, insbesondere mit Migrationshintergrund, eine Ehrensache sei, kein Geständnis abzulegen, wohl auch in dem Wissen, dass dadurch eine höhere Strafe bewirkt werde.
Die Gewerbeordnung habe in § 13 Abs. 1 Z 1 lit. a die für die Gewerbeausübung wesentlichen und erheblichen Tatbestände angeführt, nämlich das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, Zuschlägen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, organisierte Schwarzarbeit, betrügerische Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen. Dies seien Tatbestände, die tatsächlich im unternehmerischen Leben von Relevanz seien. Weiters seien wesentlich für die Gewerbeordnung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 einerseits die Verletzung des Suchtmittelgesetzes, andererseits Eingangs- und Ausgangsabgaben zur Hinterziehung, Abgabenhehlerei, Verurteilung nach dem FinStrG. Abgesehen davon sei kein maßgeblicher Einfluss gegeben im Betrieb des Erstbeschwerdeführers, sondern nur gewerberechtlich, weder finanz-, sozialversicherungs- noch steuerrechtlich. Sohin bestehe auch keine Notwendigkeit zur Entziehung der Gewerbeberechtigung bzw. des Widerrufs der Gewerbeberechtigung betreffend B.
Mit Schreiben vom 16.09.2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Zwettl die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 26.11.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Zwettl zur Zl. ***, und des Aktes des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Zl. LVwG-AV-1015-2020, sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführer.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:
Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:
B ist seit 02.11.2018 Inhaber der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)“ im Standort ***, ***. Zum gewerberechtlichen Geschäftsführer wurde A, geb. ***, bestellt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes ***vom 19.04.2018, ***, wurde A wegen des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12 3. Fall, 169 Abs. 1 StGB und des Vergehens des schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 12 3. Fall, 15, 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wovon 16 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Der unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe wurde in Form der Verhängung einer elektronischen Fußfessel verbüßt, wobei sämtliche Auflagen eingehalten wurden.
Demnach hat er im Zeitraum von März 2017 bis 13.03.2017 in ***, *** und andernorts zur Ausführung der strafbaren Handlung der Haupttäter D, E und F beigetragen, indem er im Wissen um die geplante Tat den Brandleger D vermittelte (Spruchpunkt X./A./). E und D wurden unter Spruchpunkt I. für schuldig erkannt, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter und F als Beitragstäter am 13.03.2017 in *** an einer fremden Sache, nämlich dem von G gepachteten Geschäftslokal „H Pizzeria“ und dem angrenzenden Fahrradgeschäft, sohin dem im Eigentum von I stehenden Gebäude, ohne deren Einwilligung dadurch eine Feuersbrunst verursacht zu haben, dass sie Benzin im hinteren Bereich des Geschäftslokals „H Pizzeria“ aufbrachten und den Brandbeschleuniger anschließend durch ein Loch in der Gebäudefront zündeten, worauf es zu einer massiven Explosion kam, wodurch die Auslagenscheiben beider Geschäftslokale aus der Verankerung gerissen wurden, die beiden Geschäftslokale komplett ausbrannten, die umliegenden Gebäude und Fahrzeuge durch die Wucht der Explosion sowie Glassplitter beschädigt wurden.
Unter Spruchpunkt X./B./ wurde er für schuldig erkannt, dass er durch diese Tat zur Ausführung der strafbaren Handlung des G beigetragen hat, welcher am 13.03.2017 in *** versuchte, Verfügungsberechtigte der J durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung zu verleiten, und zwar durch die sinngemäßen wahrheitswidrigen Angaben, der gegenständliche Brand in seinem Geschäftslokal sei ohne sein Zutun entstanden, sodass ein Versicherungsfall vorliege, nämlich zur Auszahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von ca. € 190.000,--, welche diese am Vermögen schädigen sollte.
Mildernd wertete das Gericht den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, und den untergeordneten Tatbeitrag. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen gewertet.
Das Landesgericht *** kam zum Schluss, dass mit einer teilbedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 3 StGB vorgegangen werden könne. Es sei nicht notwendig - sowohl in spezialpräventiver als auch in generalpräventiver Hinsicht – die gesamte Strafe zu vollstrecken.
Die Probezeit ist noch nicht abgelaufen. Diese Strafe ist noch nicht getilgt. Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung ist der Tilgungszeitraum zur Zeit nicht errechenbar.
Der nunmehrige Beschwerdeführer A ist sich nach wie vor nicht des Unrechtsgehalts der Taten bewusst, derentwegen er rechtskräftig verurteilt wurde. Er ist weiterhin der Meinung, dass er zu Unrecht verurteilt wurde.
A ist selbst seit 26.03.2012 Inhaber der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Friseure und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)“ gemäß § 94 Z. 22 Gewerbeordnung 1994 im Standort ***, ***. Weitere Betriebsstätten sind in ***, ***, *** und ***, ***. Diese Geschäfte gehen gut. Gegenüber der Sozialversicherung bzw. dem Finanzamt bestehen keine Rückstände.
Er ist verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder im Alter von zwölf und fünf Jahren. L ist mit ihm als gewerberechtlichem Geschäftsführer sehr zufrieden. Im Waldviertel ist es schwierig, einen gewerberechtlichen Geschäftsführer für das gegenständliche Gewerbe zu finden.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur gerichtlichen Verurteilung bzw. zu den einzelnen Tathandlungen basieren auf der Einsichtnahme in die diesbezügliche Urteilsausfertigung des Landesgerichts ***, die bereits im Akt der Verwaltungsbehörde enthalten ist. Weiters wurde Einsicht in das Gewerbeinformationssystem Austria zur GISA-Zahl *** genommen, worauf die Feststellungen betreffend die Gewerbeberechtigung des A beruhen.
Im Übrigen basieren die Feststellungen insbesondere auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der sich das erkennende Gericht einen persönlichen Eindruck insbesondere vom Zweitbeschwerdeführer verschaffen konnte. Bereits im Verfahren vor dem Landesgericht *** hat er sich nicht geständig gezeigt, auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat er betont, dass er zu Unrecht verurteilt worden sei. Er habe lediglich den Kontakt zwischen G und D vermittelt, ohne zu wissen, dass es um Brandstiftung gehe, er hätte auch nie daran gedacht, dass Herr G etwas derartiges vorhabe. Er habe auch nicht nachgefragt, warum Herr G diesen Kontakt brauche. Das Verfahren sei bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden, Herr G habe ihn jedoch angezeigt, sodass schließlich doch das Strafverfahren eröffnet worden sei. Deswegen sei er auch nicht geständig gewesen.
Dem Urteil des Landesgerichtes *** ist zu entnehmen, dass er sich bereits im strafgerichtlichen Verfahren ebenso verantwortet hat, wobei jedoch das Landesgericht *** seine Aussagen als haltlose Schutzbehauptung gewertet hat (Seite 31 des Urteils). Das Strafgericht kommt u. a. unter Verweis auf die Aussage von Herrn G sowie auf ein am 19.05.2017 geführtes Telefonat zum Ergebnis, dass die Aussage, wonach A natürlich gewusst habe, weshalb man Kontakt zu den Tschetschenen knüpfe, glaubwürdig sei und dass er von Anfang an in die verfahrensgegenständliche Brandstiftung involviert gewesen sei und somit auch eine Gefängnisstrafe riskiert habe. Weiters wird festgehalten, dass es auch jeglicher Lebenserfahrung widerspreche, dass Herr A ohne weitere Informationen einfach einen Tschetschenen „besorgt“ habe, diesen Tschetschenen in das Lokal des G bringe und nicht wissen wolle, worum es eigentlich gehe, zumal Herr A mit D befreundet sei und zwischen Herrn G zuvor kein Kontakt mit D stattgefunden habe. Dass Herr D mit seinem engen Freund Herrn A, mit dem er immer wieder telefoniert habe, vor der Brandstiftung kein Wort über den doch eher ungewöhnlichen Auftrag gesprochen habe, sondern erst 3 bis 4 Tage danach, sei vollkommen unglaubhaft und nicht nachvollziehbar (Seite 32 des Urteils).
Im Beschwerdeverfahren hat der Zweitbeschwerdeführer eine Stellungnahme der Bewährungshelferin vom 16.11.2020 vorgelegt, wonach sich die Betreuung aufgrund seiner Verlässlichkeit in der Termineinhaltung und seiner Bereitschaft zu einer sinnvollen Zusammenarbeit sehr positiv gestaltete. Auch die Bewährungshelferin kommt zum Ergebnis, dass er sich nicht in allen Punkten schuldig sehe, wenn er auch bereit sei, die Konsequenzen aus dem Urteil zu übernehmen.
Das erkennende Gericht hatte folglich auch nicht den Eindruck, dass er die Tat tatsächlich bereut und sich des Unrechtsgehalts der Taten bewusst ist.
Die Feststellung zur Schwierigkeit, einen gewerberechtlichen Geschäftsführer zu finden, beruht auf den Angaben des Erstbeschwerdeführers, der auch angegeben hat, mit dem Zweitbeschwerdeführer sehr zufrieden zu sein. Die Feststellung zum Familienstand des Zweitbeschwerdeführers und seinen Geschäften beruht auf dessen Aussage.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
§ 13 Abs. 1 GewO 1994 lautet:
(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie
1.
von einem Gericht verurteilt worden sind
a)
wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b)
wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2.
die Verurteilung nicht getilgt ist.
Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.
§ 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 lautet:
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist …
§ 91 Abs. 1 GewO 1994 lautet:
(1) Beziehen sich die im § 87 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 oder im § 88 Abs. 1 genannten Entziehungsgründe auf die Person des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers, so hat die Behörde (§ 361) die Bestellung des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes zu widerrufen. In diesen Fällen gilt § 9 Abs. 2 nicht.
Gemäß § 91 Abs. 1 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 hat die Behörde die Bestellung des Geschäftsführers unter anderem dann zu widerrufen, wenn sich einer der in § 87 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 genannten Entziehungsgründe auf die Person des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers bezieht.
Voraussetzung einer Entziehung gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 ist, dass auf einen Gewerbeinhaber ein Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutrifft, wobei als weiteres Tatbestandselement hinzukommt, dass nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Weitere Tatbestandsvoraussetzung für eine Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 ist, dass die strafgerichtliche Verurteilung doch nicht getilgt ist.
Dazu wurde festgestellt, dass der Zweitbeschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes *** vom 19.04.2018, ***, wegen des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12 3. Fall, 169 Abs. 1 StGB und des Vergehens des schweren Betruges als Beteiligter nach §§ 12 3. Fall, 15, 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wovon 16 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Der unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe wurde in Form der Verhängung einer elektronischen Fußfessel verbüßt. Diese Strafe ist noch nicht getilgt, die Probezeit ist noch nicht abgelaufen.
Aufgrund der Verurteilung durch das Landesgericht *** vom 19.04.2018, ***, zu einer Freiheitstrafe von 24 Monaten, welche noch nicht getilgt ist, liegt somit der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 vor, sodass zu prüfen ist, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit der Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Beim Entziehungsgrund der strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des
§ 13 Abs. 1 GewO 1994 ist die Behörde an ein rechtskräftiges Urteil gebunden, es obliegt ihr aber die selbstständige Beurteilung, ob alle weiteren Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. etwa VwGH 25.9.1990, 90/04/0021 etc.). Unbeschadet allfälliger für einen Gewerbetreibenden sprechenden Gerichtsentscheide hat die Gewerbebehörde selbständig das Vorliegen der Entziehungsvoraussetzungen zu beurteilen.
Bei dieser Prognose ist auf die Eigenart der strafbaren Handlung gleichermaßen wie auf die Persönlichkeit der Verurteilten und eine allfällige positive Persönlichkeitsentwicklung Bedacht zu nehmen. Zu berücksichtigen sind alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können, wie z. B. die unbescholtene Lebensführung seit Tatbegehung, der Rückfall in neuerliche Straftaten, etc.
Zwar ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs iZm dem Ausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ohne rechtliche Relevanz, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes erfolgte. Allerdings muss die Eigenart der begangenen strafbaren Handlungen im Zusammenwirken mit der Persönlichkeit des verurteilten Gewerbeinhabers die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes in der Zukunft mit gutem Grund befürchten lassen.
Der nunmehrige Zweitbeschwerdeführer hat durch die Vermittlung des Brandlegers dazu beigetragen, dass G, welcher eine schlecht gehende Pizzeria hatte, versuchte, Verfügungsberechtigte der J durch Täuschung über Tatsachen und zwar durch die sinngemäßen wahrheitswidrigen Angaben, der Brand in seinem Lokal sei ohne sein Zutun entstanden, sodass ein Versicherungsfall vorliege, zur Auszahlung einer Versicherungsleistung zu verleiten. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich konnte sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Zweitbeschwerdeführer A machen, welcher sich nach wie vor nicht des Unrechtsgehalts der Taten bewusst ist, derentwegen er rechtskräftig verurteilt wurde. Er ist weiterhin der Meinung, dass er zu Unrecht verurteilt wurde. Dementsprechend bereut er auch nicht die Tat. Auch die Bewährungshelferin kommt in ihrem Schreiben vom 16.11.2020 zum Ergebnis, dass der Zweitbeschwerdeführer sich nicht in allen Punkten schuldig sieht, wenngleich er bereit ist, sich dem Urteil zu beugen und die Konsequenzen daraus zu übernehmen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass er künftig eine gleiche oder ähnliche Straftat begehen wird und etwa Dritte wie eine Versicherung in ihrem Vermögen schädigen wird. Weiters wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, welches Ausmaß den Unwertgehalt seiner strafbaren Handlung verdeutlicht, zumal er der Beitragstäterschaft für schuldig erkannt wurde und nicht der unmittelbaren Täterschaft. Das Ausmaß übersteigt auch das in § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b genannten Maß von drei Monaten um das Achtfache.
Im zitierten Urteil des Landesgerichtes *** wurde mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel gewertet sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie der untergeordnete Tatbeitrag. Das Landesgericht *** kam zum Schluss, dass mit einer teilbedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 3 StGB vorgegangen werden könne. Es sei nicht notwendig – sowohl in spezialpräventiver als auch in generalpäventiver Hinsicht – die gesamte Strafe zu vollstrecken. Weiters wurde festgestellt, dass der unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe in Form der Verhängung einer elektronischen Fußfessel verbüßt wurde, wobei sämtliche Auflagen eingehalten wurden.
Abgesehen davon, dass unbeschadet allfälliger, für einen Gewerbetreibenden sprechender Gerichtsentscheide die Gewerbebehörde selbständig das Vorliegen der Entziehungsvoraussetzungen zu beurteilen hat, scheint der Zeitraum des Wohlverhaltens seit der Verurteilung zu kurz, um auf einen Wegfall der Gefahr der Begehung ähnlicher Straftaten schließen zu können, zumal die Probezeit noch nicht abgelaufen ist.
Dem Umstand, dass sich der Zweitbeschwerdeführer seit der letzten Tatbegehung 3,5 Jahre wohlverhalten hat, kann daher nicht jenes Gewicht beigemessen werden, dass die in der Eigenart der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen werden kann. Hier ist auch die Art und Weise zu berücksichtigen wie der Versicherungsbetrug vorgenommen werden sollte, sowie die Höhe des Schadens des versuchten Versicherungsbetruges.
Schließlich ist festzuhalten, dass der Zweitbeschwerdeführer zum Zeitpunkt der strafbaren Handlung bereits im 31. Lebensjahr stand, somit in einem Alter, in dem die Persönlichkeitsbildung bereits weitgehend abgeschlossen ist. Selbst der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer selber seit 2012 Inhaber der Gewerbeberechtigung „Friseure und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)“ ist und drei gut gehende Geschäfte hat, weiters verheiratet und zum Zeitpunkt der Tatbegehung Vater zweier minderjähriger Kinder war, hat ihn nicht davon abgehalten, zur Ausführung der strafbaren Handlung beizutragen, indem er im Wissen um die geplante Tat den Brandleger vermittelte und dadurch zum versuchten Versicherungsbetrug beitrug.
Aufgrund der Persönlichkeit des Verurteilten bzw. aufgrund des Eindrucks, den er gegenüber dem erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, geht das erkennende Gericht daher davon aus, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes in einer vergleichbaren Situation mit guten Gründen nicht ausgeschlossen werden kann. Auch der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer sämtliche Auflagen der elektronischen Fußfessel eingehalten hat, ändert daran nichts. Zwar ist auch im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrestes („Fussfessel“) eine Prognoseentscheidung zu treffen, welche sich jedoch nur auf den Strafvollzug bezieht und keine Prognoseentscheidung im gewerblichen Entziehungsverfahren ersetzen kann. Im Gewerberecht ist eben die Prognoseentscheidung dahingehend vorzunehmen, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist. Soweit vorgebracht wurde, dass der Zweitbeschwerdeführer sämtliche Auflagen des elektronisch überwachten Hausarrestes eingehalten habe, ist auf die Bestimmung des § 156c StVG zu verweisen, wonach diese bei Nichteinhaltung der Anordnungen zu widerrufen ist, sodass die unbedingt verhängte Freiheitsstrafe vollzogen wird. Der Zweitbeschwerdeführer, der Inhaber dreier gutgehender Friseursalons ist, musste jedenfalls schon aus diesem Grund ein Interesse daran haben, den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe in Form des Hausarrestes verbüßen zu können, da er sich so um seine Geschäfte kümmern konnte. Ungeachtet des Vorbringens, das vielfach den Anordnungen nicht Folge geleistet würde, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Einhaltung der Anordnungen des elektronisch überwachten Hausarrestes im Zusammenhang mit dem Strafvollzug zu sehen ist, jedoch für die gegenständlich zu treffende Prognoseentscheidung nicht relevant ist.
Soweit vorgebracht wurde, dass es schwierig sei, im Waldviertel einen gewerberechtlichen Geschäftsführer für das gegenständliche Gewerbe zu finden bzw. dass der Zweitbeschwerdeführer im Vertrauen auf den Bestand der Geschäftsführerbestellung ziemlich große Investitionen getätigt habe, ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach für die Berücksichtigung derartiger Umstände im Rahmen des gegenständlichen Widerrufs der Geschäftsführerbestellung die Rechtsgrundlage fehlt bzw. die wirtschaftlichen Folgen für die Beurteilung der Rechtmäßigung der Entziehung einer Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 nicht maßgeblich sind.(vgl. etwa VwGH 20.10.2004, 2003/04/0119; 24.2.2010, 2009/04/0303).
Da die belangte Behörde somit die Geschäftsführerbestellung des Zweitbeschwerdeführers zu Recht widerrufen hat, war der Beschwerde keine Folge zu geben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Friseure und Perückenmacher; Straftat; Ausschlussgrund; Prognoseentscheidung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1015.001.2020Zuletzt aktualisiert am
02.03.2021