TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/16 93/11/0072

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Veröffentlicht am 16.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
86/02 Tierärzte;

Norm

Richtlinien Tierärztekammer Textierung 1989 idF 1990/006;
TierärzteG 1975 §12 Abs1;
TierärzteG 1975 §16 Abs1 Z2;
TierärzteG 1975 §17 Abs1;
TierärzteG 1975 §17 Abs2;
TierärzteG 1975 §17;
TierärzteG 1975 §24 Abs1;
TierärzteG 1975 §53 Abs1;
VStG §44a Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der Dr. A in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission bei der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs vom 4. Februar 1993, Zl. Ds 13/92, betreffend Disziplinarvergehen nach dem Tierärztegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der Tierärzte Österreichs hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin nach einer in ihrer Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung schuldig erkannt, sie habe im Jahre 1991 bei der Ausübung ihres tierärztlichen Berufes auf Briefköpfen bzw. bei der Unterfertigung von Schriftstücken (anstelle einer Stampiglie) die Bezeichnung "Veterinärmedizinisches Laboratorium Tzt. Dr. A" verwendet, obwohl sie kein entsprechend eingerichtetes veterinärmedizinisches Labor betreibe. Durch diese Vorgangsweise habe sie gegen § 16 Abs. 1 Z. 2 Tierärztegesetz (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 476/1995 - im folgenden: TierÄG) und die aufgrund dieser Bestimmungen von der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs am 1. Juli 1989 erlassenen Richtlinien sowie gegen § 17 Abs. 2 Z. 2 TierÄG, wonach Briefköpfe keine falschen Bezeichnungen enthalten dürfen, und weiters gegen die Verpflichtung nach § 24 Abs. 1 TierÄG zur persönlichen und unmittelbaren Berufsausübung verstoßen, sich somit eines des tierärztlichen Berufsstandes unwürdigen Verhaltens schuldig gemacht und dadurch ein Disziplinarvergehen nach § 53 Abs. 1 TierÄG begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde deshalb gemäß § 59 Abs. 1 TierÄG eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- verhängt.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 TierÄG (in der genannten Fassung) war dem Tierarzt im Zusammenhang mit der Ausübung seines tierärztlichen Berufes jede Art der Werbung für die eigene Berufsausübung verboten. Nach der beispielsweisen Aufzählung des Abs. 2 galt dieses Verbot unter anderem insbesondere für die Anbringung zweck- oder standeswidriger Praxisschilder und die Verwendung von zweck- oder standeswidrigen Briefköpfen (Z. 2).

Nach § 16 Abs. 1 Z. 2 TierÄG sind Tierärzte, die eine Ordination oder ein privates Tierspital führen, verpflichtet, diese durch eine zweck- und standesgemäße äußere Bezeichnung kenntlich zu machen.

Gemäß § 24 Abs. 1 TierÄG hat der Tierarzt seinen tierärztlichen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Tierärzten (§ 28) auszuüben.

Aufgrund des § 17 TierÄG erließ die Bundeskammer der Tierärzte Österreichs unter anderem "Richtlinien über die Textierung von Brief- und Rezeptköpfen, Stampiglien und Visitenkarten sowie der Einschaltung in Telefonbüchern, Branchenverzeichnissen etc." (Beschlüsse der Hauptversammlung vom 29. April 1989 und vom 5. Mai 1990; kundgemacht in der Österreichischen Tierärztezeitung, Ausgaben Juni 1989 und Juni 1990). Danach sind im gegebenen Zusammenhang folgende Angaben erlaubt: Vor- und Zuname, akademische Grade, Berufstitel, Amtstitel, Telefonnummer plus Adresse. (Nach den zuvor in Geltung gestandenen Richtlinien waren überdies folgende Zusätze gestattet: "Röntgen, EKG, Physikalische Therapie". Nach den Übergangsbestimmungen durften derartige Textierungen nur noch bis längstens 31. Dezember 1990 weitergeführt werden.)

Gemäß § 53 Abs. 1 TierÄG begehen Kammermitglieder, die sich eines des tierärztlichen Standes unwürdigen Verhaltens schuldig machen oder ihre Pflichten als Mitglieder der Kammer verletzen, ein Disziplinarvergehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. Februar 1994, Slg. Nr. 13675, § 17 Abs. 1 TierÄG als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Bestimmung untersage dem Tierarzt "jede Art der Werbung" und unterbinde damit auch für die Kunden nützliche und sachliche Informationen; eine verfassungskonforme Auslegung sei bei diesem Wortlaut ausgeschlossen. Gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG wurde ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1995 in Kraft trete.

Daraus folgt, daß im vorliegenden Beschwerdefall, der kein Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist, § 17 Abs. 1 TierÄG in der Fassung vor der Aufhebung noch als gesetzliche Grundlage der hier anzuwendenden Verordnungsbestimmungen (der genannten Richtlinien) anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 93/17/0008, S. 13). Diese Richtlinien legen im gegebenen Zusammenhang die Grenzen des standesgemäßen Verhaltens von Tierärzten verbindlich fest, und zwar auf der Grundlage eines absoluten Werbeverbotes. Eine zur Werbung geeignete Textierung von Brief- und Rezeptköpfen oder von Stampiglien, die sich nicht an die durch die Richtlinien gezogenen Grenzen hält, ist damit eo ipso standeswidrig und mithin verbotene Werbung im Sinne des § 17 TierÄG, mag sie auch für die Kunden nützliche und sachliche Informationen enthalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/11/0153).

Diese hier noch maßgebliche Rechtslage läßt die Beschwerdeführerin außer acht, wenn sie in der Beschwerde die gegenteilige Auffassung vertritt, daß nämlich § 17 TierÄG iVm den genannten Richtlinien so zu verstehen sei, daß ein Zusatz wie der gegenständliche bei der Textierung von Brief- und Rezeptköpfen oder von Stampiglien immer dann zulässig sei, wenn eine tierärztliche Praxis oder Ordination über den für eine solche in Betracht kommenden Rahmen hinaus den Ausstattungs- bzw. Beschaffenheitsstandard eines tierärztlichen Laboratoriums aufweise. Bei der gegebenen Rechtslage stellt die

- unbestrittene - Verwendung des Ausdrucks "Veterinärmedizinisches Laboratorium" auf Briefköpfen und bei der Unterfertigung von Schriftstücken durch die Beschwerdeführerin eine standeswidrige Werbung im Sinne des § 17 Abs. 1 und 2 Z. 2 TierÄG in Verbindung mit den genannten Richtlinien dar.

Zu Unrecht hat die belangte Behörde allerdings das der Beschwerdeführerin spruchmäßig angelastete Verhalten auch als Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Z. 2 TierÄG gewertet. Diese Bestimmung regelt die äußere Bezeichnung (Kennzeichnung) einer tierärztlichen Ordination oder eines Tierspitales, die nach den von der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs dazu erlassenen Richtlinien durch ein entsprechendes Schild mit den vorgeschriebenen Ausmaßen und zulässigen Angaben zu erfolgen hat. Um eine solche Kennzeichnung geht es aber bei dem der Beschwerdeführer spruchmäßig angelasteten Verhalten (Verwendung einer unzulässigen Angabe "auf Briefköpfen bzw. bei der Unterfertigung von Schriftstücken") nicht. Die belangte Behörde hat daher durch die Wertung dieses Verhaltens auch als Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Z. 2 TierÄG den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Eine weitere Rechtswidrigkeit liegt in der Qualifizierung dieses Verhaltens als Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 24 Abs. 1 TierÄG zur persönlichen und unmittelbaren Berufsausübung. Dies deshalb, weil sich das - allein maßgebende - der Beschwerdeführerin spruchmäßig angelastete Verhalten im unzulässigen Gebrauch des besagten Ausdrucks auf Briefköpfen und bei der Unterfertigung von Schriftstücken erschöpft. Dieses Verhalten stellt schon begrifflich keinen Verstoß gegen § 24 Abs. 1 TierÄG dar. Damit braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob diese Bestimmung einem Tierarzt tatsächlich die Vornahme von Laboruntersuchungen "außer Haus" verbietet und ob die Vornahme von Laboruntersuchungen von Tierproben überhaupt zu den den Tierärzten vorbehaltenen Tätigkeiten (§ 12 Abs. 1 TierÄG) zählt.

Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, daß im Hinblick auf die Feststellung im Schuldspruch, die Beschwerdeführerin betreibe "kein entsprechend eingerichtetes veterinärmedizinisches Labor", und die damit aufgeworfene, zwischen den Parteien strittige Frage der Ausstattung dieses Labors (nach dem Beschwerdevorbringen) erlaube es die Durchführung aller anfallenden Standarduntersuchungen) im fortgesetzten Verfahren auch die bisher unterbliebene konkrete Feststellung der dort zur Tatzeit zur Verfügung gestandenen Laboreinrichtungen nachzuholen sein wird.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das Vorbringen zum Strafausspruch einzugehen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß der Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer enthält und Stempelgebührenersatz nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Beilagen (das ist hier eine Kopie des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen ist.

Schlagworte

Strafnorm Mängel im Spruch Divergenz Spruch Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1993110072.X00

Im RIS seit

02.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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