TE Bvwg Beschluss 2020/7/6 W282 2219943-1

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AVG §38
AVG §39 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

W282 2219947-1/3Z
W282 2219943-1/7Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , StA.: Serbien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom XXXX .2019, Zl. XXXX , und 2. XXXX geb. XXXX , StA.: Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom XXXX .2019, Zl. XXXX , beide vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, beschlossen:

A)

Die Verfahren des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 und des Zweitbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

B)

Die verbundenen Beschwerdeverfahren werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei der Staatsanwaltschaft Wien geführten Ermittlungsverfahrens gegen den Erstbeschwerdeführer zur Zahl XXXX ausgesetzt.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer (ErstBF) ist der Vater und gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers (ZweitBF). Der ErstBF ist zumindest seit 2002 mit Unterbrechungen im Bundesgebiet behördlich gemeldet. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt oder BFA), Regionaldirektion Wien, vom XXXX .2019, Zl. XXXX wurde ggü. dem ErstBF aufgrund zweier strafrechtlicher Verurteilungen eine Rückehrentscheidung erlassen, ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt und ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Der ErstBF hat gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben.

Gegen den ZweitBF, der seit seiner Geburt 2009 im Bundesgebiet gemeldet ist, wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt und seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt. Der ZweitBF hat gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 sind die Rechtssachen der Gerichtsabteilung G311 abgenommen und der Gerichtabteilung W 282 neu zugewiesen worden.

Über Mitteilung des Bundesamts vom 08.06.2020 (OZ 4) im Verfahren des ErstBF hat das Bundesverwaltungsgericht davon Kenntnis erlangt, dass der ErstBF im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vor dem LG für Strafsachen Wien zur GZ XXXX bzw. des Landeskriminalamtes Wien (GZ XXXX ) wegen des Verdachts der Verbrechen nach §§ 146, 147, 148, 278 StGB mit Beschluss vom XXXX 2020 wegen Tatbegehungsgefahr die Untersuchungshaft verhängt worden ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den angefochtenen Bescheiden und den dagegen erhobenen Beschwerden ergeben sich aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichts zu den oben angeführten Geschäftszahlen und den bezughabenden Verwaltungsakten des Bundesamtes in den ggst. Verfahren, sowie aus den dort einliegenden Beschwerdeschriftsätzen.

Die Feststellung, dass gegen den ErstBF ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien bzw. des Landeskriminalamtes Wien (GZ XXXX ) wegen des Verdachts der Verbrechen nach §§ 146, 147, 148, 278 StGB anhängig ist, ergibt sich aus der Mitteilung des Bundesamtes (OZ 4) und dem beigeschafften Beschluss des LG für Strafsachen Wien vom XXXX 2020 zur GZ XXXX (OZ 6) im Verfahren W282 2219943-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A):

§ 39 Abs. 1 AVG lautet wie folgt:

„§ 39. (1) Für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

(2) Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.“

Da der ErstBF der Vater und gesetzliche Vertreter des minderjährigen ZweitBF ist, liegt eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung dieser Beschwerdeverfahren im Sinne der Zweckmäßigkeit und Einfachheit der Verfahren nahe. Da im Falle einer etwaigen Bestätigung der Rückkehrentscheidung ggü. dem ErstBF der ZweitBF mit dem ErstBF als seinem gesetzlichen Vertreter gemeinsam ausreisen müsste, war die Verbindung der ggst. Verfahren sowohl im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit und Einfachheit der Verfahren durch verfahrensleitenden Beschluss (§ 31 Abs. 2 VwGVG) geboten.

Zu B):

Im Beschwerdeverfahren des ErstBF, der auf einen langen (wenn auch nicht ununterbrochenen) Inlandsaufenthalt im Bundesgebiet zurückblicken kann, ist die Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG zu klären.

Maßgeblich für die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung bei Sachverhalten mit langem Inlandsaufenthalten ist die Frage, ob die öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. des geordneten Vollzugs fremdenrechtlicher Vorschriften iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, durch vom Fremden begangene Straftaten deutlich erhöht ist (vgl. auch § 9 Abs. 2 Z 6 BFA-VG). Der ErstBF weist bereits zwei Vorstrafen auf.

Die Frage, ob der ErstBF jene Straftaten, derentwegen er mit dem Beschluss des LG für Strafsachen Wien vom XXXX 2020 zur GZ XXXX in Untersuchungshaft genommen wurde, tatsächlich begangen hat, stellt im ggst. Beschwerdeverfahren eine (zentrale) Vorfrage iSd § 38 AVG dar.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG liegt im Ermessen der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichtes. Da ein Ermittlungsverfahren vor dem LG für Strafsachen Wien zur GZ XXXX bzw. beim Landeskriminalamt Wien ( XXXX ) anhängig ist (vgl. § 1 Abs. 2 StPO) und Sache dieser Verfahren die Frage der Tatbegehung der Verbrechen nach den §§ 146, 147, 148, 278 StGB durch den ErstBF ist, werden die ggst. verbundenen Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den ErstBF ausgesetzt.

Zu C):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.

Schlagworte

Verfahrensführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2219943.1.00

Im RIS seit

04.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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