Entscheidungsdatum
13.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2190774-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den zum XXXX .02.2018 datierten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , XXXX , Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am XXXX .07.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte, irakische Staatsangehörige, XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Am XXXX .07.2015 wurde er von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass im ganzen Land Krieg herrsche. Er sei von schiitischen Milizen verfolgt worden, da er Sunnit sei und befürchte bei seiner Rückkehr, getötet zu werden.
Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, von XXXX in die Türkei nach Istanbul geflogen zu sein. Dort habe er einen Schlepper getroffen, der ihn für USD 1.000 auf die Insel Kos gebracht habe. Mit ihm seien ca. 45 Personen gereist. Dort seien sie von der griechischen Polizei aufgehalten und in ein Camp gebracht worden, wo er sich vier Tage lang aufgehalten habe und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Anschließend sei er nach Athen gefahren und habe er dort einem Schlepper den Betrag von EUR 500,00 gezahlt, woraufhin er von diesem an die mazedonische Grenze gebracht worden sei. Diese habe er mit vielen hunderten Flüchtlingen und einem Hilfsschlepper überquert. In Mazedonien sei er festgenommen, jedoch gleich wieder freigelassen worden. Er habe den Zug nach Serbien genommen und die Grenze abermals mit vielen hunderten Flüchtlingen überquert. Auch in Serbien sei er festgenommen und gleich wieder freigelassen worden. Er habe daraufhin den Bus nach Belgrad genommen, dort in einem Hotel übernachtet und einen Schlepper getroffen, welchem er EUR 1.500,00 für den Transport nach Wien bezahlt habe, da er unbedingt nach Österreich wollte. In Belgrad habe er einen Kastenwagen bestiegen, dem er nach ungefähr einer zweistündigen Fahrt entstiegen sei. Im Anschluss sei er etwa fünf Stunden zu Fuß gegangen. In der Folge sei er von einem Schlepper aufgenommen worden und nach etwa fünf Stunden Fahrt an der österreichischen Grenze angekommen. Der Schlepper habe alle aussteigen lassen und nur „Go go go“ gesagt. Die Flüchtlinge hätten nicht gewusst, wo sie seien, bis sie von der österreichischen Polizei aufgegriffen wurden. Die Reise habe von März 2015 bis 10.07.2015 gedauert.
Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF einen Treffer zu Griechenland ( XXXX ).
1.2. Am XXXX .02.2017 wurde der BF ab 09:00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.
Anlässlich dieser Einvernahme bestätigte er die bereits angegebene Reiseroute, korrigierte jedoch einige Angaben der Erstbefragung. Er sei mittels Bus von XXXX ausgereist und nicht per Flugzeug aus XXXX . Er sei von Beruf XXXX und nicht Hilfsarbeiter. Diese Fehler würden aus dem Umstand resultieren, dass der Dolmetscher bei der Erstbefragung Marokkaner gewesen sei und dieser den BF nicht ausreichend verstanden habe. Das Protokoll sei nicht rückübersetzt worden und habe er auch nach einem anderen Dolmetscher gebeten, was jedoch abgelehnt worden sei.
Als Fluchtgrund gab er an, als XXXX verlassen zu haben, als Kämpfer des Islamischen Staates (in der Folge: IS) dort einmarschiert seien. In der Folge habe die Behörde am XXXX .07.2016 in seiner Abwesenheit einen Festnahmeauftrag und ein Urteil wegen Desertion gegen ihn erlassen. Auch die Miliz „Asa‘ib Ahl Al Haqq“ habe nach ihm gefragt. Im September 2017 sei in seinem Elternhaus eine Bombe gefunden worden. Der Vater habe die Polizei gerufen, woraufhin die Bombe entschärft worden sei. Grund sei, dass die Asa‘ib ahl al Haqq bzw. Angehörige dieser Miliz nach ihm gefragt hätten. Daraufhin habe der Vater mit der Mutter das Haus verlassen und sei in eine Mietwohnung am Rand von XXXX gezogen. Weitere Fluchtgründe brachte der BF nicht vor. Abschließend gab er an, dass er nicht zurückkehren wolle, weil ihm die Todesstrafe drohe.
Bei dieser Befragung brachte er mehrere Fotografien des angeblichen Bombenfundes, Urkunden, eine Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs A1/1, eine Teilnahmebestätigung für einen Werte- und Orientierungskurs sowie zwei Bestätigungen für eine freiwillige ehrenamtliche Mitarbeit zur Vorlage.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde, wies das BFA den Antrag der beschwerdeführenden Partei (kurz: bfP) hinsichtlich des Antrages auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF eine asylrelevante Bedrohung nicht glaubhaft machen konnte da die gerichtliche Verfolgung eines Deserteurs keinen Asylgrund im Sinne der GFK darstellen würde. Auch habe er von ihm die Verfolgung durch die Miliz der „Asa‘ib Ahl Al Haqq“ nicht glaubhaft machen können. Überdies habe er falsche Urkunden zu Bezeugung seiner Identität vorgelegt.
1.4. Gegen den zum XXXX .02.2018 datierten Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, den Bescheid vollumfänglich anfechten zu wollen und verband die Beschwerde mit den Anträgen 1.) den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dass ihm der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt werden möge, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, 3.) in eventu möge ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 4 Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt werden, 4.) möge die Rückkehrentscheidung aufgehoben werden, 5.) in eventu möge festgestellt werden, dass seine Abschiebung in den Irak nicht zulässig sei, 6.) möge ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilt werden und 7.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt werden. Er brachte in der Beschwerde vor, dass die von ihm angegebene, nicht erfolgte Rückübersetzung des Protokolls der Erstbefragung, nicht berücksichtigt worden sei und er immer die Wahrheit gesagt habe.
1.5. Am 29.03.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.
1.6. Mit Eingabe vom 08.03.2019 übermittelte die belangte Behörde die Kopie einer gekürzten Urteilsausfertigung die belegt, dass der BF von der gegen ihn im Zusammenhang mit seiner erstmaligen Dokumentenvorlage im Rahmen der Erstbefragung erhobenen Anklage wegen Urkundenfälschung freigesprochen wurde.
1.7. Anlässlich einer am 27.03.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF im Beisein seines Rechtsvertreters (im Folgenden: RV) und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Die aktenkundige Verwechslung resultiert daraus, dass der BF den Nachnamen XXXX führt, XXXX ist der Clanname der Familie. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch und verfügt er lediglich über rudimentäre Deutschkenntnisse [Kopie des Staatsbürgerschaftsnachweises; Irakischer Dienstausweis; Mail bezgl. Namenskorrektur vom 09.02.2018; ZMR-Auszug; VH-Niederschrift S. 4 und S. 15].
Er hat seit dem XXXX .07.2015 den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (seit dem XXXX .05.2020 an der Anschrift XXXX ) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].
1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:
Vor seiner Ausreise aus dem Irak lebte er in einem Hotel in XXXX [Niederschrift-BFA S. 6; VH-Niederschrift S. 21].
Er ist am XXXX .03.2015 von einem unbekannten Ort ausgehend in die Türkei ausgereist. Dort traf er einen Schlepper, der ihn für USD 1.000,00 auf die Insel Kos brachte. Dort wurde er von der griechischen Polizei aufgehalten und in ein Camp gebracht, wo er sich vier Tage aufhielt und erkennungsdienstlich behandelt wurde. Nach dieser Zeit fuhr er nach Athen, wo er einem Schlepper den Betrag von EUR 500,00 zahlte, worauf hin ihn dieser an die mazedonische Grenze brachte, die er gemeinsam mit hunderten Flüchtlingen und einem Hilfsschlepper überquerte. Nach erfolgter Festnahme in Mazedonien wurde er gleich wieder freigelassen. Anschließend nahm er den Zug nach Serbien und überquerte abermals die Grenze gemeinsam mit hunderten Flüchtlingen. Auch in Serbien wurde er festgenommen und in der Folge gleich wieder freigelassen. Daraufhin nahm er den Bus nach Belgrad, wo er in einem Hotel übernachtete und einen Schlepper traf. Da der BF unbedingt nach Österreich weiter wollte, zahlte er einem Schlepper für den Transport nach Wien einen Betrag von EUR 1.500,00, bestieg in Belgrad einen Kastenwagen, dem er nach einer etwa zweistündigen Fahrt wieder entstieg und die Reise in der Folge zu Fuß fortsetzte. In der Folge wurde er von einem Schlepper aufgenommen und kam nach etwa fünf Stunden Fahrt an der österreichischen Grenze an, die er in der Folge - an einem nicht feststellbaren Ort - zu Fuß überquerte. Die Flüchtlinge haben nicht gewusst, wo sie waren, bis sie von der österreichischen Polizei aufgegriffen wurden. Die konkrete Dauer seiner Reise ab der Ausreise aus dem Herkunftsstaat bis zu seiner Einreise ins Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden.
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer auf der Insel Kos erkennungsdienstlich erfasst und behandelt wurde [Erstbefragung S. 4; Ergebnisbericht zum EURODAC-Abgleich des BF]
1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:
Im Herkunftsstaat besuchte der BF von XXXX bis XXXX die Grundschule und von XXXX bis XXXX die Hauptschule. Von XXXX bis XXXX arbeitete er mit seinem Vater als XXXX . 2006 begannen die religiösen Auseinandersetzungen, woraufhin er mit seiner Familie nach Syrien ausreiste. Dort blieben sie bis zum Jahr XXXX . XXXX kehrten sie nach XXXX zurück und bis XXXX arbeitete er als XXXX . Dann meldete er sich für die Anstellung bei der XXXX an und trat seinen Dienst mit XXXX .2012 an, welchen er bis XXXX .2014 versehen hat. Nachdem er dem Dienst fernblieb, übersiedelte er nach XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise am XXXX .03.2015 von der Arbeit in verschiedenen XXXX und der finanziellen Unterstützung durch Verwandte lebte [Niederschrift-BFA S. 5; VH-Niederschrift S. 5].
Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF besteht aus seinem etwa 59jährigen Vater XXXX , seiner circa 50jährigen Mutter XXXX sowie vier Geschwistern. Die Schwestern XXXX und XXXX sind verheiratet und Hausfrauen. XXXX ist Mutter von zwei Töchtern, XXXX ist kinderlos. Die beiden Brüder des BF, XXXX und XXXX sind ebenso verheiratet und haben zwei Töchter bzw. einen Sohn. Die Kinder der Geschwister des BF sind schulpflichtig und besuchen die Schule. Die Ehemänner der beiden Schwestern sind Bauarbeiter, seine beiden Brüder sind derzeit beschäftigungslos und leben von Erspartem sowie von einer finanziellen Unterstützung durch die Familie. Die im Herkunftsstaat aufhältigen Angehörigen der Kernfamilie des BF leben in XXXX in unterschiedlichen Bezirken zum Teil in angemieteten Häusern oder bei den Schwiegerfamilien. Einer der Brüder vermietet das in seinem Eigentum stehende Haus und bezieht daraus Einkünfte. Die Eltern des BF leben in einer Mietwohnung am Stadtrand von XXXX . Der Vater des BF ist seit dem Jahr 2013 gelähmt und wird durch die Mutter betreut und gepflegt. Der BF hat alle zwei Tage Kontakt zu seiner Familie. Laut eigenen Angaben geht es den Angehörigen seiner im Herkunftsstaat aufhältigen Kernfamilie gut und haben diese keinerlei Probleme wegen ihrer religiösen bzw. ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen [Niederschrift-BFA S. 10f; VH-Niederschrift S. 11f].
1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:
Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder anderen aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung.
Er hatte weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Auch liegt gegen ihn eine strafgerichtliche Verurteilung eines Gerichtes des Herkunftsstaates nicht vor.
Der BF wurde nie von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt [Niederschrift-BFA s. 13f; VH-Niederschrift S. 19 und S. 16].
Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass im Elternhaus zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des September 2017 eine Bombe gefunden wurde. Gegen ihn persönlich lag weder eine Bedrohung noch ein konkreter Angriff durch die Miliz Asa’ib ahl al Haqq vor. Anhaltspunkte, dass gegen den ihn ein Festnahmeauftrag wegen unerlaubten Verlassens des Dienstortes bzw. wegen angeblicher Desertion aus dem XXXX erlassen worden wäre, liegen nicht vor. Vielmehr verließ er den in XXXX gelegenen Dienstort auf Grund einer darauf abzielenden Weisung des einzig verbliebenen Offiziers, die dieser ausgesprochen hatte, als am Morgen des XXXX .06.2014 unter dem Eindruck des heranrückenden IS bereits sämtliche Vorgesetzten des BF die Flucht ergriffen hatten [Niederschrift-BFA S. 11; VH-Niederschrift S. 17ff].
Der BF ist weder auf Grund einer Bedrohung durch die Miliz „Asaib Ahl Al Haqq“ noch auf Grund einer strafgerichtlichen Verfolgung wegen Desertion geflohen.
Insgesamt vermochte er nicht glaubhaft zu machen, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte.
Der BF hat seine Heimat wegen der dort herrschenden allgemeinen Lage verlassen.
1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:
Der BF hat nachweislich an einem Deutschkurs A1/1 und an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und konnte sich bereits bei der Einvernahme vor dem BFA auf Deutsch verständigen. Er hat freiwillig in einem XXXX gearbeitet; für ihn liegen zwei Unterstützungsschreiben vor [ÖIF-Teilnahmebestätigung; Niederschrift-BFA S. 1; Teilnahmebestätigung der Volkshochschule XXXX ; Referenzschreiben der Volkshilfe XXXX ; Referenzschreiben des XXXX ; Unterstützungsschreiben XXXX ].
Der BF ist strafrechtlich unbescholten und weist eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf. Er lebt von Leistungen aus der Grundversorgung.
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre.
1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.
Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020
- ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html Zugriff am 30.06.2020
- - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 30.06.2020
- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 30.06.2020
- - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020
- - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.3.2020
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 30.06.2020
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 30.06.2020
1.6.2. Berufsgruppen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).
Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).
Der BF war von XXXX 2012 bis XXXX 2014 als XXXX tätig. Allerdings war er nach seinen eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht nur ein XXXX ohne Dienstgrad [VH-Niederschrift S. 7]. Er war an die Weisungen seiner vorgesetzten Offiziere gebunden, solange diese in der Dienststelle waren. Er gab des Weiteren an, nicht nur XXXX gewesen zu sein, sondern bereits zuvor vier Jahre als XXXX und drei Jahre in einem XXXX gearbeitet zu haben und vier Jahre als XXXX . Nach seiner Zeit als XXXX arbeitete er im Herkunftsstaat in mehreren XXXX . Aus diesen Gründen und der im Vergleich kurzen Zeit als XXXX und dass in seinem Fall eine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person nicht glaubhaft gemacht wurde, kann im konkreten Anlassfall nicht von einer Gefährdung des Beschwerdeführers auf Grund seiner vormaligen Zugehörigkeit zu einem XXXX des Herkunftsstaates ausgegangen werden.
Quellen:
- - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.3.2020
1.6.3. Desertion
Laut Kapitel 5 des irakischen Militärstrafgesetzes von 2007 ist Desertion in Gefechtssituationen mit bis zu sieben Jahren Haft strafbar. Das Überlaufen zum Feind ist mit dem Tode strafbar (MoD 10.2007). Die Armee hat kaum die Kapazitäten, um gegen Desertion von niederen Rängen vorzugehen. Es sind keine konkreten Fälle bekannt, in denen es zur Verfolgung von Deserteuren gekommen wäre (DIS/Landinfo 5.11.2018). Im Jahr 2014 entließ das Verteidigungsministerium Tausende Soldaten, die während der IS-Invasion im Nordirak ihre Posten verlassen haben und geflohen sind. Im November 2019 wurden, mit der behördlichen Anordnungen alle entlassenen Soldaten wieder zu verpflichten, über 45.000 wieder in Dienst gestellt (MEMO 6.11.2019).
Der BF war laut eigenen Angaben ein XXXX ohne Dienstgrad. Er hat die Dienststelle gemeinsam mit seinen Kollegen auf Grund einer Weisung seines Vorgesetzten verlassen, nachdem bereits alle übrigen Vorgesetzten des Beschwerdeführers die XXXX unter dem Eindruck des heranrückenden IS fluchtartig verlassen hatten. Schon dieser Umstand, dass neben dem Beschwerdeführer alle übrigen Exekutivorgane jene XXXX verließen, in der dieser gedient hatte, lässt eine staatliche Verfolgung wegen Desertion unwahrscheinlich erscheinen. Zudem ist nach der ACCORD-Anfragebeantwortung vom 06.12.2019 über hg. Veranlassung im Irak am 25. August 2016 eine Amnestie wirksam geworden, auf Grund derer all jene, welche vor diesem Datum den Dienst beendet hatten, von der Strafverfolgung befreit wurden. Begründet wurde dies damit, dass es speziell im Juni 2014 zu einem Kollaps der gesamten Armee und des Sicherheitsapparates gekommen sei. Damit ist ausgeschlossen, dass der BF im Herkunftsstaat der Desertion bezichtigt werden und deshalb Ungemach erleiden könnte. Zudem konnte der BF die von ihm behauptete, angeblich in seiner Abwesenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung wegen Desertion nicht glaubhaft machen.
Quellen:
- https://www.ecoi.net/de/dokument/2023187.html, Zugriff 30.06.2020
- - MEMO - Middle East Monitor (6.11.2019): Iraq announces return of over 45,000 people to military service, https://www.middleeastmonitor.com/20191106-iraq-announces-return-of-over-45000-people-to-military-service/, Zugriff 30.06.2020
Dem BF droht im Herkunftsstaat wegen Desertion keine wie immer geartete strafgerichtliche Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates.
1.6.4. Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).
Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).
Ob der Tatsache, dass sich der BF selbst als gesund bezeichnete und angegeben hatte, dass er keine Medikamente einnehme, steht fest, dass er gesund ist und keine, über das normale Maß hinausgehende, medizinische Betreuung benötigt.
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 30.06.2020
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 30.06.2020
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 30.06.2020
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 30.06.2020
1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Es kann festgestellt werden, dass die dem BF drohende gerichtliche Verfolgung daraus resultiert, dass er laut Übersetzung des aktenkundigen Urteils seine Dienstwaffe unerlaubt mit sich genommen hat [Urteilsübersetzung in OZ 10].
Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er keine Probleme.
Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist der BF keiner, aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort , realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass er als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der BF1 anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden.
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.
2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:
Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben.
Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der angegeben, vor dem Krieg geflohen zu sein. Eine Rückkehr schloss er wegen der Bedrohung durch die Rebellen aus.
Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF als Fluchtgrund an, dass in seinem Elternhaus eine Bombe gefunden wurde, worauf hin sein Vater die Polizei gerufen habe, die dann die Bombe entschärft haben soll. Als Grund nannte er, dass die „Asa‘ib ahl al Haqq“ nach ihm gefragt hätte. Daraufhin habe der Vater mit der Mutter das Haus verlassen und sei in eine Mietwohnung am Rand von XXXX gezogen. Die „Asa‘ib Ahl Al Haqq“ habe nach ihm gefragt und auch die Behörde habe einen Festnahmeauftrag am XXXX .07.2016 in seiner Abwesenheit erlassen, da er im Juni 2014 unerlaubt seinen Dienstort in XXXX verlassen habe, als Kämpfer des IS dort einmarschiert wären. Weitere Fluchtgründe brachte der BF nicht vor. Eine Rückkehr schloss er ob der ihm drohenden Todesstrafe aus.
Während die Fluchtroute und deren Ablauf – abgesehen von einer nicht entscheidungsrelevanten Diskrepanz zwischen den Orten der Ausreise in die Türkei – glaubhaft geschildert wurden, konnte der BF die Fluchtgründe nicht glaubhaft machen.
Zu der vom BF behaupteten, angeblichen Bedrohung durch die Miliz „Asa‘ib Ahl Al Haqq“ ist zu sagen, dass sein Fluchtvorbringen im Laufe des Verfahrens eine zunehmende Steigerung erfuhr, was insgesamt die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens untergräbt. Zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung, war diese Bedrohung (noch) nicht präsent. Hier nannte er lediglich den zu dieser Zeit herrschenden (Bürger-)Krieg als Grund, ohne auf eine Verfolgung durch eine Miliz des Herkunftsstaates, konkret auf die „Asa‘ib Ahl Al Haqq“, einzugehen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotografien von einer angeblichen Bombenentschärfung vermögen nicht, diese mit dem BF bzw. dem Haus seiner Familie in Verbindung zu bringen. In diesem Zusammenhang ist auch widersprüchlich, dass laut Aussage vor dem BFA der Vater des BF die Bombe im September 2017 gefunden und die Polizei verständigt haben soll, während er vor dem Bundesverwaltungsgericht (S. 22) angab, dass dieser bereits seit dem Jahr 2013 gelähmt und auf die Pflege seiner Mutter angewiesen sei.
Nicht glaubhaft erscheint in diesem Zusammenhang der große Zeitraum zwischen der Flucht des BF im Jahr 2014 und dem Bombenfund drei Jahre später sowie der Tatsache, dass die Brüder des BF bisher unbehelligt in ihrer Heimatstadt leben. Auch macht dieser Umstand deutlich, dass weder die im Herkunftsstaat aufhältigen Mitglieder seiner Kernfamilie, noch konkret der Beschwerdeführer einer Bedrohung durch Angehörige einer im Herkunftsstaat tätigen Miliz unterliegen.
Vor dem BFA gab der BF zusätzlich an, dass „diese Miliz“ lediglich einmal nach ihm gefragt hätte; als Fluchtgrund nannte er hier die angebliche Flucht vor dem herannahenden IS, der über Weisung seines Vorgesetzten veranlasst wurde, nachdem bereits alle übrigen Vorgesetzten aus diesem Grunde die Flucht ergriffen hatten und als Folge dessen seine „Desertion“ aus dem XXXX und die damit im Zusammenhang stehende gerichtliche Verfolgung als primären Fluchtgrund. Im Rahmen der hg. Verhandlung erläuterte der BF ausführlich, dass das Verlassen des Dienstortes nicht aus eigenem Antrieb heraus erfolgte, sondern aus einer Anweisung des einzig verbliebenen Offiziers resultierte, nachdem bereits der gesamte Führungsstab den Dienstort XXXX verlassen hatte. Es ist hier sohin nicht von einer Einzelaktion zu sprechen, sondern von einem nahezu befohlenen Rückzug. Hiermit geht auch die oben erwähnte ACCORD-Anfragebeantwortung vom 06.12.2019 einher, aus welcher eine De-facto-Amnestie für alle Deserteure dieses Zeitraums hervorgeht, da der gesamte Sicherheitsapparat zu diesem Zeitpunkt zu kollabieren drohte. Dass gegen ihn ein Urteil wegen Desertion erlassen wurde, konnte der BF jedoch nicht glaubhaft machen, da ein solches ein Jahr nach Erlassung der Generalamnestie erlassen worden sein soll und demgemäß gegen geltendes irakisches Recht verstoßen würde.
Im Bewusstsein, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe, sondern der Identität und Reiseroute dient, ist dennoch hervorzuheben, dass sich die Angaben des BF im Laufe des Verfahrens stark änderten. Der Wechsel von der Bedrohung durch den (nicht näher spezifizierten) Krieg im Rahmen der Erstbefragung, der Desertion zusammen mit tausenden Kolleginnen und Kollegen vor dem herannahenden IS bis hin zu der Furcht vor nicht asylrelevanter Strafverfolgung als Ausfluss der Flucht lassen ein Bild erkennen, dass der BF in dem Wissen des Falls des IS und der gewährten Amnestie ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt ersann um sein Verfahren ins für ihn Positive zu lenken.
Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
2.5. Zur Integration des BF in Österreich
Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, Teilnahme an Integrationskursen, ehrenamtliche Mitarbeiten) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration der beschwerdeführenden Partei wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Unterstützungsschreiben bestätigt. Der Bezug aus Leistungen der Grundversorgung ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF und einem GVS-Auszug.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .02.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.
Der BF vermochte die von ihm behauptete Bedrohung durch die Miliz „Asa‘ib ahl al Haqq“ als gegenwärtige Furcht nicht glaubhaft machen. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung hervorgehoben, änderte er den Grund für eine Unmöglichkeit der Rückkehr im Verfahrensverlauf dahingehend, dass er anlässlich seiner PV im Rahmen der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten mündlichen Verhandlung angab, dass er bei seiner Rückkehr die Inhaftierung und eine Geldstrafe befürchte. Vor dem Bundesverwaltungsgericht hielt er seine Behauptung, der Bedrohung durch eine schiitische Miliz ausgesetzt zu sein, nicht weiter aufrecht.
Ausschließlich die von ihm vorgebrachte staatliche Verfolgung aufgrund seiner Desertion und dem Diebstahl der Dienstwaffe betrifft einen staatlichen Akteur, diese erfolgt jedoch nicht ob eines kausalen Zusammenhanges zu einer bestimmten Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, sondern wegen der angeblichen Desertion des BF aus dem Polizeidienst und der hierfür vorgesehenen gesetzlichen Sanktionen. Die Flucht vor rechtmäßiger Verfolgung ist nicht als Asylgrund zu sehen, zumal der BF nicht angab, aus moralischen Gründen vom Dienst ferngeblieben zu sein, sondern ob der chaotischen Gesamtsituation und des Kollapses des Sicherheitsapparates als Folge des heranrückenden IS und nach erfolgter Weisung seines Vorgesetzten jene Polizeistation, in der er den Dienst versehen haben soll, verlassen zu haben. Das - in seiner Abwesenheit - erlassene Urteil und der Haftbefehl sind sohin nicht die Ursache für die Flucht, sondern dessen verzögertes Symptom. Das dem Akt in Kopie beiliegende Urteil spricht gegen den BF eine Strafe von insgesamt sieben Jahren Haft und 5.225.000,00 Denaren (dies entsprich etwa EUR 3.882,26) aus. Die vorliegenden Länderberichte und ACCORD-Anfragebeantwortungen ergeben klar, dass der BF bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat als XXXX und ob der 2016 ausgesprochen Amnestie wegen der von ihm behaupteten Desertion aus dem XXXX infolge Heranrückens des IS keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt sein wird. Die Höhe der Haftstrafe und der Geldsumme ergibt sich jedoch nicht nur aus dem Fernbleiben vom Dienst (welches mit einem Jahr bedingter Haftstrafe bedroht ist), sondern vielmehr aus dem Diebstahl der Dienstwaffe (sechs Jahre unbedingte Haft). Die daraus resultierende Strafverfolgung ist sohin kein willkürlicher staatlicher Akt, sondern eine nachvollziehbare Folge der Rechtsordnung des Irak (so wie jeden entwickelten Landes, welches Diebstahl ahndet). Sie stellt auch keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung des BF dar.
Zumal der BF wie soeben dargelegt eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung nicht glaubhaft machen konnte, erübrigt sich auch das Prüfen einer Fluchtalternative.
3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht z